Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Literatur.

Hafen vor und wandte sich nochmals zurück; schon begann es auch in dem bisher
freigehaltenen Raume enger, drangvoller zu werden, und jetzt erscholl der Donner
der Schiffsgcschütze und der Glockenklang von den Türmen der Allerhciligen-
tirche zugleich, das Zeichen, daß der König seinen Palast verlassen habe. Hastig
gewann Ccunvens die Stufen zur Kirche wieder, den Eingang ins Innere fand
er schon von zahlreichen Zuschauern versperrt, die ein^ so gutes Recht hatten,
hier zu sein, wie er selbst. Er konnte von seinem Platze aus den Raum vor
dem Hochaltar, wo der König die Messe hören sollte, und die Reihen der
Damen zugleich erblicken; die Herzogin und Catarina nahm er noch immer nicht
wahr. Nach dem schimmernden, waffenglänzendcn Zuge, der sich durch das Hintere
Portal der Kirche hereinbewegte und den breiten Mittelgang derselben erfüllte,
sah er nur flüchtig, sein Blick heftete sich immer unablässiger, starrer auf die
leerbleibeuden Sitze in der ersten Damenreihe. Er erkannte, daß sich dort an¬
mutige Häupter zu einander neigten, dunkle Augen auf den leeren Sitzen weilten,
flüsternde Worte getauscht wurden. Ihm stockte im dichten Gedränge der Atem;
mit seiner Andacht beim beginnenden Hochamt, mit den Gebeten für das Heil
des Königs und des vaterländischen Heeres, nach denen es ihn, mitten in seiner
Unruhe, ernstlich verlangt hatte, war es nun doch vorbei. Er hob sich aus den
Zehen, um wenigstens gewiß zu sein, daß der König in dieser Stunde in der
Kirche nicht fehle. Dort, gegenüber dem Altar, inmitten eines glänzenden Ge¬
folges, sah er Dom Sebastian deutlich genug. Wie gestern, sah der König
bleich und überwacht aus, und doch war ein andrer Ausdruck auf seinem Ge¬
sicht als am Abend zuvor, da er Ccimoens im Thronsaal angesprochen hatte.
Ein freudiger Schimmer glänzte aus seinen Angen, ein Lächeln, wie der Nach¬
klang seliger Stunden umspielte des Königs Lippen, Ccimoens wußte sich das
nie geschaute Licht in diesen Zügen nicht zu deuten, Dom Sebastian blickte
-- vor dem Siege -- wie ein Sieger drein! (Fortsetzung folgt.)




Literatur.

Rembrandts Heimat. Studien zur Geschichte der nordniedcrliindischen Kultur im sieb¬
zehnten Jahrhundert. Von K. Büsten-Huck. Autorisirtc Uebersetzung aus dem Hollän¬
dischen von Marie Mohr. Herausgegeben von G. Frhrn. von der Ropp. 1. Bd.
Leipzig, T. O. Weigel, 1886.

In einer Reihe von biographischen Skizzen sucht der Verfasser, der eine ähn¬
liche Darstellung bereits in dein 1872 erschienenen Buche: Ilse I^.nel van lindsus
versucht hat, die Kulturentwicklung seines Vaterlandes vom dreizehnten Jahrhundert
bis an das Ende des sechzehnten zu schildern: Oliver von Köln vergegenwärtigt
die Sittenzustande des dreizehnten, Johann von Vivis die des vierzehnten, Thomas
von Kempen die des fünfzehnte!!, Erasmus von Rotterdam und Lukas von
Leiden die des sechzehnten Jahrhunderts. In einem Schlußkapitel des ersten
Bandes giebt der Verfasser sodann noch eine Uebersicht der holländischen Literatur
der Zeit. Läßt sich über die Zweckmäßigkeit und Berechtigung dieser Art kultur-


Literatur.

Hafen vor und wandte sich nochmals zurück; schon begann es auch in dem bisher
freigehaltenen Raume enger, drangvoller zu werden, und jetzt erscholl der Donner
der Schiffsgcschütze und der Glockenklang von den Türmen der Allerhciligen-
tirche zugleich, das Zeichen, daß der König seinen Palast verlassen habe. Hastig
gewann Ccunvens die Stufen zur Kirche wieder, den Eingang ins Innere fand
er schon von zahlreichen Zuschauern versperrt, die ein^ so gutes Recht hatten,
hier zu sein, wie er selbst. Er konnte von seinem Platze aus den Raum vor
dem Hochaltar, wo der König die Messe hören sollte, und die Reihen der
Damen zugleich erblicken; die Herzogin und Catarina nahm er noch immer nicht
wahr. Nach dem schimmernden, waffenglänzendcn Zuge, der sich durch das Hintere
Portal der Kirche hereinbewegte und den breiten Mittelgang derselben erfüllte,
sah er nur flüchtig, sein Blick heftete sich immer unablässiger, starrer auf die
leerbleibeuden Sitze in der ersten Damenreihe. Er erkannte, daß sich dort an¬
mutige Häupter zu einander neigten, dunkle Augen auf den leeren Sitzen weilten,
flüsternde Worte getauscht wurden. Ihm stockte im dichten Gedränge der Atem;
mit seiner Andacht beim beginnenden Hochamt, mit den Gebeten für das Heil
des Königs und des vaterländischen Heeres, nach denen es ihn, mitten in seiner
Unruhe, ernstlich verlangt hatte, war es nun doch vorbei. Er hob sich aus den
Zehen, um wenigstens gewiß zu sein, daß der König in dieser Stunde in der
Kirche nicht fehle. Dort, gegenüber dem Altar, inmitten eines glänzenden Ge¬
folges, sah er Dom Sebastian deutlich genug. Wie gestern, sah der König
bleich und überwacht aus, und doch war ein andrer Ausdruck auf seinem Ge¬
sicht als am Abend zuvor, da er Ccimoens im Thronsaal angesprochen hatte.
Ein freudiger Schimmer glänzte aus seinen Angen, ein Lächeln, wie der Nach¬
klang seliger Stunden umspielte des Königs Lippen, Ccimoens wußte sich das
nie geschaute Licht in diesen Zügen nicht zu deuten, Dom Sebastian blickte
— vor dem Siege — wie ein Sieger drein! (Fortsetzung folgt.)




Literatur.

Rembrandts Heimat. Studien zur Geschichte der nordniedcrliindischen Kultur im sieb¬
zehnten Jahrhundert. Von K. Büsten-Huck. Autorisirtc Uebersetzung aus dem Hollän¬
dischen von Marie Mohr. Herausgegeben von G. Frhrn. von der Ropp. 1. Bd.
Leipzig, T. O. Weigel, 1886.

In einer Reihe von biographischen Skizzen sucht der Verfasser, der eine ähn¬
liche Darstellung bereits in dein 1872 erschienenen Buche: Ilse I^.nel van lindsus
versucht hat, die Kulturentwicklung seines Vaterlandes vom dreizehnten Jahrhundert
bis an das Ende des sechzehnten zu schildern: Oliver von Köln vergegenwärtigt
die Sittenzustande des dreizehnten, Johann von Vivis die des vierzehnten, Thomas
von Kempen die des fünfzehnte!!, Erasmus von Rotterdam und Lukas von
Leiden die des sechzehnten Jahrhunderts. In einem Schlußkapitel des ersten
Bandes giebt der Verfasser sodann noch eine Uebersicht der holländischen Literatur
der Zeit. Läßt sich über die Zweckmäßigkeit und Berechtigung dieser Art kultur-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198823"/>
          <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_291" prev="#ID_290"> Hafen vor und wandte sich nochmals zurück; schon begann es auch in dem bisher<lb/>
freigehaltenen Raume enger, drangvoller zu werden, und jetzt erscholl der Donner<lb/>
der Schiffsgcschütze und der Glockenklang von den Türmen der Allerhciligen-<lb/>
tirche zugleich, das Zeichen, daß der König seinen Palast verlassen habe. Hastig<lb/>
gewann Ccunvens die Stufen zur Kirche wieder, den Eingang ins Innere fand<lb/>
er schon von zahlreichen Zuschauern versperrt, die ein^ so gutes Recht hatten,<lb/>
hier zu sein, wie er selbst. Er konnte von seinem Platze aus den Raum vor<lb/>
dem Hochaltar, wo der König die Messe hören sollte, und die Reihen der<lb/>
Damen zugleich erblicken; die Herzogin und Catarina nahm er noch immer nicht<lb/>
wahr. Nach dem schimmernden, waffenglänzendcn Zuge, der sich durch das Hintere<lb/>
Portal der Kirche hereinbewegte und den breiten Mittelgang derselben erfüllte,<lb/>
sah er nur flüchtig, sein Blick heftete sich immer unablässiger, starrer auf die<lb/>
leerbleibeuden Sitze in der ersten Damenreihe. Er erkannte, daß sich dort an¬<lb/>
mutige Häupter zu einander neigten, dunkle Augen auf den leeren Sitzen weilten,<lb/>
flüsternde Worte getauscht wurden. Ihm stockte im dichten Gedränge der Atem;<lb/>
mit seiner Andacht beim beginnenden Hochamt, mit den Gebeten für das Heil<lb/>
des Königs und des vaterländischen Heeres, nach denen es ihn, mitten in seiner<lb/>
Unruhe, ernstlich verlangt hatte, war es nun doch vorbei. Er hob sich aus den<lb/>
Zehen, um wenigstens gewiß zu sein, daß der König in dieser Stunde in der<lb/>
Kirche nicht fehle. Dort, gegenüber dem Altar, inmitten eines glänzenden Ge¬<lb/>
folges, sah er Dom Sebastian deutlich genug. Wie gestern, sah der König<lb/>
bleich und überwacht aus, und doch war ein andrer Ausdruck auf seinem Ge¬<lb/>
sicht als am Abend zuvor, da er Ccimoens im Thronsaal angesprochen hatte.<lb/>
Ein freudiger Schimmer glänzte aus seinen Angen, ein Lächeln, wie der Nach¬<lb/>
klang seliger Stunden umspielte des Königs Lippen, Ccimoens wußte sich das<lb/>
nie geschaute Licht in diesen Zügen nicht zu deuten, Dom Sebastian blickte<lb/>
&#x2014; vor dem Siege &#x2014; wie ein Sieger drein! (Fortsetzung folgt.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_292"> Rembrandts Heimat. Studien zur Geschichte der nordniedcrliindischen Kultur im sieb¬<lb/>
zehnten Jahrhundert. Von K. Büsten-Huck. Autorisirtc Uebersetzung aus dem Hollän¬<lb/>
dischen von Marie Mohr.  Herausgegeben von G. Frhrn. von der Ropp.  1. Bd.<lb/>
Leipzig, T. O. Weigel, 1886.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_293" next="#ID_294"> In einer Reihe von biographischen Skizzen sucht der Verfasser, der eine ähn¬<lb/>
liche Darstellung bereits in dein 1872 erschienenen Buche: Ilse I^.nel van lindsus<lb/>
versucht hat, die Kulturentwicklung seines Vaterlandes vom dreizehnten Jahrhundert<lb/>
bis an das Ende des sechzehnten zu schildern: Oliver von Köln vergegenwärtigt<lb/>
die Sittenzustande des dreizehnten, Johann von Vivis die des vierzehnten, Thomas<lb/>
von Kempen die des fünfzehnte!!, Erasmus von Rotterdam und Lukas von<lb/>
Leiden die des sechzehnten Jahrhunderts. In einem Schlußkapitel des ersten<lb/>
Bandes giebt der Verfasser sodann noch eine Uebersicht der holländischen Literatur<lb/>
der Zeit.  Läßt sich über die Zweckmäßigkeit und Berechtigung dieser Art kultur-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0103] Literatur. Hafen vor und wandte sich nochmals zurück; schon begann es auch in dem bisher freigehaltenen Raume enger, drangvoller zu werden, und jetzt erscholl der Donner der Schiffsgcschütze und der Glockenklang von den Türmen der Allerhciligen- tirche zugleich, das Zeichen, daß der König seinen Palast verlassen habe. Hastig gewann Ccunvens die Stufen zur Kirche wieder, den Eingang ins Innere fand er schon von zahlreichen Zuschauern versperrt, die ein^ so gutes Recht hatten, hier zu sein, wie er selbst. Er konnte von seinem Platze aus den Raum vor dem Hochaltar, wo der König die Messe hören sollte, und die Reihen der Damen zugleich erblicken; die Herzogin und Catarina nahm er noch immer nicht wahr. Nach dem schimmernden, waffenglänzendcn Zuge, der sich durch das Hintere Portal der Kirche hereinbewegte und den breiten Mittelgang derselben erfüllte, sah er nur flüchtig, sein Blick heftete sich immer unablässiger, starrer auf die leerbleibeuden Sitze in der ersten Damenreihe. Er erkannte, daß sich dort an¬ mutige Häupter zu einander neigten, dunkle Augen auf den leeren Sitzen weilten, flüsternde Worte getauscht wurden. Ihm stockte im dichten Gedränge der Atem; mit seiner Andacht beim beginnenden Hochamt, mit den Gebeten für das Heil des Königs und des vaterländischen Heeres, nach denen es ihn, mitten in seiner Unruhe, ernstlich verlangt hatte, war es nun doch vorbei. Er hob sich aus den Zehen, um wenigstens gewiß zu sein, daß der König in dieser Stunde in der Kirche nicht fehle. Dort, gegenüber dem Altar, inmitten eines glänzenden Ge¬ folges, sah er Dom Sebastian deutlich genug. Wie gestern, sah der König bleich und überwacht aus, und doch war ein andrer Ausdruck auf seinem Ge¬ sicht als am Abend zuvor, da er Ccimoens im Thronsaal angesprochen hatte. Ein freudiger Schimmer glänzte aus seinen Angen, ein Lächeln, wie der Nach¬ klang seliger Stunden umspielte des Königs Lippen, Ccimoens wußte sich das nie geschaute Licht in diesen Zügen nicht zu deuten, Dom Sebastian blickte — vor dem Siege — wie ein Sieger drein! (Fortsetzung folgt.) Literatur. Rembrandts Heimat. Studien zur Geschichte der nordniedcrliindischen Kultur im sieb¬ zehnten Jahrhundert. Von K. Büsten-Huck. Autorisirtc Uebersetzung aus dem Hollän¬ dischen von Marie Mohr. Herausgegeben von G. Frhrn. von der Ropp. 1. Bd. Leipzig, T. O. Weigel, 1886. In einer Reihe von biographischen Skizzen sucht der Verfasser, der eine ähn¬ liche Darstellung bereits in dein 1872 erschienenen Buche: Ilse I^.nel van lindsus versucht hat, die Kulturentwicklung seines Vaterlandes vom dreizehnten Jahrhundert bis an das Ende des sechzehnten zu schildern: Oliver von Köln vergegenwärtigt die Sittenzustande des dreizehnten, Johann von Vivis die des vierzehnten, Thomas von Kempen die des fünfzehnte!!, Erasmus von Rotterdam und Lukas von Leiden die des sechzehnten Jahrhunderts. In einem Schlußkapitel des ersten Bandes giebt der Verfasser sodann noch eine Uebersicht der holländischen Literatur der Zeit. Läßt sich über die Zweckmäßigkeit und Berechtigung dieser Art kultur-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/103
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/103>, abgerufen am 22.07.2024.