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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lamoons,

Und ich darf dir auf jedem Pfade folgen, mein König? Du wirst mir
anch in Afrika gestatten, dein Haupt in meinem Arme zu betten? fragte Kata¬
rina drängend und entzog Dom Sebastian ihre Lippen, um ihn nicht an der
ersehnten Antwort zu hindern.

Willst du im Kleide meines Pagen mit mir gehen, Catarina? fragte statt
der Antwort der König, den Sorgen und Bedenken gespenstig zu umWirbeln
begannen. Wir werden im Lager sein, Geliebte, der König muß sich dem Ge¬
setze des Krieges zuerst fügen!

Er hatte es nicht ausgesprochen, daß der Kriegsherr kein Ärgernis geben
dürfe, aber sie, die Stolze, Scheue, hatte ihn gleichwohl verstanden. Mit einer
Ruhe, die ihm das tiefste Herz ergriff, sagte sie: Ich muß so viel, so viel hinter
mir lassen, Herr, daß ich dir leicht auch meine Frauenkleider noch opfern kann.
Dein Schlachtendurst läßt nur Ärmsten keine Wahl; da meine Bitten dich hier
nicht halten können, muß ich dir folgen, dn bist der Gebieter und wirst be¬
stimmen, wie es geschehen soll. Sie drängen dich hier alle, alle hinweg, in die
Speere der Mohren hinein.

Sie brach ihre Klage kurz ab, ihre Hände falteten sich zärtlich über den
seinen, ihr Antlitz verbarg sich an seiner Brust, der König empfand, daß sie im
Innersten erschüttert sei, und strebte sie emporzurichten: Was schiltst du auch
jetzt noch den heiligen Kampf, der mir unsterblichen Ruhm und dir und mir
das Paradies gewinnen soll, Catarina? Willst du allein zagen, du, die Mut
genug hat, mir zu folgen? Jede Stimme, die ich vernahm, drängte mich hinüber,
nur die deine rief mich zurück. Auch dein gepriesener Dichter, Catarina, anch
Camoens, hat mich zur That gerufen!

Ich weiß es, Herr, entgegnete sie schlicht, und ein Ausdruck von Trauer
beschattete ihr Gesicht. Von ihm hätte ich Besseres gehofft. Aber laß ihn,
laß alle, vergönne mir nur neben dir zu bleiben! Vielleicht wendet mein
schwacher Arm eine Gefahr von dir ab, die mein Gebet nicht abwenden konnte.

Sie starrte vor sich hin, der König erriet, daß ihre Gedanken weit vorauf
übers Meer flogen, daß sie ihn und sich selbst im Getümmel des Krieges
schaute. Eine erlösende Hoffnung blitzte in ihm ans, er zog das Mädchen an
sich und sagte: Sei mutig, Catarina! Wenn der Sieg meine Fahnen krönt,
wenn ich Moluk von Marokko stürze und Mulei Muhamed als meinen Vasallen
auf den Thron zurückführe, wenn Portugal mir zujauchzt und Afrika vor mir
zittert, so brauche ich auch Spanien nicht mehr zu scheuen. Der Sieger darf
thun, worauf der sieglose, unversuchte König mit Schmerz verzichten mußte,
darf dich zu seiner Königin krönen.

Catarina Palmeirim sah den König mit einem Blicke an, aus dem es
deutlich sprach, daß sie an alles eher denke als an die Krone. Sie entwand
sich ihm nicht, ihre Angen weilten mit voller, sich selbst vergessender Zärtlichkeit
auf seinen Zügen; war ihr doch, als ob sie mit ihrer Hingabe alles Unheil,


Lamoons,

Und ich darf dir auf jedem Pfade folgen, mein König? Du wirst mir
anch in Afrika gestatten, dein Haupt in meinem Arme zu betten? fragte Kata¬
rina drängend und entzog Dom Sebastian ihre Lippen, um ihn nicht an der
ersehnten Antwort zu hindern.

Willst du im Kleide meines Pagen mit mir gehen, Catarina? fragte statt
der Antwort der König, den Sorgen und Bedenken gespenstig zu umWirbeln
begannen. Wir werden im Lager sein, Geliebte, der König muß sich dem Ge¬
setze des Krieges zuerst fügen!

Er hatte es nicht ausgesprochen, daß der Kriegsherr kein Ärgernis geben
dürfe, aber sie, die Stolze, Scheue, hatte ihn gleichwohl verstanden. Mit einer
Ruhe, die ihm das tiefste Herz ergriff, sagte sie: Ich muß so viel, so viel hinter
mir lassen, Herr, daß ich dir leicht auch meine Frauenkleider noch opfern kann.
Dein Schlachtendurst läßt nur Ärmsten keine Wahl; da meine Bitten dich hier
nicht halten können, muß ich dir folgen, dn bist der Gebieter und wirst be¬
stimmen, wie es geschehen soll. Sie drängen dich hier alle, alle hinweg, in die
Speere der Mohren hinein.

Sie brach ihre Klage kurz ab, ihre Hände falteten sich zärtlich über den
seinen, ihr Antlitz verbarg sich an seiner Brust, der König empfand, daß sie im
Innersten erschüttert sei, und strebte sie emporzurichten: Was schiltst du auch
jetzt noch den heiligen Kampf, der mir unsterblichen Ruhm und dir und mir
das Paradies gewinnen soll, Catarina? Willst du allein zagen, du, die Mut
genug hat, mir zu folgen? Jede Stimme, die ich vernahm, drängte mich hinüber,
nur die deine rief mich zurück. Auch dein gepriesener Dichter, Catarina, anch
Camoens, hat mich zur That gerufen!

Ich weiß es, Herr, entgegnete sie schlicht, und ein Ausdruck von Trauer
beschattete ihr Gesicht. Von ihm hätte ich Besseres gehofft. Aber laß ihn,
laß alle, vergönne mir nur neben dir zu bleiben! Vielleicht wendet mein
schwacher Arm eine Gefahr von dir ab, die mein Gebet nicht abwenden konnte.

Sie starrte vor sich hin, der König erriet, daß ihre Gedanken weit vorauf
übers Meer flogen, daß sie ihn und sich selbst im Getümmel des Krieges
schaute. Eine erlösende Hoffnung blitzte in ihm ans, er zog das Mädchen an
sich und sagte: Sei mutig, Catarina! Wenn der Sieg meine Fahnen krönt,
wenn ich Moluk von Marokko stürze und Mulei Muhamed als meinen Vasallen
auf den Thron zurückführe, wenn Portugal mir zujauchzt und Afrika vor mir
zittert, so brauche ich auch Spanien nicht mehr zu scheuen. Der Sieger darf
thun, worauf der sieglose, unversuchte König mit Schmerz verzichten mußte,
darf dich zu seiner Königin krönen.

Catarina Palmeirim sah den König mit einem Blicke an, aus dem es
deutlich sprach, daß sie an alles eher denke als an die Krone. Sie entwand
sich ihm nicht, ihre Angen weilten mit voller, sich selbst vergessender Zärtlichkeit
auf seinen Zügen; war ihr doch, als ob sie mit ihrer Hingabe alles Unheil,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/100>, abgerufen am 03.07.2024.