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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoims.

eines Winkes des Priors, um seine bisherigen Begleiter alsbald verschwinden
zu lassen. Dom Joao blieb mit dem Spanier allein, nur von Zeit zu Zeit
ward der im Nebengemach unmutig auf- und abwandelnde Kaplan des Königs
sichtbar. Für den Grafen Navarrete hatte sich der Prior aus seiner bequemen
Stellung erhoben, lud ihn jedoch alsbald ein, neben ihm auf dem Polster Platz
zu nehmen. Der Gesandte entsprach der Aufforderung und fragte: Ist es etwas
besondres, das Ihr mir zu sagen habt, Dom Joao, oder wolltet Ihr nur von
dem reden, was heute alle Welt ficht?

Und was sieht alle Welt? fragte der Prior dagegen, die Frage Navarretes
zu beantworten.

Die Glut des Königs, die in hellen Flammen emporschlagt, versetzte der
Spanier heiter, indem er den gewohnten würdevollen Ernst seines Wesens
verleugnete. Er wirbt vor den Augen seines ganzen Hofes um die Gunst der
schönen Catarina, und ich gestehe Euch gern, daß es mir leid ist, auch nur eine
Szene des wunderbaren Schauspiels zu versäumen.

Ihr sprecht leichtfertiger, Herr Graf, als einem Abgesandten des katho¬
lischen Königs ziemt, sagte der Prior. Bedenkt Ihr auch, daß der Schluß des
Schauspiels, das Euch so sehr behagt, die Krönung der Königin Catarina von
Portugal und Algarbien sein kann?

Gewiß habe ich es bedacht, hochwürdiger Herr, versetzte der Spanier. Das
träfe sich so glücklich für meinen erhabnen Herrn, daß ich noch nicht mit Sicher¬
heit auf diesen Ausgang zu hoffen wage.

Der Prior von Belem maß den spanischen Gesandten mit einem Blicke,
welcher minder höflich war als seine Worte. Denn während er nur entgegnete:
Ihr kennt dies Land und dies Volk nicht genug, Herr Graf! schaute aus seinen
Augen deutlich die tiefste Geringschätzung für Navarrete heraus. Der Graf
ließ sich indessen nicht beirren, er fuhr ruhig fort: Laßt mich Euch sagen, daß
König Philipp selbst eine unebenbürtige Heirat mit einer Unterthanin als einen
besonders günstigen Fall zu betrachten geruhte, als er mir in Segovia seine
Befehle erteilte.' Mir scheint, daß Seine katholische Majestät auf diese Weise
am besten dem Vorwurf entginge, seinem Vetter von Portugal die Freuden der
Ehe zu mißgönnen und doch seine Ansprüche auf Krone und Land aufrecht
erhielte.

Wenn dies wirklich die Meinung Euers Königs ist, so befindet sich der
erhabne Fürst in einem bedauerlichen Irrtume, sagte der Prior nachdrücklich.
Merkt wohl auf, Herr Graf! Die Furcht der Portugiesen, der kastilischen Krone
anheimzufallen, ist stärker, viel stärker als jedes andre Gefühl. Wenn König
Sebastian sich mit einer Dame aus gutem und edelm Blut vermählte, wie die
junge Gräfin Palmeirim unzweifelhaft ist, so würde das Land ihm zujauchzen,
und höchstens ein paar neidische große Häuser würden der Königin Catarina
nicht aufrichtig huldigen. Niemand in Portugal würde wagen, den Infanten


Lamoims.

eines Winkes des Priors, um seine bisherigen Begleiter alsbald verschwinden
zu lassen. Dom Joao blieb mit dem Spanier allein, nur von Zeit zu Zeit
ward der im Nebengemach unmutig auf- und abwandelnde Kaplan des Königs
sichtbar. Für den Grafen Navarrete hatte sich der Prior aus seiner bequemen
Stellung erhoben, lud ihn jedoch alsbald ein, neben ihm auf dem Polster Platz
zu nehmen. Der Gesandte entsprach der Aufforderung und fragte: Ist es etwas
besondres, das Ihr mir zu sagen habt, Dom Joao, oder wolltet Ihr nur von
dem reden, was heute alle Welt ficht?

Und was sieht alle Welt? fragte der Prior dagegen, die Frage Navarretes
zu beantworten.

Die Glut des Königs, die in hellen Flammen emporschlagt, versetzte der
Spanier heiter, indem er den gewohnten würdevollen Ernst seines Wesens
verleugnete. Er wirbt vor den Augen seines ganzen Hofes um die Gunst der
schönen Catarina, und ich gestehe Euch gern, daß es mir leid ist, auch nur eine
Szene des wunderbaren Schauspiels zu versäumen.

Ihr sprecht leichtfertiger, Herr Graf, als einem Abgesandten des katho¬
lischen Königs ziemt, sagte der Prior. Bedenkt Ihr auch, daß der Schluß des
Schauspiels, das Euch so sehr behagt, die Krönung der Königin Catarina von
Portugal und Algarbien sein kann?

Gewiß habe ich es bedacht, hochwürdiger Herr, versetzte der Spanier. Das
träfe sich so glücklich für meinen erhabnen Herrn, daß ich noch nicht mit Sicher¬
heit auf diesen Ausgang zu hoffen wage.

Der Prior von Belem maß den spanischen Gesandten mit einem Blicke,
welcher minder höflich war als seine Worte. Denn während er nur entgegnete:
Ihr kennt dies Land und dies Volk nicht genug, Herr Graf! schaute aus seinen
Augen deutlich die tiefste Geringschätzung für Navarrete heraus. Der Graf
ließ sich indessen nicht beirren, er fuhr ruhig fort: Laßt mich Euch sagen, daß
König Philipp selbst eine unebenbürtige Heirat mit einer Unterthanin als einen
besonders günstigen Fall zu betrachten geruhte, als er mir in Segovia seine
Befehle erteilte.' Mir scheint, daß Seine katholische Majestät auf diese Weise
am besten dem Vorwurf entginge, seinem Vetter von Portugal die Freuden der
Ehe zu mißgönnen und doch seine Ansprüche auf Krone und Land aufrecht
erhielte.

Wenn dies wirklich die Meinung Euers Königs ist, so befindet sich der
erhabne Fürst in einem bedauerlichen Irrtume, sagte der Prior nachdrücklich.
Merkt wohl auf, Herr Graf! Die Furcht der Portugiesen, der kastilischen Krone
anheimzufallen, ist stärker, viel stärker als jedes andre Gefühl. Wenn König
Sebastian sich mit einer Dame aus gutem und edelm Blut vermählte, wie die
junge Gräfin Palmeirim unzweifelhaft ist, so würde das Land ihm zujauchzen,
und höchstens ein paar neidische große Häuser würden der Königin Catarina
nicht aufrichtig huldigen. Niemand in Portugal würde wagen, den Infanten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/98>, abgerufen am 04.07.2024.