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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoöns.

Wem? Ihr also nichts wißt als die Thatsachen, Seichor Trueba, so be¬
richtet diese kurz und klar, laßt Euer Schelte" und Klagen. Wann ließ Euch
der König rufen?

Gestern in der Stunde vor Sonnenuntergang, erzählte der Edelmann.
Er sagte mir rasch und herrisch, daß er einen besondern Befehl für mich habe,
und zögerte dann doch, ihn auszusprechen. Ich stutzte sogleich, er nahm es
zum Glück nicht wahr, weil er sich nach dem Fenster gekehrt hatte. Und dann
gebot er mir ein halbes Dutzend Hellebardiere von der Palastwände zu nehmen
und den galizischen Mönch und die Pilger, welche mit ihm in Okaz' Herberge
hausten, zu verhaften und sie in den Turm des alten Schlosses zu führen.
Ich konnte natürlich nichts andres thun als ihm gehorchen, und pries meinen
Heiligen, daß ich, noch ehe ich den Saal der Trabanten erreicht hatte, auf
Bruder Eustazio stieß und ihm zuraunen konnte, was im Werke sei. Ich
brauchte Zeit, bis ich mir meine Begleiter ausgesucht hatte, und führte dann
meine Schaar auf dem längsten Wege nach Cintra hinunter. Der König hatte
mir ausdrücklich befohlen, kein Aufsehen zu erregen, sonst hätte ich auch das
nicht wagen können.

Euer Wagemut scheint nicht der größte, Senhor! sprach der Prior gering¬
schätzig. Ihr fandet also die Pilger in Okaz' Gehöft nicht mehr vor und kamt
natürlich unverrichteter Sache zurück. Wie nahm der König Euern Bericht auf?

Wunderlich! entgegnete Senhor Trueba. Er ließ es sich dreimal wieder¬
holen, daß die Pilger eine Stunde, ehe ich mit meinen Häschern gekommen sei,
ihren Heimweg angetreten hätten. Dann ward er nachdenklich und sah nach
dem großen Bilde der allerheiligsten Jungfrau, das in seinem Arbeitsgemache
hängt. Zuletzt entließ er mich mit einem stummen Winke und als ich, kühn ge¬
worden, ihn fragte, ob ich reitende Alguazils nachsenden solle, rief er: Nein, gewiß
nicht! so eifrig und hastig, als hätte ich ihm etwas Unerhörtes angesonnen!

Ihr geht rasch von der Verzagtheit zur Kühnheit über, sagte wiederum der
Prior. Man soll die Könige dieser Welt nicht in Versuchung sichren, es war
genug, daß die Majestät ihren schlechten Einfall, die frommen Pilger in ihrer
Herberge aufgreifen zu lassen, schweigend zurücknahm, Ihr durftet kein Wort
von Verfolgung äußern.

Ich wußte gut genug, nachdem ich einmal das Nest bei Okaz leer gefunden,
daß niemand den Mönch und den Engelseher samt ihrer Rotte wieder erblicken
würde, und wenn der König alle Gerichtsboten von Portugal zu Pferde steigen
ließe, antwortete Senhor Alfonso Trueba und verneigte sich ehrfürchtig vor
Dom Joao.

Mit alledem ist uns noch wenig geholfen, grollte der Prior. Seid Ihr
gewiß, daß der König seit vorgestern Nachmittag, wo er mitten im Gewitter
mit der jungen Gräfin Palmeirim aus den Bergen zurückkehrte, Manuel Barretv
und seinen Poeten nicht empfangen hat?


Lamoöns.

Wem? Ihr also nichts wißt als die Thatsachen, Seichor Trueba, so be¬
richtet diese kurz und klar, laßt Euer Schelte» und Klagen. Wann ließ Euch
der König rufen?

Gestern in der Stunde vor Sonnenuntergang, erzählte der Edelmann.
Er sagte mir rasch und herrisch, daß er einen besondern Befehl für mich habe,
und zögerte dann doch, ihn auszusprechen. Ich stutzte sogleich, er nahm es
zum Glück nicht wahr, weil er sich nach dem Fenster gekehrt hatte. Und dann
gebot er mir ein halbes Dutzend Hellebardiere von der Palastwände zu nehmen
und den galizischen Mönch und die Pilger, welche mit ihm in Okaz' Herberge
hausten, zu verhaften und sie in den Turm des alten Schlosses zu führen.
Ich konnte natürlich nichts andres thun als ihm gehorchen, und pries meinen
Heiligen, daß ich, noch ehe ich den Saal der Trabanten erreicht hatte, auf
Bruder Eustazio stieß und ihm zuraunen konnte, was im Werke sei. Ich
brauchte Zeit, bis ich mir meine Begleiter ausgesucht hatte, und führte dann
meine Schaar auf dem längsten Wege nach Cintra hinunter. Der König hatte
mir ausdrücklich befohlen, kein Aufsehen zu erregen, sonst hätte ich auch das
nicht wagen können.

Euer Wagemut scheint nicht der größte, Senhor! sprach der Prior gering¬
schätzig. Ihr fandet also die Pilger in Okaz' Gehöft nicht mehr vor und kamt
natürlich unverrichteter Sache zurück. Wie nahm der König Euern Bericht auf?

Wunderlich! entgegnete Senhor Trueba. Er ließ es sich dreimal wieder¬
holen, daß die Pilger eine Stunde, ehe ich mit meinen Häschern gekommen sei,
ihren Heimweg angetreten hätten. Dann ward er nachdenklich und sah nach
dem großen Bilde der allerheiligsten Jungfrau, das in seinem Arbeitsgemache
hängt. Zuletzt entließ er mich mit einem stummen Winke und als ich, kühn ge¬
worden, ihn fragte, ob ich reitende Alguazils nachsenden solle, rief er: Nein, gewiß
nicht! so eifrig und hastig, als hätte ich ihm etwas Unerhörtes angesonnen!

Ihr geht rasch von der Verzagtheit zur Kühnheit über, sagte wiederum der
Prior. Man soll die Könige dieser Welt nicht in Versuchung sichren, es war
genug, daß die Majestät ihren schlechten Einfall, die frommen Pilger in ihrer
Herberge aufgreifen zu lassen, schweigend zurücknahm, Ihr durftet kein Wort
von Verfolgung äußern.

Ich wußte gut genug, nachdem ich einmal das Nest bei Okaz leer gefunden,
daß niemand den Mönch und den Engelseher samt ihrer Rotte wieder erblicken
würde, und wenn der König alle Gerichtsboten von Portugal zu Pferde steigen
ließe, antwortete Senhor Alfonso Trueba und verneigte sich ehrfürchtig vor
Dom Joao.

Mit alledem ist uns noch wenig geholfen, grollte der Prior. Seid Ihr
gewiß, daß der König seit vorgestern Nachmittag, wo er mitten im Gewitter
mit der jungen Gräfin Palmeirim aus den Bergen zurückkehrte, Manuel Barretv
und seinen Poeten nicht empfangen hat?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/96>, abgerufen am 04.07.2024.