Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.sondern der deutschsreisinnigen Partei. Im Namen derselben redete bei der Hänel legte zunächst sein Kredo dahin ab: "Ja, wir sind der Überzeugung, Was die Wirksamkeit des Svzialistengesetzes betrifft, so will Hänel zwar sondern der deutschsreisinnigen Partei. Im Namen derselben redete bei der Hänel legte zunächst sein Kredo dahin ab: „Ja, wir sind der Überzeugung, Was die Wirksamkeit des Svzialistengesetzes betrifft, so will Hänel zwar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198157"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_239" prev="#ID_238"> sondern der deutschsreisinnigen Partei. Im Namen derselben redete bei der<lb/> zweiten Lesung or. Hänel, bei der dritten Dr. Bamberger. Diese Reden, ge¬<lb/> halten angesichts der blutigen Greuel dicht an der Grenze unsers Vaterlandes,<lb/> waren das Verschrobenste und Roheste, was jemals Parteifanatismus zu Wege<lb/> gebracht hat. Es würde uns ein Trost sein, wenn wir annehmen dürften, Hänel<lb/> selbst habe an das alles, was er geredet, nicht geglaubt, er habe es nur ge¬<lb/> redet, weil seine Partei, um Opposition zu machen, gegen das Gesetz stimmen<lb/> wollte, und dafür doch Gründe gefunden werden mußten. Da uns aber die<lb/> Achtung vor seinem moralischen Charakter nötigt, an die Aufrichtigkeit seiner<lb/> Gründe zu glauben, so müssen wir gestehen, daß es uns wahrhaft mit Schrecken<lb/> erfüllt hat, wenn wir daran denken, daß ein Mann, der von solchen Verschroben¬<lb/> heiten erfüllt ist, zugleich Lehrer unsrer juristischen Jugend ist. Was für Dinge<lb/> muß ein solcher Lehrer den jungen Männern, die bei ihm hören, in den Kopf<lb/> setzen!</p><lb/> <p xml:id="ID_240"> Hänel legte zunächst sein Kredo dahin ab: „Ja, wir sind der Überzeugung,<lb/> daß ausschließlich und allein geistige Waffen, die Waffen der Diskussion, aus¬<lb/> reichen, um eine so große Strömung, wie die Sozialdemokratie ist, dauernd be¬<lb/> kämpfen zu können. Gerade zu dieser Grundanschauung bekennen wir uns."<lb/> Diese Grundanschauung wurde dann mit einem salbungsvollen geschichtlichen<lb/> Exkurse belegt. Zwar wollen auch sie, die Freisinnigen, vollste Pflichterfüllung<lb/> von denjenigen, welchen sie die volle geistige Freiheit gewähren; auch sie wollen<lb/> den Appell an die Gewalt mit Gewalt beantworten. „Können wir denn das<lb/> aber nicht vollkommen erreichen auf dem Boden des gemeinen Rechtes?" Es<lb/> ist wirklich schade, daß Hänel seine pathetischen Reden wohl nur in deutscher,<lb/> nicht auch in wallonischer Sprache halten kann. Sonst würde es sich em¬<lb/> pfohlen haben, daß er bei Ausbruch der Unruhen in Belgien sofort dorthin<lb/> geeilt wäre und sich der belgischen Regierung zur Verfügung gestellt hätte.<lb/> Gewiß würden vor der geistigen Waffe seiner Reden die dortigen Mordbrenner<lb/> und Plünderer demütig zu Kreuze gekrochen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_241" next="#ID_242"> Was die Wirksamkeit des Svzialistengesetzes betrifft, so will Hänel zwar<lb/> die Bedeutung desselben für die Minderung der sozialdemokratischen Bewegung<lb/> nicht ganz in Abrede stellen. Aber — „dieses Gesetz ist doch ein Element der<lb/> Demoralisation unsers deutschen Volkes." Es habe den Klassenhaß geschärft.<lb/> Es habe zu unzähligen Umgehungen geführt und dadurch den Sinn für Un¬<lb/> gesetzlichkeit genährt. Es habe die übrigen Schichten der Bevölkerung in eine<lb/> falsche Ruhe eingewiegt. „Wenn wir nicht dem Bürger die Überzeugung<lb/> bringen, daß nur das Selbsttätige Bürgertum den Sieg des Liberalismus, den<lb/> Sieg unsrer Staats- und sozialen Einrichtungen verbürgen könne, dann wird<lb/> diese Staats- und Gesellschaftsordnung rettungslos zu Grunde gehen." Mit<lb/> allen diesen Gründen könnte man auch dafür plädiren, daß das gesamte Straf¬<lb/> gesetzbuch außer Anwendung gesetzt werde. Ohne Zweifel vermehrt es den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
sondern der deutschsreisinnigen Partei. Im Namen derselben redete bei der
zweiten Lesung or. Hänel, bei der dritten Dr. Bamberger. Diese Reden, ge¬
halten angesichts der blutigen Greuel dicht an der Grenze unsers Vaterlandes,
waren das Verschrobenste und Roheste, was jemals Parteifanatismus zu Wege
gebracht hat. Es würde uns ein Trost sein, wenn wir annehmen dürften, Hänel
selbst habe an das alles, was er geredet, nicht geglaubt, er habe es nur ge¬
redet, weil seine Partei, um Opposition zu machen, gegen das Gesetz stimmen
wollte, und dafür doch Gründe gefunden werden mußten. Da uns aber die
Achtung vor seinem moralischen Charakter nötigt, an die Aufrichtigkeit seiner
Gründe zu glauben, so müssen wir gestehen, daß es uns wahrhaft mit Schrecken
erfüllt hat, wenn wir daran denken, daß ein Mann, der von solchen Verschroben¬
heiten erfüllt ist, zugleich Lehrer unsrer juristischen Jugend ist. Was für Dinge
muß ein solcher Lehrer den jungen Männern, die bei ihm hören, in den Kopf
setzen!
Hänel legte zunächst sein Kredo dahin ab: „Ja, wir sind der Überzeugung,
daß ausschließlich und allein geistige Waffen, die Waffen der Diskussion, aus¬
reichen, um eine so große Strömung, wie die Sozialdemokratie ist, dauernd be¬
kämpfen zu können. Gerade zu dieser Grundanschauung bekennen wir uns."
Diese Grundanschauung wurde dann mit einem salbungsvollen geschichtlichen
Exkurse belegt. Zwar wollen auch sie, die Freisinnigen, vollste Pflichterfüllung
von denjenigen, welchen sie die volle geistige Freiheit gewähren; auch sie wollen
den Appell an die Gewalt mit Gewalt beantworten. „Können wir denn das
aber nicht vollkommen erreichen auf dem Boden des gemeinen Rechtes?" Es
ist wirklich schade, daß Hänel seine pathetischen Reden wohl nur in deutscher,
nicht auch in wallonischer Sprache halten kann. Sonst würde es sich em¬
pfohlen haben, daß er bei Ausbruch der Unruhen in Belgien sofort dorthin
geeilt wäre und sich der belgischen Regierung zur Verfügung gestellt hätte.
Gewiß würden vor der geistigen Waffe seiner Reden die dortigen Mordbrenner
und Plünderer demütig zu Kreuze gekrochen sein.
Was die Wirksamkeit des Svzialistengesetzes betrifft, so will Hänel zwar
die Bedeutung desselben für die Minderung der sozialdemokratischen Bewegung
nicht ganz in Abrede stellen. Aber — „dieses Gesetz ist doch ein Element der
Demoralisation unsers deutschen Volkes." Es habe den Klassenhaß geschärft.
Es habe zu unzähligen Umgehungen geführt und dadurch den Sinn für Un¬
gesetzlichkeit genährt. Es habe die übrigen Schichten der Bevölkerung in eine
falsche Ruhe eingewiegt. „Wenn wir nicht dem Bürger die Überzeugung
bringen, daß nur das Selbsttätige Bürgertum den Sieg des Liberalismus, den
Sieg unsrer Staats- und sozialen Einrichtungen verbürgen könne, dann wird
diese Staats- und Gesellschaftsordnung rettungslos zu Grunde gehen." Mit
allen diesen Gründen könnte man auch dafür plädiren, daß das gesamte Straf¬
gesetzbuch außer Anwendung gesetzt werde. Ohne Zweifel vermehrt es den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |