Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Die deutschen Schulen in Ungarn. dem 13. November 1885 gegen das Gesetz, gegen die von ihm selbst genehmigte Diese Untreue in nahezu allen Fragen, diese Mißachtung des Rechtes und Das sind Thatsachen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Und Grenzboten II l88". L
Die deutschen Schulen in Ungarn. dem 13. November 1885 gegen das Gesetz, gegen die von ihm selbst genehmigte Diese Untreue in nahezu allen Fragen, diese Mißachtung des Rechtes und Das sind Thatsachen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Und Grenzboten II l88». L
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198131"/> <fw type="header" place="top"> Die deutschen Schulen in Ungarn.</fw><lb/> <p xml:id="ID_190" prev="#ID_189"> dem 13. November 1885 gegen das Gesetz, gegen die von ihm selbst genehmigte<lb/> Organisation, daß die Universität nicht kompetent sei, über diese Frage zu<lb/> sprechen, und so wurden alle jene ungesetzlichen Vorgänge aufrecht erhalten.<lb/> Was der Obcrgcsvan Bcmffy in Bistritz in dieser Angelegenheit gethan hat,<lb/> kann hier im einzelnen, da es zu weit führen würde, nicht auseinandergesetzt<lb/> werden. Eine durch die Akten belegte Darstellung der unglaublichen Vorgänge<lb/> hat das siebenbürger Deutsche Tageblatt Ur. 3578 vom 19. September 1885<lb/> gebracht. In jedem zivilisirtcn Staate würde man einen solchen Beamte»<lb/> disziplinarisch behandeln; B. Banffy geht frei aus. Derselbe Banffy verlangte<lb/> der von der sächsischen Universität gegründeten Bistritzer Ackerbauschule gegen¬<lb/> über ähnliche ungesetzliche Beeinflussung, kassirte die Anstellung eines Gärtners,<lb/> da dieser nicht magyarisch könne, und die Verwaltung des Schulfonds wurde<lb/> den Eigentümern geuvnunen und der Komitatskasfe zugewiesen. Und solchen<lb/> Übergriffen der Verwaltung ist der deutsche Mann, die deutsche Gemeinde, das<lb/> deutsche Vermögen schutzlos preisgegeben!</p><lb/> <p xml:id="ID_191"> Diese Untreue in nahezu allen Fragen, diese Mißachtung des Rechtes und<lb/> der Gesetze hat das Ansehen des ungarischen Staates in seiner eignen Mitte<lb/> tief zerstört. Gerade die chauvinistischesten Vertreter des magyarischen Staats¬<lb/> gedankens führen darüber die heftigste Klage: der ungarische Staat erscheine<lb/> in Verwaltung und Rechtspflege und Steuerforderung und auf allen andern<lb/> Gebieten des staatlichen Lebens in seinen Behörden derart, daß niemand Achtung<lb/> vor ihm und Vertrauen zu ihm haben könne. Gerade diese Tiefblickenden<lb/> sind auch mit dem plumpen Vorgehen unzufrieden, mit dem der magyarische<lb/> Chauvinismus gegen Slawen und Rumänen losstürmt. Welche Flut von<lb/> Verdächtigungen und Mißhandlungen und Ungerechtigkeiten z. B. gegen die<lb/> Slowaken losgelassen worden ist, das lehren die magyarischen Zeitungen täglich,<lb/> und der deutsche Leser mag es aus den Mitteilungen des Korrcspondenzblattes<lb/> des Deutschen Schulvereius 1885 Ur. 4 ersehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_192" next="#ID_193"> Das sind Thatsachen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Und<lb/> gegen all diese erdrückenden Anklagen, die das schwer heimgesuchte Deutschtum<lb/> gegen sie erhebt, haben die Magyaren eine kahle Ausflucht: sie »vollen ihre an¬<lb/> gebliche Liebe zum Deutschtum, mit der sie noch immer mich in gewissen Kreisen<lb/> Deutschlands ihr Glück versuchen, beweisen durch den Hinweis auf den obligaten<lb/> Unterricht in der deutschen Sprache, den sie an ihren Gymnasien (nicht Volks¬<lb/> schulen) eingeführt haben. Auch diese Ausflucht ^ so fadenscheinig sie an sich<lb/> ist, denn das kann doch nimmermehr die Mißhandlung der deutschen Schulen<lb/> beschönigen — leidet an einer Unwahrheit: denn dieser Unterricht ist zu einem<lb/> großen Teile bloß auf dem Papier. Die staatlichen Schulinspektoren selbst<lb/> berichteten über diesen Unterricht: in Ödenburg, einer durchaus deutschen Stadt,<lb/> sei er „uur bei großer Nachsicht einigermaßen genügend"; in Ofen-Pest war die<lb/> Unkenntnis in der deutschen Sprache „wahrhaft überraschend," „es zeigen sich</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II l88». L</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Die deutschen Schulen in Ungarn.
dem 13. November 1885 gegen das Gesetz, gegen die von ihm selbst genehmigte
Organisation, daß die Universität nicht kompetent sei, über diese Frage zu
sprechen, und so wurden alle jene ungesetzlichen Vorgänge aufrecht erhalten.
Was der Obcrgcsvan Bcmffy in Bistritz in dieser Angelegenheit gethan hat,
kann hier im einzelnen, da es zu weit führen würde, nicht auseinandergesetzt
werden. Eine durch die Akten belegte Darstellung der unglaublichen Vorgänge
hat das siebenbürger Deutsche Tageblatt Ur. 3578 vom 19. September 1885
gebracht. In jedem zivilisirtcn Staate würde man einen solchen Beamte»
disziplinarisch behandeln; B. Banffy geht frei aus. Derselbe Banffy verlangte
der von der sächsischen Universität gegründeten Bistritzer Ackerbauschule gegen¬
über ähnliche ungesetzliche Beeinflussung, kassirte die Anstellung eines Gärtners,
da dieser nicht magyarisch könne, und die Verwaltung des Schulfonds wurde
den Eigentümern geuvnunen und der Komitatskasfe zugewiesen. Und solchen
Übergriffen der Verwaltung ist der deutsche Mann, die deutsche Gemeinde, das
deutsche Vermögen schutzlos preisgegeben!
Diese Untreue in nahezu allen Fragen, diese Mißachtung des Rechtes und
der Gesetze hat das Ansehen des ungarischen Staates in seiner eignen Mitte
tief zerstört. Gerade die chauvinistischesten Vertreter des magyarischen Staats¬
gedankens führen darüber die heftigste Klage: der ungarische Staat erscheine
in Verwaltung und Rechtspflege und Steuerforderung und auf allen andern
Gebieten des staatlichen Lebens in seinen Behörden derart, daß niemand Achtung
vor ihm und Vertrauen zu ihm haben könne. Gerade diese Tiefblickenden
sind auch mit dem plumpen Vorgehen unzufrieden, mit dem der magyarische
Chauvinismus gegen Slawen und Rumänen losstürmt. Welche Flut von
Verdächtigungen und Mißhandlungen und Ungerechtigkeiten z. B. gegen die
Slowaken losgelassen worden ist, das lehren die magyarischen Zeitungen täglich,
und der deutsche Leser mag es aus den Mitteilungen des Korrcspondenzblattes
des Deutschen Schulvereius 1885 Ur. 4 ersehen.
Das sind Thatsachen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Und
gegen all diese erdrückenden Anklagen, die das schwer heimgesuchte Deutschtum
gegen sie erhebt, haben die Magyaren eine kahle Ausflucht: sie »vollen ihre an¬
gebliche Liebe zum Deutschtum, mit der sie noch immer mich in gewissen Kreisen
Deutschlands ihr Glück versuchen, beweisen durch den Hinweis auf den obligaten
Unterricht in der deutschen Sprache, den sie an ihren Gymnasien (nicht Volks¬
schulen) eingeführt haben. Auch diese Ausflucht ^ so fadenscheinig sie an sich
ist, denn das kann doch nimmermehr die Mißhandlung der deutschen Schulen
beschönigen — leidet an einer Unwahrheit: denn dieser Unterricht ist zu einem
großen Teile bloß auf dem Papier. Die staatlichen Schulinspektoren selbst
berichteten über diesen Unterricht: in Ödenburg, einer durchaus deutschen Stadt,
sei er „uur bei großer Nachsicht einigermaßen genügend"; in Ofen-Pest war die
Unkenntnis in der deutschen Sprache „wahrhaft überraschend," „es zeigen sich
Grenzboten II l88». L
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