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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lcunoiins.

und Bogen, das Marmorbecken und die Dclphintvpfe des Brunnens -- alles
gemahnte sie wunderbar an die Heimat, welche so fern und nun so unwider¬
ruflich hinter ihr lag. Ehe sie noch dazu gelangte, eine Frage an Jayme zu
richten, stand Manuel Barretv vor ihnen. Er mußte sich in stürmischer Eile
angekleidet und dennoch Zeit gesunden haben, sein schlichtes Alltagsgewand mit
einem festtäglichen von braunem brabantischen Sammet zu vertauschen. Er
rief schon unter den Arkaden Esmah entgegen: Ein rosiger Morgen, mich dünkt,
der rosigste, den ich je erlebt habe! Jcihme Leiras, es soll dir wahrlich zu
Gute kommen, daß du die Herrin von Almocegema zuerst an ihren Brunnen ge¬
leitet hast. Schöpfe mit der Hand ans dem Strudel, Esmah, und trinke von
dem Wasser, damit du heimisch hier wirst! Du aber, Jayme, spring nach dem
Vorderhause, rufe Joao herzu, sage ihm kurz, wen du von Cintra hierher¬
gebracht hast, und bedeute ihm, die flinksten und anstelligsten Dirnen, die im
Hofe sind, zum Dienste der Herrin hierherzuscnden. Was ihr von Gepäck mit¬
gebracht habt, mag Joao dort hinüber schaffen lassen. Er wies dabei auf die
östlich vom Brunnen gelegenen Fenster und Thüren; Jayme Leiras nickte zum
Zeichen seines Gehorsams und entfernte sich augenblicklich nach dem Saale neben
Senhor Manuels Zimmer, der als Durchgang vou dem Irrenhause und Hofe
nach dem Vordergebäude betrachtet wurde und ihm wie das ganze Haus Al-
mveegema wohlbekannt war. Sowie er verschwand, ergriff Varreto die Hand
des Mädchens und leitete Esmah über den Hof hinweg unter jenen Teil der
Arkaden, der vor den verschlossenen Zimmern lag. Auf seinem Gesicht war ein
innerer Kampf wahrnehmbar, während er eine verschlossene Thür öffnete und
sie und die Bogenfenster aufstieß, welche sich rechts und links von der Thür
befanden. Ein großes Gemach mit Nebenräumen im Hintergründe, an denen
nur die schließenden Teppiche fehlten, that sich vor den Augen Esmcchs auf, mit
dem ersten Blick nahm sie wahr, daß diese halbleeren Zimmer vou größerer
Pracht waren, als der Raum, welchen sie diesen Morgen betreten hatte. Sie
wollte die Schwelle überschreiten, als Barreto sie noch einmal zurückhielt und
mit plötzlichem Ernste sagte: Esmah -- ich habe dich als Herrin dieses Hauses
begrüßt, und das sollst du sein, wie du über diese Schwelle schreitest, so --
oder so! Aber ich habe vielleicht Unrecht gethan, als ich vorhin so hastig nach
der kostbaren Gabe griff, die du mir ins Haus trugst! Du bist gegen mich ein
Kind, Esmah, ich muß dich fragen -- so schwer es mir fällt --, ob du morgen
und an allen folgenden Tagen wieder thun und sagen würdest, was du vorhin
gethan und gesagt hast? Noch einmal, Kind -- mein Schutz, so weit er reicht,
ist dir gewiß -- und --

Esmah ließ ihn nicht aussprechen. Sie hatte mit ihren großen braunen
Angen um sich gesehen, ob der Hof und der Bogengang noch so einsam sei
wie zuvor, jetzt lehnte sie ihr Haupt an Barretos Schulter und umschlang mit
ihren Armen den Nacken des Mannes. Esmah weiß, was sie thut, Herr!


Lcunoiins.

und Bogen, das Marmorbecken und die Dclphintvpfe des Brunnens — alles
gemahnte sie wunderbar an die Heimat, welche so fern und nun so unwider¬
ruflich hinter ihr lag. Ehe sie noch dazu gelangte, eine Frage an Jayme zu
richten, stand Manuel Barretv vor ihnen. Er mußte sich in stürmischer Eile
angekleidet und dennoch Zeit gesunden haben, sein schlichtes Alltagsgewand mit
einem festtäglichen von braunem brabantischen Sammet zu vertauschen. Er
rief schon unter den Arkaden Esmah entgegen: Ein rosiger Morgen, mich dünkt,
der rosigste, den ich je erlebt habe! Jcihme Leiras, es soll dir wahrlich zu
Gute kommen, daß du die Herrin von Almocegema zuerst an ihren Brunnen ge¬
leitet hast. Schöpfe mit der Hand ans dem Strudel, Esmah, und trinke von
dem Wasser, damit du heimisch hier wirst! Du aber, Jayme, spring nach dem
Vorderhause, rufe Joao herzu, sage ihm kurz, wen du von Cintra hierher¬
gebracht hast, und bedeute ihm, die flinksten und anstelligsten Dirnen, die im
Hofe sind, zum Dienste der Herrin hierherzuscnden. Was ihr von Gepäck mit¬
gebracht habt, mag Joao dort hinüber schaffen lassen. Er wies dabei auf die
östlich vom Brunnen gelegenen Fenster und Thüren; Jayme Leiras nickte zum
Zeichen seines Gehorsams und entfernte sich augenblicklich nach dem Saale neben
Senhor Manuels Zimmer, der als Durchgang vou dem Irrenhause und Hofe
nach dem Vordergebäude betrachtet wurde und ihm wie das ganze Haus Al-
mveegema wohlbekannt war. Sowie er verschwand, ergriff Varreto die Hand
des Mädchens und leitete Esmah über den Hof hinweg unter jenen Teil der
Arkaden, der vor den verschlossenen Zimmern lag. Auf seinem Gesicht war ein
innerer Kampf wahrnehmbar, während er eine verschlossene Thür öffnete und
sie und die Bogenfenster aufstieß, welche sich rechts und links von der Thür
befanden. Ein großes Gemach mit Nebenräumen im Hintergründe, an denen
nur die schließenden Teppiche fehlten, that sich vor den Augen Esmcchs auf, mit
dem ersten Blick nahm sie wahr, daß diese halbleeren Zimmer vou größerer
Pracht waren, als der Raum, welchen sie diesen Morgen betreten hatte. Sie
wollte die Schwelle überschreiten, als Barreto sie noch einmal zurückhielt und
mit plötzlichem Ernste sagte: Esmah — ich habe dich als Herrin dieses Hauses
begrüßt, und das sollst du sein, wie du über diese Schwelle schreitest, so —
oder so! Aber ich habe vielleicht Unrecht gethan, als ich vorhin so hastig nach
der kostbaren Gabe griff, die du mir ins Haus trugst! Du bist gegen mich ein
Kind, Esmah, ich muß dich fragen — so schwer es mir fällt —, ob du morgen
und an allen folgenden Tagen wieder thun und sagen würdest, was du vorhin
gethan und gesagt hast? Noch einmal, Kind — mein Schutz, so weit er reicht,
ist dir gewiß — und —

Esmah ließ ihn nicht aussprechen. Sie hatte mit ihren großen braunen
Angen um sich gesehen, ob der Hof und der Bogengang noch so einsam sei
wie zuvor, jetzt lehnte sie ihr Haupt an Barretos Schulter und umschlang mit
ihren Armen den Nacken des Mannes. Esmah weiß, was sie thut, Herr!


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[0639] Lcunoiins. und Bogen, das Marmorbecken und die Dclphintvpfe des Brunnens — alles gemahnte sie wunderbar an die Heimat, welche so fern und nun so unwider¬ ruflich hinter ihr lag. Ehe sie noch dazu gelangte, eine Frage an Jayme zu richten, stand Manuel Barretv vor ihnen. Er mußte sich in stürmischer Eile angekleidet und dennoch Zeit gesunden haben, sein schlichtes Alltagsgewand mit einem festtäglichen von braunem brabantischen Sammet zu vertauschen. Er rief schon unter den Arkaden Esmah entgegen: Ein rosiger Morgen, mich dünkt, der rosigste, den ich je erlebt habe! Jcihme Leiras, es soll dir wahrlich zu Gute kommen, daß du die Herrin von Almocegema zuerst an ihren Brunnen ge¬ leitet hast. Schöpfe mit der Hand ans dem Strudel, Esmah, und trinke von dem Wasser, damit du heimisch hier wirst! Du aber, Jayme, spring nach dem Vorderhause, rufe Joao herzu, sage ihm kurz, wen du von Cintra hierher¬ gebracht hast, und bedeute ihm, die flinksten und anstelligsten Dirnen, die im Hofe sind, zum Dienste der Herrin hierherzuscnden. Was ihr von Gepäck mit¬ gebracht habt, mag Joao dort hinüber schaffen lassen. Er wies dabei auf die östlich vom Brunnen gelegenen Fenster und Thüren; Jayme Leiras nickte zum Zeichen seines Gehorsams und entfernte sich augenblicklich nach dem Saale neben Senhor Manuels Zimmer, der als Durchgang vou dem Irrenhause und Hofe nach dem Vordergebäude betrachtet wurde und ihm wie das ganze Haus Al- mveegema wohlbekannt war. Sowie er verschwand, ergriff Varreto die Hand des Mädchens und leitete Esmah über den Hof hinweg unter jenen Teil der Arkaden, der vor den verschlossenen Zimmern lag. Auf seinem Gesicht war ein innerer Kampf wahrnehmbar, während er eine verschlossene Thür öffnete und sie und die Bogenfenster aufstieß, welche sich rechts und links von der Thür befanden. Ein großes Gemach mit Nebenräumen im Hintergründe, an denen nur die schließenden Teppiche fehlten, that sich vor den Augen Esmcchs auf, mit dem ersten Blick nahm sie wahr, daß diese halbleeren Zimmer vou größerer Pracht waren, als der Raum, welchen sie diesen Morgen betreten hatte. Sie wollte die Schwelle überschreiten, als Barreto sie noch einmal zurückhielt und mit plötzlichem Ernste sagte: Esmah — ich habe dich als Herrin dieses Hauses begrüßt, und das sollst du sein, wie du über diese Schwelle schreitest, so — oder so! Aber ich habe vielleicht Unrecht gethan, als ich vorhin so hastig nach der kostbaren Gabe griff, die du mir ins Haus trugst! Du bist gegen mich ein Kind, Esmah, ich muß dich fragen — so schwer es mir fällt —, ob du morgen und an allen folgenden Tagen wieder thun und sagen würdest, was du vorhin gethan und gesagt hast? Noch einmal, Kind — mein Schutz, so weit er reicht, ist dir gewiß — und — Esmah ließ ihn nicht aussprechen. Sie hatte mit ihren großen braunen Angen um sich gesehen, ob der Hof und der Bogengang noch so einsam sei wie zuvor, jetzt lehnte sie ihr Haupt an Barretos Schulter und umschlang mit ihren Armen den Nacken des Mannes. Esmah weiß, was sie thut, Herr!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/639>, abgerufen am 25.08.2024.