Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Aus Österreich. derber Stelle keinen Zweifel darüber bestehen ließ, daß die bei uns eingerissene Kindisch ist ja zum großen Teil das ganze Treiben der Tschechen seit Aus Österreich. derber Stelle keinen Zweifel darüber bestehen ließ, daß die bei uns eingerissene Kindisch ist ja zum großen Teil das ganze Treiben der Tschechen seit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0635" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198701"/> <fw type="header" place="top"> Aus Österreich.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1846" prev="#ID_1845"> derber Stelle keinen Zweifel darüber bestehen ließ, daß die bei uns eingerissene<lb/> Nachgiebigkeit gegen Tumultuanten (wenn sie nnr nicht Deutsche sind) leicht<lb/> Gefahren ernstester Natur heraufbeschwören kann. Und so darf man denn<lb/> Wohl hoffen, daß in Zukunft überall den alten und jungen Buben, welche es<lb/> angemessen finden, ihre „nationalen" Empfindungen durch steinigen ihnen<lb/> mißliebiger Personen, Fenstereinschlagen n. dergl. in. zum Ausdruck zu bringen,<lb/> sowie denjenigen, welche dem Pöbel das Losungswort geben, sofort werde der<lb/> gebührende Ernst gezeigt werden. Wenn die letzten Straßenskandale diese Folge<lb/> haben, so wird die Geschichte von ihnen Notiz nehmen müssen, aber jedermann<lb/> mußte sich sagen, daß sie in ganz andrer Bedeutung hätten zu historischen Er¬<lb/> eignissen werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1847" next="#ID_1848"> Kindisch ist ja zum großen Teil das ganze Treiben der Tschechen seit<lb/> Jahren, und wie man mit solchen großen Kindern fertig wird, das hat General<lb/> Koller als Statthalter von Böhmen gezeigt. In den letzten Jahren aber ist<lb/> es zum System geworden, den brutalen Äußerungen des „Volkswillens" in<lb/> achtungsvoller Unthätigkeit zuzuschauen, hat sich sogar uicht selten die Neigung<lb/> verraten, die Schuld denen aufzubürden, welche durch ihre Existenz den Unwillen<lb/> der Hussiteuenkel prvvozircn, den Deutschen natürlich. Daß die Affen der<lb/> Tschechen, die Windischen in Krain und Steiermark, von dem Ehrgeiz ergriffen<lb/> wurden, in ähnlicher Weise gegen die deutschen Unterdrücker zu demonstriren,<lb/> ist natürlich. Anfangs lachte man über das Treiben der Slovenen, an deren<lb/> Spitze ein Herr Costa, kurz zuvor noch Mitglied des Gelehrtenausschusses des<lb/> Germanischen Museums, und ein Tierarzt mit dem echtslawischen Namen<lb/> Bleiweis stand; aber das Gewährenlnssen zuerst, dann das Hätscheln der künstlich<lb/> hervorgerufenen Bewegung unter dein blutarmen, unwissenden, abergläubischen<lb/> windischen Volksstamme habt es glücklich dahin gebracht,^ daß Österreich nun<lb/> auch eine slovenischc Frage hat. Von der Existenz dieses Volksstammes erhielt<lb/> die Welt eigentlich erst Kenntnis durch des Grafen Anton Auersperg (Anastasius<lb/> Griin) Übersetzung kraiuischer Volkslieder. Jetzt stellen Deutsche diesem Dichter<lb/> in Laibach eine Gedenktafel auf, und das slovenischc Volk protestirt dagegen,<lb/> als gegen eine Verletzung seiner Nationalität, will die Feier verhindern, insultirt<lb/> die Festtciluehmcr und besudelt das Denkmal! Der Janhagel weiß selbst¬<lb/> verständlich vom Grafen Auersperg so viel wie vom kategorischen Imperativ,<lb/> es macht jeden Skandal gern mit und würde sich ebenso bereitwillig gegen den<lb/> großen Dichter der Slovenen, Preschern, aufhetzen lassen. Die Gymnasiasten,<lb/> welche die Führerschaft übernommen hatten, dürfen sich mit Befriedigung sagen,<lb/> daß sie heute bereits auf beiden Hemisphären als die dümmsten Jungen der<lb/> Gegenwart belacht werden, und daß so bald niemand den Mut haben wird, sich<lb/> als „Laibacher" zu erkennen zu geben. Aber der Gemeinderat der Stadt, welcher<lb/> die Frechheit hat, die Übernahme des Denkmals förmlich abzulehnen und die<lb/> Unmündigen an Jahren oder Verstand indirekt zum Krawallmachcu aufzufordern!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0635]
Aus Österreich.
derber Stelle keinen Zweifel darüber bestehen ließ, daß die bei uns eingerissene
Nachgiebigkeit gegen Tumultuanten (wenn sie nnr nicht Deutsche sind) leicht
Gefahren ernstester Natur heraufbeschwören kann. Und so darf man denn
Wohl hoffen, daß in Zukunft überall den alten und jungen Buben, welche es
angemessen finden, ihre „nationalen" Empfindungen durch steinigen ihnen
mißliebiger Personen, Fenstereinschlagen n. dergl. in. zum Ausdruck zu bringen,
sowie denjenigen, welche dem Pöbel das Losungswort geben, sofort werde der
gebührende Ernst gezeigt werden. Wenn die letzten Straßenskandale diese Folge
haben, so wird die Geschichte von ihnen Notiz nehmen müssen, aber jedermann
mußte sich sagen, daß sie in ganz andrer Bedeutung hätten zu historischen Er¬
eignissen werden können.
Kindisch ist ja zum großen Teil das ganze Treiben der Tschechen seit
Jahren, und wie man mit solchen großen Kindern fertig wird, das hat General
Koller als Statthalter von Böhmen gezeigt. In den letzten Jahren aber ist
es zum System geworden, den brutalen Äußerungen des „Volkswillens" in
achtungsvoller Unthätigkeit zuzuschauen, hat sich sogar uicht selten die Neigung
verraten, die Schuld denen aufzubürden, welche durch ihre Existenz den Unwillen
der Hussiteuenkel prvvozircn, den Deutschen natürlich. Daß die Affen der
Tschechen, die Windischen in Krain und Steiermark, von dem Ehrgeiz ergriffen
wurden, in ähnlicher Weise gegen die deutschen Unterdrücker zu demonstriren,
ist natürlich. Anfangs lachte man über das Treiben der Slovenen, an deren
Spitze ein Herr Costa, kurz zuvor noch Mitglied des Gelehrtenausschusses des
Germanischen Museums, und ein Tierarzt mit dem echtslawischen Namen
Bleiweis stand; aber das Gewährenlnssen zuerst, dann das Hätscheln der künstlich
hervorgerufenen Bewegung unter dein blutarmen, unwissenden, abergläubischen
windischen Volksstamme habt es glücklich dahin gebracht,^ daß Österreich nun
auch eine slovenischc Frage hat. Von der Existenz dieses Volksstammes erhielt
die Welt eigentlich erst Kenntnis durch des Grafen Anton Auersperg (Anastasius
Griin) Übersetzung kraiuischer Volkslieder. Jetzt stellen Deutsche diesem Dichter
in Laibach eine Gedenktafel auf, und das slovenischc Volk protestirt dagegen,
als gegen eine Verletzung seiner Nationalität, will die Feier verhindern, insultirt
die Festtciluehmcr und besudelt das Denkmal! Der Janhagel weiß selbst¬
verständlich vom Grafen Auersperg so viel wie vom kategorischen Imperativ,
es macht jeden Skandal gern mit und würde sich ebenso bereitwillig gegen den
großen Dichter der Slovenen, Preschern, aufhetzen lassen. Die Gymnasiasten,
welche die Führerschaft übernommen hatten, dürfen sich mit Befriedigung sagen,
daß sie heute bereits auf beiden Hemisphären als die dümmsten Jungen der
Gegenwart belacht werden, und daß so bald niemand den Mut haben wird, sich
als „Laibacher" zu erkennen zu geben. Aber der Gemeinderat der Stadt, welcher
die Frechheit hat, die Übernahme des Denkmals förmlich abzulehnen und die
Unmündigen an Jahren oder Verstand indirekt zum Krawallmachcu aufzufordern!
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