Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die evangelische Aircho und der Staat.

Mit Recht hat man dagegen vermutet, daß eine solche evangelische Zentrums¬
partei nicht die Geschlossenheit zeigen werde, wie sie die Herde des I)r. Windt-
horst fast stets gezeigt hat. Uns wird von Jugend auf in religiösen Dingen
eingeschärft, daß, wenn die Wahl nur bleibt zwischen "Einheit und Freiheit,"
wir mit dem alten Tholuck für die Freiheit uns entscheiden, ganz anders als
die non-xlaoot-Bischöfe, die, nachdem der heilige Geist sich für das Most ent¬
schieden hatte, in die tragische Notwendigkeit gerieten, die weniger eoulanten
alten Gesinnungsgenossen zu verfolgen. Es wird daher mit der evangelischen
Zentrumspartei immer eine schwächliche Sache sein. Schon jetzt liegt ein Zeichen
dafür vor. Eine kirchliche Konferenz in der Grafschaft Mark, also auf dem
Boden von Rheinland-Westfalen, hatte ans Anlaß des Antrages von Hammer¬
stein eine Resolution mit einem Dankesvotum an die Abgeordneten Stöcker,
von Hammerstein und Eyncrn gesandt. In einem dankenden Antwortschreiben
lehnte jedoch Herr von Eynern ein Eintreten für den Antrag von Hammerstein
mit folgenden Worten ab: "Ich kann die Befreiung der evangelischen Kirche aus
der staatlichen Gebundenheit, die gewissermaßen verlangte Herstellung einer evan¬
gelischen preußischen Freikirche nicht befürworten. Die Syuodalordnung, für
welche wir nächst dein Landesherrn unsern Dank dem Herrn Minister Falk
schulden, giebt meines Erachtens der evangelischen Kirche ein hohes Maß von
Befreiung von der staatlichen Oberleitung. Die Bestrebungen für eine weitere
Befreiung widerstreiten der Entstehungsgeschichte und der geschichtlichen Entwick¬
lung der Kirche. Hinter diesen Bestrebungen verbirgt sich ohnedem derjenige Geist
der Unduldsamkeit, der die historisch gewordenen und zum Heil der Kirche be¬
stehenden Richtungen innerhalb der evangelischen Kirche unter dogmatischen
Zwang bringen will. Die auf diese Wege hinzielenden Anträge, welche der
Volksvertretung zugegangen sind, bedeuten zugleich den Versuch, in die Rechte
und Pflichten der Krone, des landesherrlichen Kirchenregiments, in unberechtigter
Weise einzugreifen. Der Antrag des Abgeordneten von Hammerstein verfolgt
deshalb in seinem ersten Teile Ziele, die ich nicht billige, und deshalb wird die
Voraussetzung der kirchlichen Konferenz, daß dieser Antrag die kräftigste Unter¬
stützung aller evangelischen Volksvertreter finden werde, meinerseits nicht zu¬
treffen." Dagegen sprach der Abgeordnete Freiherr von Hammerstein in seinem
Antwortschreiben seine vollständige Übereinstimmung mit den Anschauungen der
Konferenz und zugleich sein Bedauern aus, daß die Konferenz sich in ihrer Er¬
wartung, der konservative Antrag werde die kräftigste Unterstützung aller evan¬
gelischen Volksvertreter finden, schon jetzt schwer getäuscht sehe. Das Schreiben
des Herrn von Eynern beweise leider, daß der Eifer dieser Herren für die evan¬
gelische Kirche sich auf große Worte beschränke, zu Thaten aber nicht bereit sei.
Zum Schluß heißt es: "Der Widerstand, welcher meinem Antrage von national-
liberaler und freikonservativcr Seite entgegengesetzt wird, wird bei der Lauheit
einzelner Konservativen vielleicht dahin führen, daß seine Beratung in dieser


Die evangelische Aircho und der Staat.

Mit Recht hat man dagegen vermutet, daß eine solche evangelische Zentrums¬
partei nicht die Geschlossenheit zeigen werde, wie sie die Herde des I)r. Windt-
horst fast stets gezeigt hat. Uns wird von Jugend auf in religiösen Dingen
eingeschärft, daß, wenn die Wahl nur bleibt zwischen „Einheit und Freiheit,"
wir mit dem alten Tholuck für die Freiheit uns entscheiden, ganz anders als
die non-xlaoot-Bischöfe, die, nachdem der heilige Geist sich für das Most ent¬
schieden hatte, in die tragische Notwendigkeit gerieten, die weniger eoulanten
alten Gesinnungsgenossen zu verfolgen. Es wird daher mit der evangelischen
Zentrumspartei immer eine schwächliche Sache sein. Schon jetzt liegt ein Zeichen
dafür vor. Eine kirchliche Konferenz in der Grafschaft Mark, also auf dem
Boden von Rheinland-Westfalen, hatte ans Anlaß des Antrages von Hammer¬
stein eine Resolution mit einem Dankesvotum an die Abgeordneten Stöcker,
von Hammerstein und Eyncrn gesandt. In einem dankenden Antwortschreiben
lehnte jedoch Herr von Eynern ein Eintreten für den Antrag von Hammerstein
mit folgenden Worten ab: „Ich kann die Befreiung der evangelischen Kirche aus
der staatlichen Gebundenheit, die gewissermaßen verlangte Herstellung einer evan¬
gelischen preußischen Freikirche nicht befürworten. Die Syuodalordnung, für
welche wir nächst dein Landesherrn unsern Dank dem Herrn Minister Falk
schulden, giebt meines Erachtens der evangelischen Kirche ein hohes Maß von
Befreiung von der staatlichen Oberleitung. Die Bestrebungen für eine weitere
Befreiung widerstreiten der Entstehungsgeschichte und der geschichtlichen Entwick¬
lung der Kirche. Hinter diesen Bestrebungen verbirgt sich ohnedem derjenige Geist
der Unduldsamkeit, der die historisch gewordenen und zum Heil der Kirche be¬
stehenden Richtungen innerhalb der evangelischen Kirche unter dogmatischen
Zwang bringen will. Die auf diese Wege hinzielenden Anträge, welche der
Volksvertretung zugegangen sind, bedeuten zugleich den Versuch, in die Rechte
und Pflichten der Krone, des landesherrlichen Kirchenregiments, in unberechtigter
Weise einzugreifen. Der Antrag des Abgeordneten von Hammerstein verfolgt
deshalb in seinem ersten Teile Ziele, die ich nicht billige, und deshalb wird die
Voraussetzung der kirchlichen Konferenz, daß dieser Antrag die kräftigste Unter¬
stützung aller evangelischen Volksvertreter finden werde, meinerseits nicht zu¬
treffen." Dagegen sprach der Abgeordnete Freiherr von Hammerstein in seinem
Antwortschreiben seine vollständige Übereinstimmung mit den Anschauungen der
Konferenz und zugleich sein Bedauern aus, daß die Konferenz sich in ihrer Er¬
wartung, der konservative Antrag werde die kräftigste Unterstützung aller evan¬
gelischen Volksvertreter finden, schon jetzt schwer getäuscht sehe. Das Schreiben
des Herrn von Eynern beweise leider, daß der Eifer dieser Herren für die evan¬
gelische Kirche sich auf große Worte beschränke, zu Thaten aber nicht bereit sei.
Zum Schluß heißt es: „Der Widerstand, welcher meinem Antrage von national-
liberaler und freikonservativcr Seite entgegengesetzt wird, wird bei der Lauheit
einzelner Konservativen vielleicht dahin führen, daß seine Beratung in dieser


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0612" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198678"/>
            <fw type="header" place="top"> Die evangelische Aircho und der Staat.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1777" prev="#ID_1776" next="#ID_1778"> Mit Recht hat man dagegen vermutet, daß eine solche evangelische Zentrums¬<lb/>
partei nicht die Geschlossenheit zeigen werde, wie sie die Herde des I)r. Windt-<lb/>
horst fast stets gezeigt hat. Uns wird von Jugend auf in religiösen Dingen<lb/>
eingeschärft, daß, wenn die Wahl nur bleibt zwischen &#x201E;Einheit und Freiheit,"<lb/>
wir mit dem alten Tholuck für die Freiheit uns entscheiden, ganz anders als<lb/>
die non-xlaoot-Bischöfe, die, nachdem der heilige Geist sich für das Most ent¬<lb/>
schieden hatte, in die tragische Notwendigkeit gerieten, die weniger eoulanten<lb/>
alten Gesinnungsgenossen zu verfolgen. Es wird daher mit der evangelischen<lb/>
Zentrumspartei immer eine schwächliche Sache sein. Schon jetzt liegt ein Zeichen<lb/>
dafür vor. Eine kirchliche Konferenz in der Grafschaft Mark, also auf dem<lb/>
Boden von Rheinland-Westfalen, hatte ans Anlaß des Antrages von Hammer¬<lb/>
stein eine Resolution mit einem Dankesvotum an die Abgeordneten Stöcker,<lb/>
von Hammerstein und Eyncrn gesandt. In einem dankenden Antwortschreiben<lb/>
lehnte jedoch Herr von Eynern ein Eintreten für den Antrag von Hammerstein<lb/>
mit folgenden Worten ab: &#x201E;Ich kann die Befreiung der evangelischen Kirche aus<lb/>
der staatlichen Gebundenheit, die gewissermaßen verlangte Herstellung einer evan¬<lb/>
gelischen preußischen Freikirche nicht befürworten. Die Syuodalordnung, für<lb/>
welche wir nächst dein Landesherrn unsern Dank dem Herrn Minister Falk<lb/>
schulden, giebt meines Erachtens der evangelischen Kirche ein hohes Maß von<lb/>
Befreiung von der staatlichen Oberleitung. Die Bestrebungen für eine weitere<lb/>
Befreiung widerstreiten der Entstehungsgeschichte und der geschichtlichen Entwick¬<lb/>
lung der Kirche. Hinter diesen Bestrebungen verbirgt sich ohnedem derjenige Geist<lb/>
der Unduldsamkeit, der die historisch gewordenen und zum Heil der Kirche be¬<lb/>
stehenden Richtungen innerhalb der evangelischen Kirche unter dogmatischen<lb/>
Zwang bringen will. Die auf diese Wege hinzielenden Anträge, welche der<lb/>
Volksvertretung zugegangen sind, bedeuten zugleich den Versuch, in die Rechte<lb/>
und Pflichten der Krone, des landesherrlichen Kirchenregiments, in unberechtigter<lb/>
Weise einzugreifen. Der Antrag des Abgeordneten von Hammerstein verfolgt<lb/>
deshalb in seinem ersten Teile Ziele, die ich nicht billige, und deshalb wird die<lb/>
Voraussetzung der kirchlichen Konferenz, daß dieser Antrag die kräftigste Unter¬<lb/>
stützung aller evangelischen Volksvertreter finden werde, meinerseits nicht zu¬<lb/>
treffen." Dagegen sprach der Abgeordnete Freiherr von Hammerstein in seinem<lb/>
Antwortschreiben seine vollständige Übereinstimmung mit den Anschauungen der<lb/>
Konferenz und zugleich sein Bedauern aus, daß die Konferenz sich in ihrer Er¬<lb/>
wartung, der konservative Antrag werde die kräftigste Unterstützung aller evan¬<lb/>
gelischen Volksvertreter finden, schon jetzt schwer getäuscht sehe. Das Schreiben<lb/>
des Herrn von Eynern beweise leider, daß der Eifer dieser Herren für die evan¬<lb/>
gelische Kirche sich auf große Worte beschränke, zu Thaten aber nicht bereit sei.<lb/>
Zum Schluß heißt es: &#x201E;Der Widerstand, welcher meinem Antrage von national-<lb/>
liberaler und freikonservativcr Seite entgegengesetzt wird, wird bei der Lauheit<lb/>
einzelner Konservativen vielleicht dahin führen, daß seine Beratung in dieser</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0612] Die evangelische Aircho und der Staat. Mit Recht hat man dagegen vermutet, daß eine solche evangelische Zentrums¬ partei nicht die Geschlossenheit zeigen werde, wie sie die Herde des I)r. Windt- horst fast stets gezeigt hat. Uns wird von Jugend auf in religiösen Dingen eingeschärft, daß, wenn die Wahl nur bleibt zwischen „Einheit und Freiheit," wir mit dem alten Tholuck für die Freiheit uns entscheiden, ganz anders als die non-xlaoot-Bischöfe, die, nachdem der heilige Geist sich für das Most ent¬ schieden hatte, in die tragische Notwendigkeit gerieten, die weniger eoulanten alten Gesinnungsgenossen zu verfolgen. Es wird daher mit der evangelischen Zentrumspartei immer eine schwächliche Sache sein. Schon jetzt liegt ein Zeichen dafür vor. Eine kirchliche Konferenz in der Grafschaft Mark, also auf dem Boden von Rheinland-Westfalen, hatte ans Anlaß des Antrages von Hammer¬ stein eine Resolution mit einem Dankesvotum an die Abgeordneten Stöcker, von Hammerstein und Eyncrn gesandt. In einem dankenden Antwortschreiben lehnte jedoch Herr von Eynern ein Eintreten für den Antrag von Hammerstein mit folgenden Worten ab: „Ich kann die Befreiung der evangelischen Kirche aus der staatlichen Gebundenheit, die gewissermaßen verlangte Herstellung einer evan¬ gelischen preußischen Freikirche nicht befürworten. Die Syuodalordnung, für welche wir nächst dein Landesherrn unsern Dank dem Herrn Minister Falk schulden, giebt meines Erachtens der evangelischen Kirche ein hohes Maß von Befreiung von der staatlichen Oberleitung. Die Bestrebungen für eine weitere Befreiung widerstreiten der Entstehungsgeschichte und der geschichtlichen Entwick¬ lung der Kirche. Hinter diesen Bestrebungen verbirgt sich ohnedem derjenige Geist der Unduldsamkeit, der die historisch gewordenen und zum Heil der Kirche be¬ stehenden Richtungen innerhalb der evangelischen Kirche unter dogmatischen Zwang bringen will. Die auf diese Wege hinzielenden Anträge, welche der Volksvertretung zugegangen sind, bedeuten zugleich den Versuch, in die Rechte und Pflichten der Krone, des landesherrlichen Kirchenregiments, in unberechtigter Weise einzugreifen. Der Antrag des Abgeordneten von Hammerstein verfolgt deshalb in seinem ersten Teile Ziele, die ich nicht billige, und deshalb wird die Voraussetzung der kirchlichen Konferenz, daß dieser Antrag die kräftigste Unter¬ stützung aller evangelischen Volksvertreter finden werde, meinerseits nicht zu¬ treffen." Dagegen sprach der Abgeordnete Freiherr von Hammerstein in seinem Antwortschreiben seine vollständige Übereinstimmung mit den Anschauungen der Konferenz und zugleich sein Bedauern aus, daß die Konferenz sich in ihrer Er¬ wartung, der konservative Antrag werde die kräftigste Unterstützung aller evan¬ gelischen Volksvertreter finden, schon jetzt schwer getäuscht sehe. Das Schreiben des Herrn von Eynern beweise leider, daß der Eifer dieser Herren für die evan¬ gelische Kirche sich auf große Worte beschränke, zu Thaten aber nicht bereit sei. Zum Schluß heißt es: „Der Widerstand, welcher meinem Antrage von national- liberaler und freikonservativcr Seite entgegengesetzt wird, wird bei der Lauheit einzelner Konservativen vielleicht dahin führen, daß seine Beratung in dieser

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/612
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/612>, abgerufen am 25.07.2024.