Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.erfahren hat, mit welchen Plänen er sich in Betreff Irlands trug. Nach diesen erfahren hat, mit welchen Plänen er sich in Betreff Irlands trug. Nach diesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198668"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1754" prev="#ID_1753" next="#ID_1755"> erfahren hat, mit welchen Plänen er sich in Betreff Irlands trug. Nach diesen<lb/> Präliminarien verschreibet der Verfasser der Ansprache zur Feststellung dessen,<lb/> worüber die Nation nächstens sich äußern soll. „Wollt ihr — so fragt er —<lb/> Irland durch Zwang regieren oder es seine Angelegenheiten selbst verwalten<lb/> lassen?" Einen dritten Weg kennt er nicht oder will er nicht kennen, obwohl<lb/> in den letzten Wochen verschiedene Vorschläge zur Lösung der Aufgabe gemacht<lb/> worden sind, die eine Berücksichtigung, wenigstens eine Prüfung verdienen. Er<lb/> nimmt z. B. keine Notiz davon, daß Lord Hartingtvu glaubt, es werde mit<lb/> strenger Gerechtigkeitspflege, neben der eine Reform der Gesetzgebung herginge,<lb/> zu helfen sein; er behandelt den Gedanken Chamberlains als nicht vorhanden,<lb/> jedem Teile des Reiches eine besondre Negierung zu geben, und er betrachtet<lb/> den weitern Plan als keiner Kritik würdig, künftig den irischen Abgeordneten<lb/> des Neichsparlcunents die speziell irischen Fragen, den schottischen die schottischen,<lb/> denen aus Wales die walisischen und denen aus England die, welche vorwiegend<lb/> England angehen, zur Erörterung und Beschlußfassung zuzuweisen. Gladstone<lb/> will auf nichts der Art hören. Er erklärt, Salisburh verlange „Repressiv-<lb/> gesctze, deren Befolgung zwanzig Jahre lang erzwungen werden solle," und<lb/> meint, die einzige Antwort, welche das Parlament auf eine endlose Reihe von<lb/> Ungesetzlichkeiten, Wühlereien und Verschwörungen vernünftigerweise erteilen<lb/> könne, besiehe in seinem Vorschlage, sich den Wühlern und Verschwörern zu er¬<lb/> geben und ihnen ihren Willen zu thun. Nach dem Manifeste sind er und seine<lb/> Anhänger in der irischen Frage die einzigwahren Unionisten. Die „Tones und<lb/> die Sezessionisten" verdienen eine solche Bezeichnung nicht. Die bestehende Union<lb/> ist nach seiner Meinung „nur eine papierne, gewaltsam zustande gebracht,<lb/> gegründet auf Betrug und niemals von dem Volke Irlands gutgeheißen." Die<lb/> neue wahrhafte Union ist durch Zerstörung der alten zu schaffen. „Das mit<lb/> Stimmrecht begabte Irland fordert durch seine gesetzlichen Vertreter Trennung<lb/> der gesetzgebenden Gewalten und hat bei seiner Forderung die größte Mäßigung<lb/> bewiesen, es ist zufrieden damit, Prärogativen loszuwerden, es heißt sogar<lb/> Stipulationen zum Schutze der Minderheit willkommen." Der Widerwille der<lb/> Bewohner von Ulster gegen seinen Plan ist nichts als „religiöse Bigotterie."<lb/> Schließlich zählt er die Segnungen ans, die aus der Annahme seiner Vorschläge<lb/> fließen würden, woran er die Andeutung knüpft, daß die Homeruler Mittel und<lb/> Wege finden würden, die Reichsgesetzgebung zum Stillstande zu bringen, wenn<lb/> die Wähler sich weigern sollten, in seine Kapitulation vor Parnell und seinen<lb/> Anhängern zu willigen. Die ganze Ansprache ist ein erstaunliches Opus, welches<lb/> man nicht durchlesen kann, ohne sich höchlich über die Art und Weise zu ver¬<lb/> wundern, mit welcher sich der Minister über alle bisherigen Enttäuschungen<lb/> verblendet und alle von Vorsicht und Mäßigung eingegebnen Einwendungen<lb/> und Ratschläge von der Hand weist. Er ist nach diesen: Manifest felsenfest<lb/> überzeugt, daß er allein Recht habe, er ist unbeugsam und damit eine schwere</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0602]
erfahren hat, mit welchen Plänen er sich in Betreff Irlands trug. Nach diesen
Präliminarien verschreibet der Verfasser der Ansprache zur Feststellung dessen,
worüber die Nation nächstens sich äußern soll. „Wollt ihr — so fragt er —
Irland durch Zwang regieren oder es seine Angelegenheiten selbst verwalten
lassen?" Einen dritten Weg kennt er nicht oder will er nicht kennen, obwohl
in den letzten Wochen verschiedene Vorschläge zur Lösung der Aufgabe gemacht
worden sind, die eine Berücksichtigung, wenigstens eine Prüfung verdienen. Er
nimmt z. B. keine Notiz davon, daß Lord Hartingtvu glaubt, es werde mit
strenger Gerechtigkeitspflege, neben der eine Reform der Gesetzgebung herginge,
zu helfen sein; er behandelt den Gedanken Chamberlains als nicht vorhanden,
jedem Teile des Reiches eine besondre Negierung zu geben, und er betrachtet
den weitern Plan als keiner Kritik würdig, künftig den irischen Abgeordneten
des Neichsparlcunents die speziell irischen Fragen, den schottischen die schottischen,
denen aus Wales die walisischen und denen aus England die, welche vorwiegend
England angehen, zur Erörterung und Beschlußfassung zuzuweisen. Gladstone
will auf nichts der Art hören. Er erklärt, Salisburh verlange „Repressiv-
gesctze, deren Befolgung zwanzig Jahre lang erzwungen werden solle," und
meint, die einzige Antwort, welche das Parlament auf eine endlose Reihe von
Ungesetzlichkeiten, Wühlereien und Verschwörungen vernünftigerweise erteilen
könne, besiehe in seinem Vorschlage, sich den Wühlern und Verschwörern zu er¬
geben und ihnen ihren Willen zu thun. Nach dem Manifeste sind er und seine
Anhänger in der irischen Frage die einzigwahren Unionisten. Die „Tones und
die Sezessionisten" verdienen eine solche Bezeichnung nicht. Die bestehende Union
ist nach seiner Meinung „nur eine papierne, gewaltsam zustande gebracht,
gegründet auf Betrug und niemals von dem Volke Irlands gutgeheißen." Die
neue wahrhafte Union ist durch Zerstörung der alten zu schaffen. „Das mit
Stimmrecht begabte Irland fordert durch seine gesetzlichen Vertreter Trennung
der gesetzgebenden Gewalten und hat bei seiner Forderung die größte Mäßigung
bewiesen, es ist zufrieden damit, Prärogativen loszuwerden, es heißt sogar
Stipulationen zum Schutze der Minderheit willkommen." Der Widerwille der
Bewohner von Ulster gegen seinen Plan ist nichts als „religiöse Bigotterie."
Schließlich zählt er die Segnungen ans, die aus der Annahme seiner Vorschläge
fließen würden, woran er die Andeutung knüpft, daß die Homeruler Mittel und
Wege finden würden, die Reichsgesetzgebung zum Stillstande zu bringen, wenn
die Wähler sich weigern sollten, in seine Kapitulation vor Parnell und seinen
Anhängern zu willigen. Die ganze Ansprache ist ein erstaunliches Opus, welches
man nicht durchlesen kann, ohne sich höchlich über die Art und Weise zu ver¬
wundern, mit welcher sich der Minister über alle bisherigen Enttäuschungen
verblendet und alle von Vorsicht und Mäßigung eingegebnen Einwendungen
und Ratschläge von der Hand weist. Er ist nach diesen: Manifest felsenfest
überzeugt, daß er allein Recht habe, er ist unbeugsam und damit eine schwere
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