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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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"Lamoims.

und unserm echten Ruhm, Ihr dürft den König nicht über Vasco de Genua
und Albuquerque hinaussehen, am wenigsten wenn Ihr nicht selbst überzeugt
seid, daß sein Kriegseifer dem Lande zum Heil gereichen wird. Und das seid
Ihr nicht, Luis, verzeiht meine rauhe Offenheit, doch im tiefen Herzen ahnt Ihr
Schlimmes, wie ich, und darum noch einmal: überwindet diese Versuchung!

Ich wäre vielleicht überzeugt und glaubte an den gewissen Triumph
des Königs, wenn ich in den letzten Monden nicht gelernt hätte, mit Euerm
Auge zu sehen, mit Euerm Ohre zu hören! entgegnete der Dichter. Alles, was
Ihr sagt, gleicht Euch und nicht mir, ich gebe Euch Recht, und in demselben
Augenblick schreit eine Stimme in meiner Brust dagegen auf! Dringt hente
nicht weiter in mich, ich will noch einmal mit mir zu Rate gehen, ich will Gott
bitten, daß er mir einen Ausweg zeige, auf dem ich unterlassen kann, was Ihr
mir zum Verbrechen macht, und doch nicht die Hände in den Schoß legen muß,
wo es sich um Catarina handelt.

Mich dünkt, Ihr könnt nur einen Weg gehen, Freund! sagte Barreto.
Schreibt Catarina Palmcirim, was Euch bewegt, beruft Euch auf das Andenken
ihrer Mutter und warnt sie mit so ergreifenden Worten, als das Gefühl Euch
eingiebt, tretet ihr offen gegenüber, thut, was ihr vermögt, und befehle den Er¬
folg Gott.'

Laßt dies Gespräch für heute ruhen, Manuel! rief Canoeus. Ich liebe
Euch so und danke Euch so viel, daß ich um Euretwillen thun würde, was ich
um meiner selbst willen nicht thue! Gönnt mir Fassung und Einkehr bei
mir selbst! Ich fühle Eure Treue und verstehe es wohl, daß Ihr mich wider
mich selbst schützen wollt. Aber ich will Euch nicht abermals etwas geloben, was
ich vielleicht nicht zu halten vermöchte.

Barreto nickte ernst zu den letzten Worten. Die Freunde waren während
ihres Wortwechsels unter den offnen Arkaden auf- und abgegangen -- jetzt ließ
sich der Hausherr auf einen Sessel nieder, welcher uuter dem ausgezackten
Bogen der Halle, dem Brunnen gegenüber, stand und deuiete auf den Sitz
gegenüber, den Canoe'us vorhin innegehabt hatte.

So laßt uns Abendrast halten! Joao mag Eure Handschrift und Eure
Bücher in Euer Zimmer tragen und dafür sorgen, daß wir einen Trunk Wein
zur Erquickung erhalten. Der Abend verspricht wunderbar schön und mild zu
werden, und wir gehen einer Reihe von köstlichen Tagen entgegen. Ich habe,
als ich heute über die Haide von Evora und durch meine Weinberge am Ponedo
ritt, hundert Anzeichen davon wahrgenommen. Stellt Eure ruhelose Wanderung
ein, Luis, wenn die Seele Frieden haben soll, müßt Ihr mich dem Leibe
Rast gönnen.

So zögernd, als ob er noch immer ein inneres Widerstreben zu überwinden
habe, nahm Canoe'us seinen Sitz ein und schob sein Schreibgerät zusammen.
Die Blätter, die obenauf lagen und die Barreto vorhin gelesen hatte, wog


«Lamoims.

und unserm echten Ruhm, Ihr dürft den König nicht über Vasco de Genua
und Albuquerque hinaussehen, am wenigsten wenn Ihr nicht selbst überzeugt
seid, daß sein Kriegseifer dem Lande zum Heil gereichen wird. Und das seid
Ihr nicht, Luis, verzeiht meine rauhe Offenheit, doch im tiefen Herzen ahnt Ihr
Schlimmes, wie ich, und darum noch einmal: überwindet diese Versuchung!

Ich wäre vielleicht überzeugt und glaubte an den gewissen Triumph
des Königs, wenn ich in den letzten Monden nicht gelernt hätte, mit Euerm
Auge zu sehen, mit Euerm Ohre zu hören! entgegnete der Dichter. Alles, was
Ihr sagt, gleicht Euch und nicht mir, ich gebe Euch Recht, und in demselben
Augenblick schreit eine Stimme in meiner Brust dagegen auf! Dringt hente
nicht weiter in mich, ich will noch einmal mit mir zu Rate gehen, ich will Gott
bitten, daß er mir einen Ausweg zeige, auf dem ich unterlassen kann, was Ihr
mir zum Verbrechen macht, und doch nicht die Hände in den Schoß legen muß,
wo es sich um Catarina handelt.

Mich dünkt, Ihr könnt nur einen Weg gehen, Freund! sagte Barreto.
Schreibt Catarina Palmcirim, was Euch bewegt, beruft Euch auf das Andenken
ihrer Mutter und warnt sie mit so ergreifenden Worten, als das Gefühl Euch
eingiebt, tretet ihr offen gegenüber, thut, was ihr vermögt, und befehle den Er¬
folg Gott.'

Laßt dies Gespräch für heute ruhen, Manuel! rief Canoeus. Ich liebe
Euch so und danke Euch so viel, daß ich um Euretwillen thun würde, was ich
um meiner selbst willen nicht thue! Gönnt mir Fassung und Einkehr bei
mir selbst! Ich fühle Eure Treue und verstehe es wohl, daß Ihr mich wider
mich selbst schützen wollt. Aber ich will Euch nicht abermals etwas geloben, was
ich vielleicht nicht zu halten vermöchte.

Barreto nickte ernst zu den letzten Worten. Die Freunde waren während
ihres Wortwechsels unter den offnen Arkaden auf- und abgegangen — jetzt ließ
sich der Hausherr auf einen Sessel nieder, welcher uuter dem ausgezackten
Bogen der Halle, dem Brunnen gegenüber, stand und deuiete auf den Sitz
gegenüber, den Canoe'us vorhin innegehabt hatte.

So laßt uns Abendrast halten! Joao mag Eure Handschrift und Eure
Bücher in Euer Zimmer tragen und dafür sorgen, daß wir einen Trunk Wein
zur Erquickung erhalten. Der Abend verspricht wunderbar schön und mild zu
werden, und wir gehen einer Reihe von köstlichen Tagen entgegen. Ich habe,
als ich heute über die Haide von Evora und durch meine Weinberge am Ponedo
ritt, hundert Anzeichen davon wahrgenommen. Stellt Eure ruhelose Wanderung
ein, Luis, wenn die Seele Frieden haben soll, müßt Ihr mich dem Leibe
Rast gönnen.

So zögernd, als ob er noch immer ein inneres Widerstreben zu überwinden
habe, nahm Canoe'us seinen Sitz ein und schob sein Schreibgerät zusammen.
Die Blätter, die obenauf lagen und die Barreto vorhin gelesen hatte, wog


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/591>, abgerufen am 24.07.2024.