Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln. nirgends die Siegel der Geheimarchive dauernd widerstehen, ist es undenkbar, Der Sieger von Roßbach hat bekanntlich selbst nicht verschmäht, ihm in
Wie diese Ode in ihren weitern Strophen sich das Ansehen giebt, den "von Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln. nirgends die Siegel der Geheimarchive dauernd widerstehen, ist es undenkbar, Der Sieger von Roßbach hat bekanntlich selbst nicht verschmäht, ihm in
Wie diese Ode in ihren weitern Strophen sich das Ansehen giebt, den „von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198628"/> <fw type="header" place="top"> Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1613" prev="#ID_1612"> nirgends die Siegel der Geheimarchive dauernd widerstehen, ist es undenkbar,<lb/> daß ein Historiker, der einige Jahre an die Lebensgeschichte des mächtigen<lb/> Ministers zu wenden gewillt ist, an die Pforten der betreffenden Archive ver¬<lb/> gebens klopfen würde. Vielleicht giebt die große und preisliche Unbefangen¬<lb/> heit, mit welcher die Korrespondenz Friedrichs des Großen dem Moder der<lb/> Archive entrückt worden ist, den Anstoß, auch über den ihm am hartnäckigsten<lb/> im Wege gewesenen Staatsmann jener Geschichtsperiode ein schärferes Licht<lb/> als das bisher seinem Bilde zuteil gewordene zu verbreiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614" next="#ID_1615"> Der Sieger von Roßbach hat bekanntlich selbst nicht verschmäht, ihm in<lb/> einer Ode den Spiegel vorzuhalten. In seiner nennten Ode, die als xiöoo<lb/> 0ouiixxö<z <!u l'on. 1760 Verbreitung sunt, redet er ihn mit den Worten an:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l> üsÄww inallionrorix A« Iisnto kortnnv,<lb/> D'un lini trox inclolnnt se»i,vM:i,in a.Il«o1u,<lb/> Lurvlmrxo >l« er^v-u>x, dont 1s soin t'imxortuQv,<lb/> LriUiI, «miedo Ass Aranclvuvs 1'ombarrW »ni>hrten:</l> <l> 80>n <it) ton Opn1vn<!0<lb/> .lo voll! 1o Diovi <1os ouvris,<lb/> <1los es. mnAnilivonno<lb/> Ixz roxm» t'nit <1o to» aues.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1615" prev="#ID_1614" next="#ID_1616"> Wie diese Ode in ihren weitern Strophen sich das Ansehen giebt, den „von<lb/> Arbeiten überlcidnen, schlaflosen Beherrscher eines lässigen Königs" sich selbst<lb/> wiedergeben zu wollen, indem sie ihm die idyllischen Freuden des Landlebens<lb/> als die einzigen nicht trügerischen Lebensfreuden darstellt, so hat der anonyme<lb/> Verfasser der „Vertraulicher Briefe" über Brühl, welche in demselben Jahre<lb/> 1760, angeblich als von einem Postsekretcir geöffnet und abgeschrieben, großes<lb/> Aufsehen machten, die Maske wohlwollender Schonung vorgenommen. Die<lb/> Briefe sind W^si nur für einen vertrauten Freund bestimmt. Vehse bezeichnet<lb/> bekanntlich als ihren Verfasser I. H. G. vou Justi, welcher als preußischer Berg-<lb/> hauptmann in Küstrin starb. Der einzige Grundsatz Brühls war nach dieser<lb/> Quelle, das Glück seiner Familie und seiner Hausgenossen zu begründen. Jeder<lb/> Bediente Brühls erhielt später ein fettes Ämtchen, das war Maxime. Sie<lb/> dienten daher lieber bei Brust als beim König. Das ganze Sachsen war ein<lb/> Brühlsches Landgut. Den Anstoß zu der lucullischen Üppigkeit seiner Tafeln<lb/> gab das sächsisch-polnische Hofzeremoniell, nach welchem höchstens Kardinäle zur<lb/> königlichen Tafel gezogen wurden, während die Bewirtung von Gesandten und<lb/> fremden Ministern zu den Obliegenheiten Brühls gehörte. Die herkömmliche<lb/> Anzahl Gänge war dreißig, in Ausnahmefällen stieg sie auf fünfzig, ja ans<lb/> achtzig. Der anonyme Verfasser schildert ihn als einen Mann von bezaubernder<lb/> Liebenswürdigkeit und wohlthuendster Höflichkeit; er sei etwas unter Mittel¬<lb/> größe und habe ein ehrliches, aufrichtiges Gesicht. Freilich wird hinzugefügt,<lb/> gegen ganz Indiae bediene er sich der vertraulichen Phrase: Wir alle sind ja</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
Minister Briihl in Schlafrock und Pantoffeln.
nirgends die Siegel der Geheimarchive dauernd widerstehen, ist es undenkbar,
daß ein Historiker, der einige Jahre an die Lebensgeschichte des mächtigen
Ministers zu wenden gewillt ist, an die Pforten der betreffenden Archive ver¬
gebens klopfen würde. Vielleicht giebt die große und preisliche Unbefangen¬
heit, mit welcher die Korrespondenz Friedrichs des Großen dem Moder der
Archive entrückt worden ist, den Anstoß, auch über den ihm am hartnäckigsten
im Wege gewesenen Staatsmann jener Geschichtsperiode ein schärferes Licht
als das bisher seinem Bilde zuteil gewordene zu verbreiten.
Der Sieger von Roßbach hat bekanntlich selbst nicht verschmäht, ihm in
einer Ode den Spiegel vorzuhalten. In seiner nennten Ode, die als xiöoo
0ouiixxö<z <!u l'on. 1760 Verbreitung sunt, redet er ihn mit den Worten an:
üsÄww inallionrorix A« Iisnto kortnnv,
D'un lini trox inclolnnt se»i,vM:i,in a.Il«o1u,
Lurvlmrxo >l« er^v-u>x, dont 1s soin t'imxortuQv,
LriUiI, «miedo Ass Aranclvuvs 1'ombarrW »ni>hrten: 80>n <it) ton Opn1vn<!0
.lo voll! 1o Diovi <1os ouvris,
<1los es. mnAnilivonno
Ixz roxm» t'nit <1o to» aues.
Wie diese Ode in ihren weitern Strophen sich das Ansehen giebt, den „von
Arbeiten überlcidnen, schlaflosen Beherrscher eines lässigen Königs" sich selbst
wiedergeben zu wollen, indem sie ihm die idyllischen Freuden des Landlebens
als die einzigen nicht trügerischen Lebensfreuden darstellt, so hat der anonyme
Verfasser der „Vertraulicher Briefe" über Brühl, welche in demselben Jahre
1760, angeblich als von einem Postsekretcir geöffnet und abgeschrieben, großes
Aufsehen machten, die Maske wohlwollender Schonung vorgenommen. Die
Briefe sind W^si nur für einen vertrauten Freund bestimmt. Vehse bezeichnet
bekanntlich als ihren Verfasser I. H. G. vou Justi, welcher als preußischer Berg-
hauptmann in Küstrin starb. Der einzige Grundsatz Brühls war nach dieser
Quelle, das Glück seiner Familie und seiner Hausgenossen zu begründen. Jeder
Bediente Brühls erhielt später ein fettes Ämtchen, das war Maxime. Sie
dienten daher lieber bei Brust als beim König. Das ganze Sachsen war ein
Brühlsches Landgut. Den Anstoß zu der lucullischen Üppigkeit seiner Tafeln
gab das sächsisch-polnische Hofzeremoniell, nach welchem höchstens Kardinäle zur
königlichen Tafel gezogen wurden, während die Bewirtung von Gesandten und
fremden Ministern zu den Obliegenheiten Brühls gehörte. Die herkömmliche
Anzahl Gänge war dreißig, in Ausnahmefällen stieg sie auf fünfzig, ja ans
achtzig. Der anonyme Verfasser schildert ihn als einen Mann von bezaubernder
Liebenswürdigkeit und wohlthuendster Höflichkeit; er sei etwas unter Mittel¬
größe und habe ein ehrliches, aufrichtiges Gesicht. Freilich wird hinzugefügt,
gegen ganz Indiae bediene er sich der vertraulichen Phrase: Wir alle sind ja
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