Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lamoens.

waren harte Tage, die über uns gekommen sind, ich hoffe, sie sind vorüber.
Nach allem, was ich in Cintra erlebt, dachte ich mit Freuden hierher, wo ich
Euch wußte, ein ungewohntes Gefühl nach so manchem Jahre, das ich völlig
einsam verbracht habe. Wahrhaftig, ich ritt darauf los wie einer, der zu seinem
jungen Weibe eilt, und ich denke, ich war fröhlicher als mancher Ehemann,
trotz allem!

Trotz allem, Manuel? fragte Ccunoens, den die herzliche Weise, mir der
ihn Barreto begrüßte, aus dem dumpfen, willenlosen Hinbrüten erweckt hatte.
Habt Ihr wirklich in allen diesen Tagen nicht zu König Sebastian durchdringen
können?

Zu ihm wohl, Freund Luis, uicht bei ihm! versetzte der Hausherr mit
trübem Lächeln. Ich stand dreimal vor dem König; mit nur haben die Brüder
Evora, selbst Graf Vimioso, der Großkämmerer, ihn beschworen, Gerechtigkeit zu
üben und die mutmaßlichsten -- was sage ich mutmaßlichen! -- die gewissen
Mörder Jocmas ergreifen zu lassen. Im Eifer der ersten Untersuchung verriet
Dom Sebastian, daß auch gegen Esmah Catarina bereits zwei Mordversuche
unternommen worden sind. Ich wußte es bereits von der Herzogin von
Braganza, welche die junge Maurin treulich hütet und sie doch lieber heute als
morgen aus dem Palaste hinwegsenden möchte. Der König schwur, daß er Esmah
zu schützen, Jocma zu rächen wissen werde, und dann hielt er inne und -- beschied
mich auf den folgenden Tag, weil er den Fall doch erst mit seinen Räten be¬
sprechen müsse. Seine Räte sind der Prior von Belem und Frech Rafael, der
nach Dom Joaos Augenwinken des Königs Gewissen lenkt. Da wußte ich
bereits, wie er sich fassen würde, und betrat am zweiten Tage des Königs
Empfangssaal schon ohne große Hoffnungen. Dom Sebastian war dann
düster, zerstreut, schweifte mit seinen Augen in die Ferne lind sagte mir
kurz, daß sich alle meine Angaben in Bezug auf Jvauas Tod bestätigt
hätten. Und dann setzte er gesenkten Blickes hinzu, daß er seinen erlauchten
Bundesgenossen, den Prinzen Mulei Muhamed, aufgefordert habe, seine Diener,
welche eines Mordes dringend verdächtig seien, in Haft nehme" zu lasse". Es
sei ihm ""möglich, Gewaltschritte gegen einen Fürsten zu unternehmen, der sich
seinem Schutze vertraut habe, im Augenblicke ein länderloser Flüchtling und
darum umsomehr der peinlichsten Rücksicht seines Gcistfreundcs würdig sei.
Übrigens beruhe ein großer Teil seiner eignen Hoffnungen für entscheidende
Siege in Afrika auf dem Bündnisse mit dem Marokkaner, und gegenüber den
großen Sorgen für sein Reich könne die Sorge um Sühne für den Mord der
kleinen Ziegenhirten doch kaum in Betracht kommen. Ihr könnt denken, was
ich Seiner Majestät erwiederte, und ich muß es meinen Freunden und selbst dem
Grafen Vimioso, der nicht mein Freund ist, nachrühmen, daß sie mir wacker bei¬
gestanden haben. Diese" Morgen ließ mich der König abermals rufen und
teilte mir mit, daß ihm Mnlei Muhamed einen Brief in arabischer Sprache


Lamoens.

waren harte Tage, die über uns gekommen sind, ich hoffe, sie sind vorüber.
Nach allem, was ich in Cintra erlebt, dachte ich mit Freuden hierher, wo ich
Euch wußte, ein ungewohntes Gefühl nach so manchem Jahre, das ich völlig
einsam verbracht habe. Wahrhaftig, ich ritt darauf los wie einer, der zu seinem
jungen Weibe eilt, und ich denke, ich war fröhlicher als mancher Ehemann,
trotz allem!

Trotz allem, Manuel? fragte Ccunoens, den die herzliche Weise, mir der
ihn Barreto begrüßte, aus dem dumpfen, willenlosen Hinbrüten erweckt hatte.
Habt Ihr wirklich in allen diesen Tagen nicht zu König Sebastian durchdringen
können?

Zu ihm wohl, Freund Luis, uicht bei ihm! versetzte der Hausherr mit
trübem Lächeln. Ich stand dreimal vor dem König; mit nur haben die Brüder
Evora, selbst Graf Vimioso, der Großkämmerer, ihn beschworen, Gerechtigkeit zu
üben und die mutmaßlichsten — was sage ich mutmaßlichen! — die gewissen
Mörder Jocmas ergreifen zu lassen. Im Eifer der ersten Untersuchung verriet
Dom Sebastian, daß auch gegen Esmah Catarina bereits zwei Mordversuche
unternommen worden sind. Ich wußte es bereits von der Herzogin von
Braganza, welche die junge Maurin treulich hütet und sie doch lieber heute als
morgen aus dem Palaste hinwegsenden möchte. Der König schwur, daß er Esmah
zu schützen, Jocma zu rächen wissen werde, und dann hielt er inne und — beschied
mich auf den folgenden Tag, weil er den Fall doch erst mit seinen Räten be¬
sprechen müsse. Seine Räte sind der Prior von Belem und Frech Rafael, der
nach Dom Joaos Augenwinken des Königs Gewissen lenkt. Da wußte ich
bereits, wie er sich fassen würde, und betrat am zweiten Tage des Königs
Empfangssaal schon ohne große Hoffnungen. Dom Sebastian war dann
düster, zerstreut, schweifte mit seinen Augen in die Ferne lind sagte mir
kurz, daß sich alle meine Angaben in Bezug auf Jvauas Tod bestätigt
hätten. Und dann setzte er gesenkten Blickes hinzu, daß er seinen erlauchten
Bundesgenossen, den Prinzen Mulei Muhamed, aufgefordert habe, seine Diener,
welche eines Mordes dringend verdächtig seien, in Haft nehme» zu lasse». Es
sei ihm »»möglich, Gewaltschritte gegen einen Fürsten zu unternehmen, der sich
seinem Schutze vertraut habe, im Augenblicke ein länderloser Flüchtling und
darum umsomehr der peinlichsten Rücksicht seines Gcistfreundcs würdig sei.
Übrigens beruhe ein großer Teil seiner eignen Hoffnungen für entscheidende
Siege in Afrika auf dem Bündnisse mit dem Marokkaner, und gegenüber den
großen Sorgen für sein Reich könne die Sorge um Sühne für den Mord der
kleinen Ziegenhirten doch kaum in Betracht kommen. Ihr könnt denken, was
ich Seiner Majestät erwiederte, und ich muß es meinen Freunden und selbst dem
Grafen Vimioso, der nicht mein Freund ist, nachrühmen, daß sie mir wacker bei¬
gestanden haben. Diese« Morgen ließ mich der König abermals rufen und
teilte mir mit, daß ihm Mnlei Muhamed einen Brief in arabischer Sprache


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198614"/>
          <fw type="header" place="top"> Lamoens.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1563" prev="#ID_1562"> waren harte Tage, die über uns gekommen sind, ich hoffe, sie sind vorüber.<lb/>
Nach allem, was ich in Cintra erlebt, dachte ich mit Freuden hierher, wo ich<lb/>
Euch wußte, ein ungewohntes Gefühl nach so manchem Jahre, das ich völlig<lb/>
einsam verbracht habe. Wahrhaftig, ich ritt darauf los wie einer, der zu seinem<lb/>
jungen Weibe eilt, und ich denke, ich war fröhlicher als mancher Ehemann,<lb/>
trotz allem!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1564"> Trotz allem, Manuel? fragte Ccunoens, den die herzliche Weise, mir der<lb/>
ihn Barreto begrüßte, aus dem dumpfen, willenlosen Hinbrüten erweckt hatte.<lb/>
Habt Ihr wirklich in allen diesen Tagen nicht zu König Sebastian durchdringen<lb/>
können?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1565" next="#ID_1566"> Zu ihm wohl, Freund Luis, uicht bei ihm! versetzte der Hausherr mit<lb/>
trübem Lächeln. Ich stand dreimal vor dem König; mit nur haben die Brüder<lb/>
Evora, selbst Graf Vimioso, der Großkämmerer, ihn beschworen, Gerechtigkeit zu<lb/>
üben und die mutmaßlichsten &#x2014; was sage ich mutmaßlichen! &#x2014; die gewissen<lb/>
Mörder Jocmas ergreifen zu lassen. Im Eifer der ersten Untersuchung verriet<lb/>
Dom Sebastian, daß auch gegen Esmah Catarina bereits zwei Mordversuche<lb/>
unternommen worden sind. Ich wußte es bereits von der Herzogin von<lb/>
Braganza, welche die junge Maurin treulich hütet und sie doch lieber heute als<lb/>
morgen aus dem Palaste hinwegsenden möchte. Der König schwur, daß er Esmah<lb/>
zu schützen, Jocma zu rächen wissen werde, und dann hielt er inne und &#x2014; beschied<lb/>
mich auf den folgenden Tag, weil er den Fall doch erst mit seinen Räten be¬<lb/>
sprechen müsse. Seine Räte sind der Prior von Belem und Frech Rafael, der<lb/>
nach Dom Joaos Augenwinken des Königs Gewissen lenkt. Da wußte ich<lb/>
bereits, wie er sich fassen würde, und betrat am zweiten Tage des Königs<lb/>
Empfangssaal schon ohne große Hoffnungen. Dom Sebastian war dann<lb/>
düster, zerstreut, schweifte mit seinen Augen in die Ferne lind sagte mir<lb/>
kurz, daß sich alle meine Angaben in Bezug auf Jvauas Tod bestätigt<lb/>
hätten. Und dann setzte er gesenkten Blickes hinzu, daß er seinen erlauchten<lb/>
Bundesgenossen, den Prinzen Mulei Muhamed, aufgefordert habe, seine Diener,<lb/>
welche eines Mordes dringend verdächtig seien, in Haft nehme» zu lasse». Es<lb/>
sei ihm »»möglich, Gewaltschritte gegen einen Fürsten zu unternehmen, der sich<lb/>
seinem Schutze vertraut habe, im Augenblicke ein länderloser Flüchtling und<lb/>
darum umsomehr der peinlichsten Rücksicht seines Gcistfreundcs würdig sei.<lb/>
Übrigens beruhe ein großer Teil seiner eignen Hoffnungen für entscheidende<lb/>
Siege in Afrika auf dem Bündnisse mit dem Marokkaner, und gegenüber den<lb/>
großen Sorgen für sein Reich könne die Sorge um Sühne für den Mord der<lb/>
kleinen Ziegenhirten doch kaum in Betracht kommen. Ihr könnt denken, was<lb/>
ich Seiner Majestät erwiederte, und ich muß es meinen Freunden und selbst dem<lb/>
Grafen Vimioso, der nicht mein Freund ist, nachrühmen, daß sie mir wacker bei¬<lb/>
gestanden haben. Diese« Morgen ließ mich der König abermals rufen und<lb/>
teilte mir mit, daß ihm Mnlei Muhamed einen Brief in arabischer Sprache</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0548] Lamoens. waren harte Tage, die über uns gekommen sind, ich hoffe, sie sind vorüber. Nach allem, was ich in Cintra erlebt, dachte ich mit Freuden hierher, wo ich Euch wußte, ein ungewohntes Gefühl nach so manchem Jahre, das ich völlig einsam verbracht habe. Wahrhaftig, ich ritt darauf los wie einer, der zu seinem jungen Weibe eilt, und ich denke, ich war fröhlicher als mancher Ehemann, trotz allem! Trotz allem, Manuel? fragte Ccunoens, den die herzliche Weise, mir der ihn Barreto begrüßte, aus dem dumpfen, willenlosen Hinbrüten erweckt hatte. Habt Ihr wirklich in allen diesen Tagen nicht zu König Sebastian durchdringen können? Zu ihm wohl, Freund Luis, uicht bei ihm! versetzte der Hausherr mit trübem Lächeln. Ich stand dreimal vor dem König; mit nur haben die Brüder Evora, selbst Graf Vimioso, der Großkämmerer, ihn beschworen, Gerechtigkeit zu üben und die mutmaßlichsten — was sage ich mutmaßlichen! — die gewissen Mörder Jocmas ergreifen zu lassen. Im Eifer der ersten Untersuchung verriet Dom Sebastian, daß auch gegen Esmah Catarina bereits zwei Mordversuche unternommen worden sind. Ich wußte es bereits von der Herzogin von Braganza, welche die junge Maurin treulich hütet und sie doch lieber heute als morgen aus dem Palaste hinwegsenden möchte. Der König schwur, daß er Esmah zu schützen, Jocma zu rächen wissen werde, und dann hielt er inne und — beschied mich auf den folgenden Tag, weil er den Fall doch erst mit seinen Räten be¬ sprechen müsse. Seine Räte sind der Prior von Belem und Frech Rafael, der nach Dom Joaos Augenwinken des Königs Gewissen lenkt. Da wußte ich bereits, wie er sich fassen würde, und betrat am zweiten Tage des Königs Empfangssaal schon ohne große Hoffnungen. Dom Sebastian war dann düster, zerstreut, schweifte mit seinen Augen in die Ferne lind sagte mir kurz, daß sich alle meine Angaben in Bezug auf Jvauas Tod bestätigt hätten. Und dann setzte er gesenkten Blickes hinzu, daß er seinen erlauchten Bundesgenossen, den Prinzen Mulei Muhamed, aufgefordert habe, seine Diener, welche eines Mordes dringend verdächtig seien, in Haft nehme» zu lasse». Es sei ihm »»möglich, Gewaltschritte gegen einen Fürsten zu unternehmen, der sich seinem Schutze vertraut habe, im Augenblicke ein länderloser Flüchtling und darum umsomehr der peinlichsten Rücksicht seines Gcistfreundcs würdig sei. Übrigens beruhe ein großer Teil seiner eignen Hoffnungen für entscheidende Siege in Afrika auf dem Bündnisse mit dem Marokkaner, und gegenüber den großen Sorgen für sein Reich könne die Sorge um Sühne für den Mord der kleinen Ziegenhirten doch kaum in Betracht kommen. Ihr könnt denken, was ich Seiner Majestät erwiederte, und ich muß es meinen Freunden und selbst dem Grafen Vimioso, der nicht mein Freund ist, nachrühmen, daß sie mir wacker bei¬ gestanden haben. Diese« Morgen ließ mich der König abermals rufen und teilte mir mit, daß ihm Mnlei Muhamed einen Brief in arabischer Sprache

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/548
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/548>, abgerufen am 28.12.2024.