Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Bauwerke im deutschen Grdenslande. Turm, Über den Um- oder Neubau, der im Jahre 1393 erfolgte, sind wir Einer andern Entwicklungsstufe der Ordensbaukunst gehört die Jakobs- Grmzbowl II. 183". 67
Bauwerke im deutschen Grdenslande. Turm, Über den Um- oder Neubau, der im Jahre 1393 erfolgte, sind wir Einer andern Entwicklungsstufe der Ordensbaukunst gehört die Jakobs- Grmzbowl II. 183». 67
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0537" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198603"/> <fw type="header" place="top"> Bauwerke im deutschen Grdenslande.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1540" prev="#ID_1539"> Turm, Über den Um- oder Neubau, der im Jahre 1393 erfolgte, sind wir<lb/> zum Glück durch eine von Steinbrecht wörtlich mitgeteilte Urkunde ausführlich<lb/> unterrichtet, und auch hier decken sich wieder in erfreulichster Weise die bau-<lb/> technischeu Untersuchungen mit der schriftlichen Überlieferung, 1603—1604 ward<lb/> das Rathaus durch den kunstsinnigen Bürgermeister Strvbcmd mit Giebeln u. a,<lb/> geschmückt, hundert Jahr später aber bei der schwedischen Belagerung auf das<lb/> schlimmste verwüstet. Wie das Äußere, so ist auch die innere Raumverteilung,<lb/> wie überhaupt die gesamte Anlage der höchsten Bewunderung wert. Hier ver¬<lb/> einigte sich in der That das gesamte städtische Leben; in den Kellern befanden<lb/> sich Lagerräume der Grvßkanflente, im Erdgeschoß die Verkaufshallen sämtlicher<lb/> Handwerker mit Ausnahme der Fleischer, dazu des Platzmeisters Stube, die<lb/> Gerichtsstube und die Ratsstnbe und in den obern Stockwerken die übrigen<lb/> Amtszimmer, sowie die großen Festräume, in denen auch die Familienfeste der<lb/> wohlhabenden Bürger gefeiert wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1541" next="#ID_1542"> Einer andern Entwicklungsstufe der Ordensbaukunst gehört die Jakobs-<lb/> kirche an, welche in der Baugeschichte des ganzen Ordenslandes von äußerster<lb/> Wichtigkeit ist und den Höhepunkt vertritt, welchen der Backsteinbau dort er¬<lb/> reichte. Laut Inschrift wurde der Chor 1309 begonnen und bald beendet;<lb/> uach einer kurzen Unterbrechung wurden sodann die übrigen Teile der Kirche<lb/> aufgeführt. Der Bau des Chors ist von der größten technischen Vollendung,<lb/> Abgesehen von mancherlei interessanten Kunststücken, wie z. B. auf der Nord¬<lb/> seite dem Abfangen eines Strebepfeilers durch einen Strebebogen zu Gunsten<lb/> der Sakristei, oder der im Innern sinnreich hervorgebrachten Täuschung, als<lb/> sei der geradlinige Chornbschluß ein pvlygvuer, erregt das frühzeitige Vor-<lb/> kommen des Sterngewölbes unser besondres Interesse. Quast kannte als ältestes<lb/> Sterngewölbe nur das in der I.iuly eiiapol zu Lichfeld (1296—1321) und<lb/> für Deutschland das in der Briefkapelle von Lübeck (1310), und stützte hierauf<lb/> in seiner berühmten Abhandlung über das Alter der Marienburg (Neue Preu¬<lb/> ßische Provinzialblätter, Bd, XI) ein gutes Teil seiner gesamten Beweisführung.<lb/> Das sinkt nun in sich zusammen, und es wird zugleich wahrscheinlich Deutsch¬<lb/> land der Ruhm der Erfindung des Sterngewölbes gesichert. Schon im Mittel-<lb/> jvch des Chors der etwa 1255 erbauten Thvrner Johanniskirche findet man,<lb/> wie Steinbrecht ausführt, ein Sterngewölbe; ferner enthalten der Chor der<lb/> Schloßkapelle zu Lvchstedt (um 1275) und die Burg zu Nester (um 1300) in<lb/> der Kapelle und im Kapitelsaal .reiche Sterngewölbe, Auch für den Kapitelsaal<lb/> der Marienburg von 1309 lassen sie sich nachweisen, „Man darf — sagt Stein¬<lb/> brecht mit Recht — der selbstbewußt schaffenden Ordensbaukunst eine solche<lb/> schöpferische Kraft schou zutrauen." Interessant wäre es, zu wissen, ob sich bei<lb/> den vorgenannten Gewölben eine fortschreitende Entwicklung beobachten läßt.<lb/> Besonders wirkungsvoll ist an der Jakobskirche die prächtig durchgeführte Farben-<lb/> Wirkung, sowie der auf das reichste ausgestattete Ostgiebel, einer der schönsten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grmzbowl II. 183». 67</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0537]
Bauwerke im deutschen Grdenslande.
Turm, Über den Um- oder Neubau, der im Jahre 1393 erfolgte, sind wir
zum Glück durch eine von Steinbrecht wörtlich mitgeteilte Urkunde ausführlich
unterrichtet, und auch hier decken sich wieder in erfreulichster Weise die bau-
technischeu Untersuchungen mit der schriftlichen Überlieferung, 1603—1604 ward
das Rathaus durch den kunstsinnigen Bürgermeister Strvbcmd mit Giebeln u. a,
geschmückt, hundert Jahr später aber bei der schwedischen Belagerung auf das
schlimmste verwüstet. Wie das Äußere, so ist auch die innere Raumverteilung,
wie überhaupt die gesamte Anlage der höchsten Bewunderung wert. Hier ver¬
einigte sich in der That das gesamte städtische Leben; in den Kellern befanden
sich Lagerräume der Grvßkanflente, im Erdgeschoß die Verkaufshallen sämtlicher
Handwerker mit Ausnahme der Fleischer, dazu des Platzmeisters Stube, die
Gerichtsstube und die Ratsstnbe und in den obern Stockwerken die übrigen
Amtszimmer, sowie die großen Festräume, in denen auch die Familienfeste der
wohlhabenden Bürger gefeiert wurden.
Einer andern Entwicklungsstufe der Ordensbaukunst gehört die Jakobs-
kirche an, welche in der Baugeschichte des ganzen Ordenslandes von äußerster
Wichtigkeit ist und den Höhepunkt vertritt, welchen der Backsteinbau dort er¬
reichte. Laut Inschrift wurde der Chor 1309 begonnen und bald beendet;
uach einer kurzen Unterbrechung wurden sodann die übrigen Teile der Kirche
aufgeführt. Der Bau des Chors ist von der größten technischen Vollendung,
Abgesehen von mancherlei interessanten Kunststücken, wie z. B. auf der Nord¬
seite dem Abfangen eines Strebepfeilers durch einen Strebebogen zu Gunsten
der Sakristei, oder der im Innern sinnreich hervorgebrachten Täuschung, als
sei der geradlinige Chornbschluß ein pvlygvuer, erregt das frühzeitige Vor-
kommen des Sterngewölbes unser besondres Interesse. Quast kannte als ältestes
Sterngewölbe nur das in der I.iuly eiiapol zu Lichfeld (1296—1321) und
für Deutschland das in der Briefkapelle von Lübeck (1310), und stützte hierauf
in seiner berühmten Abhandlung über das Alter der Marienburg (Neue Preu¬
ßische Provinzialblätter, Bd, XI) ein gutes Teil seiner gesamten Beweisführung.
Das sinkt nun in sich zusammen, und es wird zugleich wahrscheinlich Deutsch¬
land der Ruhm der Erfindung des Sterngewölbes gesichert. Schon im Mittel-
jvch des Chors der etwa 1255 erbauten Thvrner Johanniskirche findet man,
wie Steinbrecht ausführt, ein Sterngewölbe; ferner enthalten der Chor der
Schloßkapelle zu Lvchstedt (um 1275) und die Burg zu Nester (um 1300) in
der Kapelle und im Kapitelsaal .reiche Sterngewölbe, Auch für den Kapitelsaal
der Marienburg von 1309 lassen sie sich nachweisen, „Man darf — sagt Stein¬
brecht mit Recht — der selbstbewußt schaffenden Ordensbaukunst eine solche
schöpferische Kraft schou zutrauen." Interessant wäre es, zu wissen, ob sich bei
den vorgenannten Gewölben eine fortschreitende Entwicklung beobachten läßt.
Besonders wirkungsvoll ist an der Jakobskirche die prächtig durchgeführte Farben-
Wirkung, sowie der auf das reichste ausgestattete Ostgiebel, einer der schönsten
Grmzbowl II. 183». 67
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |