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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Bauwerke im deutschen Grdenslando.

und der zu der vorliegenden Arbeit durch die von der Berliner Technischen
Hochschule ans Grund der Bvissonnet-Stiftung gestellte Preisaufgabe über die
Bauten des deutschen Ritterordens in Ost- und Westpreußen angeregt wurde.
Bisher war es herzlich wenig, was wir über die preußischen Ordensbauten
wußten, und es muß das umsomehr Wunder nehmen, als jeder, der, wie
beispielsweise der Berichterstatter, fremd uach Westpreußen kommt, aufs mäch¬
tigste von den gewaltigen, stolzen Baute" ergriffen wird. Zwar hatte sich in
den Jahren nach den Freiheitskriegen aus Anlaß und im Zusammenhange mit
der Wiederherstellung des Mittelschlvsses der Marienburg ein lebhafteres lite¬
rarisches Interesse für diese Bauten kundgegeben, zwar hatte der unvergeßliche
Ouast auch hier in hervorragender Weise gewirkt, zwar hat vor wenig Jahren
Topper einige vortreffliche Untersuchungen veröffentlicht, aber um eine um¬
fassende, streng historischer wie bautechnischcr Methode entsprechende Bearbeitung
der ganzen Geschichte der Ordensbaulnnst war bisher noch niemand gegangen.
In dem vorliegenden, aufs beste und reichste ausgestatteten Werke scheint uns
nun endlich das lange vermißte geboten werden zu sollen. Der erste Band be¬
schäftigt sich ausschließlich mit Thorn. Der Grund ist der, daß hier die Er¬
gebnisse bantechnischer und urkundlicher Forschung sich so vollständig decken,
wie selten; es traf sich glücklich, daß gerade damals, als Steinbrecht seine
Aufnahmen in Thorn machte, die Neuordnung des städtischen, sehr wertvollen
Archivs durch Dr. Kestner erfolgte und beide nun Hand in Hand arbeiten
konnten. Es ist hierdurch eine ausnehmend sichere Grundlage gewonnen worden,
und da uach Steinbrcchts Versicherung die an den Ordensbauten vorkommenden
Bauformen sich in dieser oder jeuer Weise sämtlich auch in Thorn finden, so
mußte mit Recht diese Stadt als Ausgangspunkt genommen werden.

Die Ergebnisse find nur ganz überraschend. Bekanntlich war Thorn die
erste Niederlassung der Ordensritter im deutschen Osten (1231); von hier ans
drangen sie in heftigen Kämpfen bald weiter in das Land und machten sich
allmählich u. a. das ganze Gebiet, das wir heute als die Provinzen Ost- und
Westpreußen bezeichnen, zu eigen. Sie hoben dasselbe dnrch eine beispiellose
Uneigennützigkeit und Hingebung, durch die Ansiedelung zahlreicher deutscher
Bürger und Bauern, durch Gründung von Städten und Dörfern, durch An¬
legung von Wasserbauten aller Art in kurzer Zeit auf eine ungeahnte Kultur¬
stufe und erreichten unter Winrich von Kniprode in der Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Macht. Man meinte nun bisher ^- nament¬
lich wurde diese Ansicht von Quast aufs entschiedenste verfochten --, daß die herr¬
lichen, stolzen Bauten, auf welche wir uoch heute voll Bewunderung blicken,
unmöglich in den Zeiten der ernsten, schweren Kämpfe, sondern erst zur Zeit
der höchste" Blüte und des höchsten Glanzes entstanden sein könnten. Dies
kann nach Töppens und Stciubrechts Forschungen nicht länger aufrecht erhalten
werden. Thorn empfing Stadtrecht im Jahre 1231 und unmittelbar darauf


Bauwerke im deutschen Grdenslando.

und der zu der vorliegenden Arbeit durch die von der Berliner Technischen
Hochschule ans Grund der Bvissonnet-Stiftung gestellte Preisaufgabe über die
Bauten des deutschen Ritterordens in Ost- und Westpreußen angeregt wurde.
Bisher war es herzlich wenig, was wir über die preußischen Ordensbauten
wußten, und es muß das umsomehr Wunder nehmen, als jeder, der, wie
beispielsweise der Berichterstatter, fremd uach Westpreußen kommt, aufs mäch¬
tigste von den gewaltigen, stolzen Baute» ergriffen wird. Zwar hatte sich in
den Jahren nach den Freiheitskriegen aus Anlaß und im Zusammenhange mit
der Wiederherstellung des Mittelschlvsses der Marienburg ein lebhafteres lite¬
rarisches Interesse für diese Bauten kundgegeben, zwar hatte der unvergeßliche
Ouast auch hier in hervorragender Weise gewirkt, zwar hat vor wenig Jahren
Topper einige vortreffliche Untersuchungen veröffentlicht, aber um eine um¬
fassende, streng historischer wie bautechnischcr Methode entsprechende Bearbeitung
der ganzen Geschichte der Ordensbaulnnst war bisher noch niemand gegangen.
In dem vorliegenden, aufs beste und reichste ausgestatteten Werke scheint uns
nun endlich das lange vermißte geboten werden zu sollen. Der erste Band be¬
schäftigt sich ausschließlich mit Thorn. Der Grund ist der, daß hier die Er¬
gebnisse bantechnischer und urkundlicher Forschung sich so vollständig decken,
wie selten; es traf sich glücklich, daß gerade damals, als Steinbrecht seine
Aufnahmen in Thorn machte, die Neuordnung des städtischen, sehr wertvollen
Archivs durch Dr. Kestner erfolgte und beide nun Hand in Hand arbeiten
konnten. Es ist hierdurch eine ausnehmend sichere Grundlage gewonnen worden,
und da uach Steinbrcchts Versicherung die an den Ordensbauten vorkommenden
Bauformen sich in dieser oder jeuer Weise sämtlich auch in Thorn finden, so
mußte mit Recht diese Stadt als Ausgangspunkt genommen werden.

Die Ergebnisse find nur ganz überraschend. Bekanntlich war Thorn die
erste Niederlassung der Ordensritter im deutschen Osten (1231); von hier ans
drangen sie in heftigen Kämpfen bald weiter in das Land und machten sich
allmählich u. a. das ganze Gebiet, das wir heute als die Provinzen Ost- und
Westpreußen bezeichnen, zu eigen. Sie hoben dasselbe dnrch eine beispiellose
Uneigennützigkeit und Hingebung, durch die Ansiedelung zahlreicher deutscher
Bürger und Bauern, durch Gründung von Städten und Dörfern, durch An¬
legung von Wasserbauten aller Art in kurzer Zeit auf eine ungeahnte Kultur¬
stufe und erreichten unter Winrich von Kniprode in der Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Macht. Man meinte nun bisher ^- nament¬
lich wurde diese Ansicht von Quast aufs entschiedenste verfochten —, daß die herr¬
lichen, stolzen Bauten, auf welche wir uoch heute voll Bewunderung blicken,
unmöglich in den Zeiten der ernsten, schweren Kämpfe, sondern erst zur Zeit
der höchste» Blüte und des höchsten Glanzes entstanden sein könnten. Dies
kann nach Töppens und Stciubrechts Forschungen nicht länger aufrecht erhalten
werden. Thorn empfing Stadtrecht im Jahre 1231 und unmittelbar darauf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/535>, abgerufen am 02.10.2024.