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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

und Schwere der Luft und hatte jetzt nur den einen Gedanken, ins Freie hinaus¬
zukommen. Beim Licht der nächsten Blitze bemerkte sie, daß die Felswände
bereits zurücktraten, die Straße breiter ward und der Laubwald an sanftern
Abhängen emporstieg. Das Gewitter grollte noch immer nur von ferne, aber
die Blitze folgten sich häufiger, der Donner klang rascher hinter ihnen drein,
Catarina sah, daß auf dem Hute des Königs bereits die ersten schweren Tropfen
lagen. Wo sich der Blick nach Westen aufthat, rauschte der Regen wie eine
fließende Wand nieder, und ungeheure Wolkenballen wälzten sich den Reitern
entgegen.

Es ist noch eine Stunde bis Ciutra, bemerkte der König. Ihr hättet auch
für Euch besser gethan, Donna Catarina, meinen Vorschlag anzunehmen. Ich
hätte Gelegenheit gefunden, Euch noch so vieles zu sagen! Nun der Tag so
früh und so unhold zu Ende geht, ist mir, als ob er nicht gewesen wäre. Ich
habe wieder einmal die Gunst der Stunde verscherzt! Und Casalinho galoppirt,
als jagte er mit den Wolken um die Wette.

Der Jägermeister, der von Zeit zu Zeit mahnend nach Dom Sebastian
und seiner schönen Begleiterin zurückschallte, hatte guten Grund zur drängendsten
Eile. Die Laubkronen des dichten, weitgedehnten Waldes wogten wie ein sturm-
gepeitschtes Meer, längs der Straße hin klang das Gekrach brechender und
splitternder Äste, und nnn stürzten auch die Wolken, die ihnen zu Häupten
standen, in wilden Güssen herab. Der cmftreffeude Platzregen, der durchs Laub
rauschte, verschlang noch anhaltender als der Donner den Klang der Worte.
Der König fuhr fort zu Catarina zu sprechen, ohne daß sie von seiner Rede
mehr verstand, als daß er sie zu ermutigen suchte. Er selbst schien der Wut
des Wetters kalten Gleichmut entgegenzusetzen, aber er sah bedauernd und be¬
wundernd zugleich auf die schöne Gestalt an seiner Seite. Catarinas leichte
Gewänder schmiegten sich regennaß immermehr an den schlanken Leib an, die
Locken ihres Haares lösten sich unter dem vom Hute hcrabtraufenden Wasser,
sie mußte alle ihre Kraft aufbieten, um sich im Sattel zu halten. Von Minute
zu Minute riß ein zackiger Blitz den schweren Dunstvorhang entzwei, hinter
dem das Land in Feuer zu stehen schien, dann wurde es wieder halbe Nacht
um die Reiter, sodaß sie nicht vor und nicht hinter sich zu sehen vermochten.
Catarina Palmeirim senkte mit einem klagenden Ruf ihr Auge tiefer und blickte
auf den Weg, über den rasch entstandne Wildbäche hinrauschte". Der König
beugte sich so zu ihr hin, daß sein Ohr ihrem Munde nahe kam. Mit bebenden
Lippen sagte sie: Die Welt scheint mir verwandelt, Herr, mir ist, als würden
wir Cintra niemals wiedererblicken!

Wir können nicht mehr weit davon sein! rief der König. Mir scheint die
Welt auch verwandelt, immer und immer, wenn ich an Eurer Seite bin! Mir
ist, als wüßtet Ihr von meinem Leben, von dem ich nichts weiß, und bei jeder
Pfeilwunde meines Schutzpatrons! ich will dies Leben kennen lernen!


Lamoens.

und Schwere der Luft und hatte jetzt nur den einen Gedanken, ins Freie hinaus¬
zukommen. Beim Licht der nächsten Blitze bemerkte sie, daß die Felswände
bereits zurücktraten, die Straße breiter ward und der Laubwald an sanftern
Abhängen emporstieg. Das Gewitter grollte noch immer nur von ferne, aber
die Blitze folgten sich häufiger, der Donner klang rascher hinter ihnen drein,
Catarina sah, daß auf dem Hute des Königs bereits die ersten schweren Tropfen
lagen. Wo sich der Blick nach Westen aufthat, rauschte der Regen wie eine
fließende Wand nieder, und ungeheure Wolkenballen wälzten sich den Reitern
entgegen.

Es ist noch eine Stunde bis Ciutra, bemerkte der König. Ihr hättet auch
für Euch besser gethan, Donna Catarina, meinen Vorschlag anzunehmen. Ich
hätte Gelegenheit gefunden, Euch noch so vieles zu sagen! Nun der Tag so
früh und so unhold zu Ende geht, ist mir, als ob er nicht gewesen wäre. Ich
habe wieder einmal die Gunst der Stunde verscherzt! Und Casalinho galoppirt,
als jagte er mit den Wolken um die Wette.

Der Jägermeister, der von Zeit zu Zeit mahnend nach Dom Sebastian
und seiner schönen Begleiterin zurückschallte, hatte guten Grund zur drängendsten
Eile. Die Laubkronen des dichten, weitgedehnten Waldes wogten wie ein sturm-
gepeitschtes Meer, längs der Straße hin klang das Gekrach brechender und
splitternder Äste, und nnn stürzten auch die Wolken, die ihnen zu Häupten
standen, in wilden Güssen herab. Der cmftreffeude Platzregen, der durchs Laub
rauschte, verschlang noch anhaltender als der Donner den Klang der Worte.
Der König fuhr fort zu Catarina zu sprechen, ohne daß sie von seiner Rede
mehr verstand, als daß er sie zu ermutigen suchte. Er selbst schien der Wut
des Wetters kalten Gleichmut entgegenzusetzen, aber er sah bedauernd und be¬
wundernd zugleich auf die schöne Gestalt an seiner Seite. Catarinas leichte
Gewänder schmiegten sich regennaß immermehr an den schlanken Leib an, die
Locken ihres Haares lösten sich unter dem vom Hute hcrabtraufenden Wasser,
sie mußte alle ihre Kraft aufbieten, um sich im Sattel zu halten. Von Minute
zu Minute riß ein zackiger Blitz den schweren Dunstvorhang entzwei, hinter
dem das Land in Feuer zu stehen schien, dann wurde es wieder halbe Nacht
um die Reiter, sodaß sie nicht vor und nicht hinter sich zu sehen vermochten.
Catarina Palmeirim senkte mit einem klagenden Ruf ihr Auge tiefer und blickte
auf den Weg, über den rasch entstandne Wildbäche hinrauschte». Der König
beugte sich so zu ihr hin, daß sein Ohr ihrem Munde nahe kam. Mit bebenden
Lippen sagte sie: Die Welt scheint mir verwandelt, Herr, mir ist, als würden
wir Cintra niemals wiedererblicken!

Wir können nicht mehr weit davon sein! rief der König. Mir scheint die
Welt auch verwandelt, immer und immer, wenn ich an Eurer Seite bin! Mir
ist, als wüßtet Ihr von meinem Leben, von dem ich nichts weiß, und bei jeder
Pfeilwunde meines Schutzpatrons! ich will dies Leben kennen lernen!


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[0050] Lamoens. und Schwere der Luft und hatte jetzt nur den einen Gedanken, ins Freie hinaus¬ zukommen. Beim Licht der nächsten Blitze bemerkte sie, daß die Felswände bereits zurücktraten, die Straße breiter ward und der Laubwald an sanftern Abhängen emporstieg. Das Gewitter grollte noch immer nur von ferne, aber die Blitze folgten sich häufiger, der Donner klang rascher hinter ihnen drein, Catarina sah, daß auf dem Hute des Königs bereits die ersten schweren Tropfen lagen. Wo sich der Blick nach Westen aufthat, rauschte der Regen wie eine fließende Wand nieder, und ungeheure Wolkenballen wälzten sich den Reitern entgegen. Es ist noch eine Stunde bis Ciutra, bemerkte der König. Ihr hättet auch für Euch besser gethan, Donna Catarina, meinen Vorschlag anzunehmen. Ich hätte Gelegenheit gefunden, Euch noch so vieles zu sagen! Nun der Tag so früh und so unhold zu Ende geht, ist mir, als ob er nicht gewesen wäre. Ich habe wieder einmal die Gunst der Stunde verscherzt! Und Casalinho galoppirt, als jagte er mit den Wolken um die Wette. Der Jägermeister, der von Zeit zu Zeit mahnend nach Dom Sebastian und seiner schönen Begleiterin zurückschallte, hatte guten Grund zur drängendsten Eile. Die Laubkronen des dichten, weitgedehnten Waldes wogten wie ein sturm- gepeitschtes Meer, längs der Straße hin klang das Gekrach brechender und splitternder Äste, und nnn stürzten auch die Wolken, die ihnen zu Häupten standen, in wilden Güssen herab. Der cmftreffeude Platzregen, der durchs Laub rauschte, verschlang noch anhaltender als der Donner den Klang der Worte. Der König fuhr fort zu Catarina zu sprechen, ohne daß sie von seiner Rede mehr verstand, als daß er sie zu ermutigen suchte. Er selbst schien der Wut des Wetters kalten Gleichmut entgegenzusetzen, aber er sah bedauernd und be¬ wundernd zugleich auf die schöne Gestalt an seiner Seite. Catarinas leichte Gewänder schmiegten sich regennaß immermehr an den schlanken Leib an, die Locken ihres Haares lösten sich unter dem vom Hute hcrabtraufenden Wasser, sie mußte alle ihre Kraft aufbieten, um sich im Sattel zu halten. Von Minute zu Minute riß ein zackiger Blitz den schweren Dunstvorhang entzwei, hinter dem das Land in Feuer zu stehen schien, dann wurde es wieder halbe Nacht um die Reiter, sodaß sie nicht vor und nicht hinter sich zu sehen vermochten. Catarina Palmeirim senkte mit einem klagenden Ruf ihr Auge tiefer und blickte auf den Weg, über den rasch entstandne Wildbäche hinrauschte». Der König beugte sich so zu ihr hin, daß sein Ohr ihrem Munde nahe kam. Mit bebenden Lippen sagte sie: Die Welt scheint mir verwandelt, Herr, mir ist, als würden wir Cintra niemals wiedererblicken! Wir können nicht mehr weit davon sein! rief der König. Mir scheint die Welt auch verwandelt, immer und immer, wenn ich an Eurer Seite bin! Mir ist, als wüßtet Ihr von meinem Leben, von dem ich nichts weiß, und bei jeder Pfeilwunde meines Schutzpatrons! ich will dies Leben kennen lernen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/50>, abgerufen am 28.12.2024.