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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Frankreich und die Orleans,

lasse", immer die ersten zu sein, wenn es gälte, die Republik vor Gegnern zu
verteidigen, und über die Opportunisten berichtete die I^ut-Sme; -- wie es scheint,
uicht ganz ohne Grund --, lange Zeit habe die Negierung nichts von einer
Verschwörung der Orlecmisten sehen wollen, nach der Hofspielerei vom 15. Mai
jedoch und nach der Sprache, welche die monarchisch-klerikalen Organe seitdem
führten, sei nicht mehr daran zu zweifeln, daß der Graf von Paris in der
Rolle eines Thronprätendenten auftrete. Infolge dessen hätten die Opportu¬
nisten sich entschlossen, die Regierung in der Kammer über die Sache zu inter-
Pclliren. Sie verfolgten damit zwei Absichten: Hebung ihres gesunkenen An¬
sehens und einen Schlag gegen Freycinet, der sich wiederholt der Ausweisung
der Prinzen widersetzt habe, und der dies auch jetzt thun und darüber fallen
werde. Damit befänden sie sich indes im Irrtum, denn der Premierminister
wolle die Jnterpellation nicht abwarten, sondern ihr zuvorkommen, im Minister¬
rate ein Dekret, welches sofortige Ausweisung wenigstens einiger Prinzen ver¬
füge, vorlegen und daraufhin ein Vertrauensvotum von der Kammer erwarten.

Bis jetzt spielte das Stück mehr auf dem Gebiete der Presse, die viel auf
den Anschein giebt und zu übertreiben und aufzubauschen liebt. Zunächst machten
die monarchistischen Blätter aus dem 15. Mai wohl mehr, als er sein sollte.
Wie sie oft päpstlicher als der Papst sind, so waren sie jetzt wohl royalistischer
als ihr König w sxs. Sie benutzten ein Familienereignis, zu dem der Graf
von Paris freilich das ganze diplomatische Korps eingeladen hatte, dazu, nM
se oM zu verkünden, daß jener nur auf eine passende Gelegenheit warte, der
Republik ein Ende zu machen, und stellten den Empfang im Hotel Galliera
als eine Heerschau desselben über seine Getreuen dar. Jedes Wort der Ehr¬
erbietigkeit und Anhänglichkeit gegenüber dem Prinzen glaubten sie mit einer
Bedrohung und Schmähung der Republik begleiten zu dürfen. Eine mon¬
archische Regierung, die sich bei ähnlichen Angriffen von einer republikanischen
Partei uicht rührte, würde leicht für zu schwach dazu gehalten werden, und
so darf man sich eben nicht wundern, wenn das Verlangen lant wurde, die
orleauistischen Prinzen, für welche jene Presse das Wort führte, zu verbannen
und dadurch unschädlich zu machen, daß man ihr sehr bedeutendes Vermögen,
welches nach der Behauptung des Ministers des Innern Allain-TargL bei den
letzten Wahlen nicht ohne Einfluß gewesen wäre, mit Beschlag belegte. Die
republikanische Presse war, wie gesagt, in dieser Richtung thätig, "ut man
konnte mit Bestimmtheit annehmen, die gleichgesinnten Parteigruppen in der
Kammer würden desgleichen thun. Freycinet aber, so durfte man sich weiter
sagen, ist sicher noch nicht so weit, um an ein Ausweisungsdekret zu denken,
und noch weniger würde Grevy leicht ja dazu sagen, wenn man rücksichtslos
gegen die Prinzen verfahren wollte. Es ist sogar noch zweifelhaft ob die Re¬
gierung sich zu unverzüglicher Ausweisung des Grafen von Paris entschließen
wird. Sie wird vielmehr wahrscheinlich nur bei der Volksvertretung denn-


Frankreich und die Orleans,

lasse», immer die ersten zu sein, wenn es gälte, die Republik vor Gegnern zu
verteidigen, und über die Opportunisten berichtete die I^ut-Sme; — wie es scheint,
uicht ganz ohne Grund —, lange Zeit habe die Negierung nichts von einer
Verschwörung der Orlecmisten sehen wollen, nach der Hofspielerei vom 15. Mai
jedoch und nach der Sprache, welche die monarchisch-klerikalen Organe seitdem
führten, sei nicht mehr daran zu zweifeln, daß der Graf von Paris in der
Rolle eines Thronprätendenten auftrete. Infolge dessen hätten die Opportu¬
nisten sich entschlossen, die Regierung in der Kammer über die Sache zu inter-
Pclliren. Sie verfolgten damit zwei Absichten: Hebung ihres gesunkenen An¬
sehens und einen Schlag gegen Freycinet, der sich wiederholt der Ausweisung
der Prinzen widersetzt habe, und der dies auch jetzt thun und darüber fallen
werde. Damit befänden sie sich indes im Irrtum, denn der Premierminister
wolle die Jnterpellation nicht abwarten, sondern ihr zuvorkommen, im Minister¬
rate ein Dekret, welches sofortige Ausweisung wenigstens einiger Prinzen ver¬
füge, vorlegen und daraufhin ein Vertrauensvotum von der Kammer erwarten.

Bis jetzt spielte das Stück mehr auf dem Gebiete der Presse, die viel auf
den Anschein giebt und zu übertreiben und aufzubauschen liebt. Zunächst machten
die monarchistischen Blätter aus dem 15. Mai wohl mehr, als er sein sollte.
Wie sie oft päpstlicher als der Papst sind, so waren sie jetzt wohl royalistischer
als ihr König w sxs. Sie benutzten ein Familienereignis, zu dem der Graf
von Paris freilich das ganze diplomatische Korps eingeladen hatte, dazu, nM
se oM zu verkünden, daß jener nur auf eine passende Gelegenheit warte, der
Republik ein Ende zu machen, und stellten den Empfang im Hotel Galliera
als eine Heerschau desselben über seine Getreuen dar. Jedes Wort der Ehr¬
erbietigkeit und Anhänglichkeit gegenüber dem Prinzen glaubten sie mit einer
Bedrohung und Schmähung der Republik begleiten zu dürfen. Eine mon¬
archische Regierung, die sich bei ähnlichen Angriffen von einer republikanischen
Partei uicht rührte, würde leicht für zu schwach dazu gehalten werden, und
so darf man sich eben nicht wundern, wenn das Verlangen lant wurde, die
orleauistischen Prinzen, für welche jene Presse das Wort führte, zu verbannen
und dadurch unschädlich zu machen, daß man ihr sehr bedeutendes Vermögen,
welches nach der Behauptung des Ministers des Innern Allain-TargL bei den
letzten Wahlen nicht ohne Einfluß gewesen wäre, mit Beschlag belegte. Die
republikanische Presse war, wie gesagt, in dieser Richtung thätig, »ut man
konnte mit Bestimmtheit annehmen, die gleichgesinnten Parteigruppen in der
Kammer würden desgleichen thun. Freycinet aber, so durfte man sich weiter
sagen, ist sicher noch nicht so weit, um an ein Ausweisungsdekret zu denken,
und noch weniger würde Grevy leicht ja dazu sagen, wenn man rücksichtslos
gegen die Prinzen verfahren wollte. Es ist sogar noch zweifelhaft ob die Re¬
gierung sich zu unverzüglicher Ausweisung des Grafen von Paris entschließen
wird. Sie wird vielmehr wahrscheinlich nur bei der Volksvertretung denn-


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[0487] Frankreich und die Orleans, lasse», immer die ersten zu sein, wenn es gälte, die Republik vor Gegnern zu verteidigen, und über die Opportunisten berichtete die I^ut-Sme; — wie es scheint, uicht ganz ohne Grund —, lange Zeit habe die Negierung nichts von einer Verschwörung der Orlecmisten sehen wollen, nach der Hofspielerei vom 15. Mai jedoch und nach der Sprache, welche die monarchisch-klerikalen Organe seitdem führten, sei nicht mehr daran zu zweifeln, daß der Graf von Paris in der Rolle eines Thronprätendenten auftrete. Infolge dessen hätten die Opportu¬ nisten sich entschlossen, die Regierung in der Kammer über die Sache zu inter- Pclliren. Sie verfolgten damit zwei Absichten: Hebung ihres gesunkenen An¬ sehens und einen Schlag gegen Freycinet, der sich wiederholt der Ausweisung der Prinzen widersetzt habe, und der dies auch jetzt thun und darüber fallen werde. Damit befänden sie sich indes im Irrtum, denn der Premierminister wolle die Jnterpellation nicht abwarten, sondern ihr zuvorkommen, im Minister¬ rate ein Dekret, welches sofortige Ausweisung wenigstens einiger Prinzen ver¬ füge, vorlegen und daraufhin ein Vertrauensvotum von der Kammer erwarten. Bis jetzt spielte das Stück mehr auf dem Gebiete der Presse, die viel auf den Anschein giebt und zu übertreiben und aufzubauschen liebt. Zunächst machten die monarchistischen Blätter aus dem 15. Mai wohl mehr, als er sein sollte. Wie sie oft päpstlicher als der Papst sind, so waren sie jetzt wohl royalistischer als ihr König w sxs. Sie benutzten ein Familienereignis, zu dem der Graf von Paris freilich das ganze diplomatische Korps eingeladen hatte, dazu, nM se oM zu verkünden, daß jener nur auf eine passende Gelegenheit warte, der Republik ein Ende zu machen, und stellten den Empfang im Hotel Galliera als eine Heerschau desselben über seine Getreuen dar. Jedes Wort der Ehr¬ erbietigkeit und Anhänglichkeit gegenüber dem Prinzen glaubten sie mit einer Bedrohung und Schmähung der Republik begleiten zu dürfen. Eine mon¬ archische Regierung, die sich bei ähnlichen Angriffen von einer republikanischen Partei uicht rührte, würde leicht für zu schwach dazu gehalten werden, und so darf man sich eben nicht wundern, wenn das Verlangen lant wurde, die orleauistischen Prinzen, für welche jene Presse das Wort führte, zu verbannen und dadurch unschädlich zu machen, daß man ihr sehr bedeutendes Vermögen, welches nach der Behauptung des Ministers des Innern Allain-TargL bei den letzten Wahlen nicht ohne Einfluß gewesen wäre, mit Beschlag belegte. Die republikanische Presse war, wie gesagt, in dieser Richtung thätig, »ut man konnte mit Bestimmtheit annehmen, die gleichgesinnten Parteigruppen in der Kammer würden desgleichen thun. Freycinet aber, so durfte man sich weiter sagen, ist sicher noch nicht so weit, um an ein Ausweisungsdekret zu denken, und noch weniger würde Grevy leicht ja dazu sagen, wenn man rücksichtslos gegen die Prinzen verfahren wollte. Es ist sogar noch zweifelhaft ob die Re¬ gierung sich zu unverzüglicher Ausweisung des Grafen von Paris entschließen wird. Sie wird vielmehr wahrscheinlich nur bei der Volksvertretung denn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/487>, abgerufen am 24.07.2024.