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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.
R Adolf Stern, oman von
(Fortsetzung,)

er Reiterzug, dem die Gedanken der jungen Hirtin nachflogen,
hatte längst die Sohle der Waldschlucht erreicht, welche sich
westwärts vom Hochthal der Mutter aller Gnaden gegen Quin-
tinha hinzog und in die großen Forsten um Peua Verde aus¬
mündete. Dom Sebastian hatte, sobald die nachschauende
Gruppe aus den Augen schwand, die Zügel des Jagdpferdes seiner Begleiterin
fahren lassen. Nachdem er gewiß war, daß sein und Donna Katarinas Gefolge
in gehörigem Abstand hinter ihnen bleibe, ritt er langsamer. Aber weder der
König noch die junge Gräfin sprachen zunächst ein Wort, Dom Sebastian
kämpfte im Stillen noch mit dem Groll darüber, daß ein paar seiner Unter¬
thanen seinen Willen gekreuzt hatten und daß er um des Mädchens willen nach¬
gegeben hatte, welches jetzt stumm und fast scheu neben ihm ritt. Durch Katarinas
Seele wogten die Erlebnisse der letzten Tage und des heutigen Morgens und
trübten ihr die klare Sicherheit, mit der sie bis heute aller Welt und auch
dem Könige gegenüber gestanden hatte. Sie ahnte, daß ein Unausgesprochenes
zwischen ihr und dem König sei, und konnte zu dieser Stunde mir wünschen,
daß es unausgesprochen bleibe. Sie hatte Dom Sebastian heute anders ge¬
sehen als je zuvor und war zum erstenmale in seiner Gegenwart von Furcht
beschlichen worden. Und doch -- als er endlich sein Schweigen brach und mit
leisem Vorwürfe fragte, warum sie so stumm bleibe, und als er immer ein-
dringlicher zu ihr sprach, fühlte sie wieder den Zauber, der in seiner Stimme
lag. Er hatte ihr eine Felswand mit wenigen schroffen Vorsprüngen gezeigt
und ihr erzählt, daß er vor wenigen Wochen gewagt habe diese zu erklimmen,
in der Hoffnung junge Falken aus dem hochhängeuden Neste zu rauben, die
er ihr zu bringen beabsichtigt habe. Als Catalina nur leise erwiederte, sie
könne nicht wünschen, daß der König sich um ihretwillen in Gefahr setze, lächelte




Camoens.
R Adolf Stern, oman von
(Fortsetzung,)

er Reiterzug, dem die Gedanken der jungen Hirtin nachflogen,
hatte längst die Sohle der Waldschlucht erreicht, welche sich
westwärts vom Hochthal der Mutter aller Gnaden gegen Quin-
tinha hinzog und in die großen Forsten um Peua Verde aus¬
mündete. Dom Sebastian hatte, sobald die nachschauende
Gruppe aus den Augen schwand, die Zügel des Jagdpferdes seiner Begleiterin
fahren lassen. Nachdem er gewiß war, daß sein und Donna Katarinas Gefolge
in gehörigem Abstand hinter ihnen bleibe, ritt er langsamer. Aber weder der
König noch die junge Gräfin sprachen zunächst ein Wort, Dom Sebastian
kämpfte im Stillen noch mit dem Groll darüber, daß ein paar seiner Unter¬
thanen seinen Willen gekreuzt hatten und daß er um des Mädchens willen nach¬
gegeben hatte, welches jetzt stumm und fast scheu neben ihm ritt. Durch Katarinas
Seele wogten die Erlebnisse der letzten Tage und des heutigen Morgens und
trübten ihr die klare Sicherheit, mit der sie bis heute aller Welt und auch
dem Könige gegenüber gestanden hatte. Sie ahnte, daß ein Unausgesprochenes
zwischen ihr und dem König sei, und konnte zu dieser Stunde mir wünschen,
daß es unausgesprochen bleibe. Sie hatte Dom Sebastian heute anders ge¬
sehen als je zuvor und war zum erstenmale in seiner Gegenwart von Furcht
beschlichen worden. Und doch — als er endlich sein Schweigen brach und mit
leisem Vorwürfe fragte, warum sie so stumm bleibe, und als er immer ein-
dringlicher zu ihr sprach, fühlte sie wieder den Zauber, der in seiner Stimme
lag. Er hatte ihr eine Felswand mit wenigen schroffen Vorsprüngen gezeigt
und ihr erzählt, daß er vor wenigen Wochen gewagt habe diese zu erklimmen,
in der Hoffnung junge Falken aus dem hochhängeuden Neste zu rauben, die
er ihr zu bringen beabsichtigt habe. Als Catalina nur leise erwiederte, sie
könne nicht wünschen, daß der König sich um ihretwillen in Gefahr setze, lächelte


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[0045] [Abbildung] Camoens. R Adolf Stern, oman von (Fortsetzung,) er Reiterzug, dem die Gedanken der jungen Hirtin nachflogen, hatte längst die Sohle der Waldschlucht erreicht, welche sich westwärts vom Hochthal der Mutter aller Gnaden gegen Quin- tinha hinzog und in die großen Forsten um Peua Verde aus¬ mündete. Dom Sebastian hatte, sobald die nachschauende Gruppe aus den Augen schwand, die Zügel des Jagdpferdes seiner Begleiterin fahren lassen. Nachdem er gewiß war, daß sein und Donna Katarinas Gefolge in gehörigem Abstand hinter ihnen bleibe, ritt er langsamer. Aber weder der König noch die junge Gräfin sprachen zunächst ein Wort, Dom Sebastian kämpfte im Stillen noch mit dem Groll darüber, daß ein paar seiner Unter¬ thanen seinen Willen gekreuzt hatten und daß er um des Mädchens willen nach¬ gegeben hatte, welches jetzt stumm und fast scheu neben ihm ritt. Durch Katarinas Seele wogten die Erlebnisse der letzten Tage und des heutigen Morgens und trübten ihr die klare Sicherheit, mit der sie bis heute aller Welt und auch dem Könige gegenüber gestanden hatte. Sie ahnte, daß ein Unausgesprochenes zwischen ihr und dem König sei, und konnte zu dieser Stunde mir wünschen, daß es unausgesprochen bleibe. Sie hatte Dom Sebastian heute anders ge¬ sehen als je zuvor und war zum erstenmale in seiner Gegenwart von Furcht beschlichen worden. Und doch — als er endlich sein Schweigen brach und mit leisem Vorwürfe fragte, warum sie so stumm bleibe, und als er immer ein- dringlicher zu ihr sprach, fühlte sie wieder den Zauber, der in seiner Stimme lag. Er hatte ihr eine Felswand mit wenigen schroffen Vorsprüngen gezeigt und ihr erzählt, daß er vor wenigen Wochen gewagt habe diese zu erklimmen, in der Hoffnung junge Falken aus dem hochhängeuden Neste zu rauben, die er ihr zu bringen beabsichtigt habe. Als Catalina nur leise erwiederte, sie könne nicht wünschen, daß der König sich um ihretwillen in Gefahr setze, lächelte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/45>, abgerufen am 24.07.2024.