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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.

freiung Anteil genommen haben, mögen auf der Hut fein. Wir aber sollten
die schutzbedürftiger Frauen keine Stunde außer Augen lassen.

Wollt Ihr Euer Versprechen zurücknehmen, Luis, mit dem frühesten
Morgen nach meinem Gute heimzukehren? fragte Barreto in bekümmerten Tone.
Ich kaun mir vorstellen, daß sich Euer Herz dagegen empört; doch wenn mein
Rat Euch noch gilt, so geht gewiß nach Almocegema. Hier weht eine Luft,
die keinem gedeihlich ist, geschweige denn Euch, Luis.

Jetzt hatte Manuel doch dem jüngern Freunde sein Gesicht ganz zuge¬
wendet, Camoens konnte in demselben wieder einmal den Ausdruck warmer,
selbstloser Teilnahme und ehrlichen Baugens erblicken. Überwältigt vom Augen¬
blicke entgegnete er rasch: Wenn Ihr selbst, von der Herzogin zurückkehrend,
noch der Meinung sein werdet, daß wir hier überflüssig sind, so bleibt es bei
unsrer Abrede, ich halte schon morgen wieder unter König Diniz' Baum Siesta.

Er verschwieg, daß er noch immer insgeheim auf diesen Abend, ans ein
Begebnis, ein Schicksal harre. Doch sah er deutlich, daß auf Barretos Lippen
ein Wort lag, welches ungesprochen blieb, und erriet, daß der Freund vor eben
der Stunde bange, auf welche er hoffte. Am liebsten hätte Barreto dem Dichter
das Versprechen abgenommen, ihn ruhig in Okaz' Gehöft zu erwarten. Das
feine Gefühl des wackern Fidalgo verbot ihm, seinem Wunsche und seiner Be¬
sorgnis Ausdruck zu geben. Barreto empfand, daß er seit gestern Abend gegen
eine dunkle Macht in Camoens' Seele rang, die nicht er, noch irgendein Freund,
die nur der Dichter selbst besiegen konnte. Er scheute sich, den Widerspruch,
den Camoens noch in sich verschloß, voreilig herauszufordern. Langsam ging
er darum neben dem in sich gekehrten Freunde zur Herberge zurück; indem
beide von den Heldenthaten Dom Antonio Pacheeos auf den malaiischen Inseln
und in Malakka sprachen, verbargen sie vor einander, was jeden im Innersten
bewegte.

Nur zögernd und immer wieder nach dem Freunde zurücksehend, welcher
am Thore des Gehöftes stehen blieb, trat Manuel Barreto seinen Weg zum
Palast empor an. Camoens hatte leicht hingeworfen, daß er inzwischen einen
Gang in die grüne Umgebung des Fleckens thun wolle. Wiederum überwand
sich Senhor Manuel, eine Bitte, die ihm auf der Zunge lag, umgethan zu lassen.
Er trennte sich mit einem kurzen: Auf glückliches Wiedersehen also! Camoens
sah ihm bewegt nach und gedachte des Traumes der verwichenen Nacht. Wenn
heute noch etwas Entscheidendes geschehen sollte, so ward es Zeit: die Wolken
über den Königsgürten und den fernern Bergzügen begannen sich abendlich zu
färben, der West trug die erquicklichste Kühle vom Meere daher, das Getümmel
der Scharen, welche von dem großen Trauergepränge zurückkehrten, verlor sich
zwischen den Häusern oder auf den Wegen, die ins Land hinaus führten. An
Camoens, der still unter dem Thorbogen lehnte, gingen bereits einzelne Abend-
gästc der Herberge grüßend vorüber. Er durfte in jeder Minute erwarten, von


Camoens.

freiung Anteil genommen haben, mögen auf der Hut fein. Wir aber sollten
die schutzbedürftiger Frauen keine Stunde außer Augen lassen.

Wollt Ihr Euer Versprechen zurücknehmen, Luis, mit dem frühesten
Morgen nach meinem Gute heimzukehren? fragte Barreto in bekümmerten Tone.
Ich kaun mir vorstellen, daß sich Euer Herz dagegen empört; doch wenn mein
Rat Euch noch gilt, so geht gewiß nach Almocegema. Hier weht eine Luft,
die keinem gedeihlich ist, geschweige denn Euch, Luis.

Jetzt hatte Manuel doch dem jüngern Freunde sein Gesicht ganz zuge¬
wendet, Camoens konnte in demselben wieder einmal den Ausdruck warmer,
selbstloser Teilnahme und ehrlichen Baugens erblicken. Überwältigt vom Augen¬
blicke entgegnete er rasch: Wenn Ihr selbst, von der Herzogin zurückkehrend,
noch der Meinung sein werdet, daß wir hier überflüssig sind, so bleibt es bei
unsrer Abrede, ich halte schon morgen wieder unter König Diniz' Baum Siesta.

Er verschwieg, daß er noch immer insgeheim auf diesen Abend, ans ein
Begebnis, ein Schicksal harre. Doch sah er deutlich, daß auf Barretos Lippen
ein Wort lag, welches ungesprochen blieb, und erriet, daß der Freund vor eben
der Stunde bange, auf welche er hoffte. Am liebsten hätte Barreto dem Dichter
das Versprechen abgenommen, ihn ruhig in Okaz' Gehöft zu erwarten. Das
feine Gefühl des wackern Fidalgo verbot ihm, seinem Wunsche und seiner Be¬
sorgnis Ausdruck zu geben. Barreto empfand, daß er seit gestern Abend gegen
eine dunkle Macht in Camoens' Seele rang, die nicht er, noch irgendein Freund,
die nur der Dichter selbst besiegen konnte. Er scheute sich, den Widerspruch,
den Camoens noch in sich verschloß, voreilig herauszufordern. Langsam ging
er darum neben dem in sich gekehrten Freunde zur Herberge zurück; indem
beide von den Heldenthaten Dom Antonio Pacheeos auf den malaiischen Inseln
und in Malakka sprachen, verbargen sie vor einander, was jeden im Innersten
bewegte.

Nur zögernd und immer wieder nach dem Freunde zurücksehend, welcher
am Thore des Gehöftes stehen blieb, trat Manuel Barreto seinen Weg zum
Palast empor an. Camoens hatte leicht hingeworfen, daß er inzwischen einen
Gang in die grüne Umgebung des Fleckens thun wolle. Wiederum überwand
sich Senhor Manuel, eine Bitte, die ihm auf der Zunge lag, umgethan zu lassen.
Er trennte sich mit einem kurzen: Auf glückliches Wiedersehen also! Camoens
sah ihm bewegt nach und gedachte des Traumes der verwichenen Nacht. Wenn
heute noch etwas Entscheidendes geschehen sollte, so ward es Zeit: die Wolken
über den Königsgürten und den fernern Bergzügen begannen sich abendlich zu
färben, der West trug die erquicklichste Kühle vom Meere daher, das Getümmel
der Scharen, welche von dem großen Trauergepränge zurückkehrten, verlor sich
zwischen den Häusern oder auf den Wegen, die ins Land hinaus führten. An
Camoens, der still unter dem Thorbogen lehnte, gingen bereits einzelne Abend-
gästc der Herberge grüßend vorüber. Er durfte in jeder Minute erwarten, von


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[0443] Camoens. freiung Anteil genommen haben, mögen auf der Hut fein. Wir aber sollten die schutzbedürftiger Frauen keine Stunde außer Augen lassen. Wollt Ihr Euer Versprechen zurücknehmen, Luis, mit dem frühesten Morgen nach meinem Gute heimzukehren? fragte Barreto in bekümmerten Tone. Ich kaun mir vorstellen, daß sich Euer Herz dagegen empört; doch wenn mein Rat Euch noch gilt, so geht gewiß nach Almocegema. Hier weht eine Luft, die keinem gedeihlich ist, geschweige denn Euch, Luis. Jetzt hatte Manuel doch dem jüngern Freunde sein Gesicht ganz zuge¬ wendet, Camoens konnte in demselben wieder einmal den Ausdruck warmer, selbstloser Teilnahme und ehrlichen Baugens erblicken. Überwältigt vom Augen¬ blicke entgegnete er rasch: Wenn Ihr selbst, von der Herzogin zurückkehrend, noch der Meinung sein werdet, daß wir hier überflüssig sind, so bleibt es bei unsrer Abrede, ich halte schon morgen wieder unter König Diniz' Baum Siesta. Er verschwieg, daß er noch immer insgeheim auf diesen Abend, ans ein Begebnis, ein Schicksal harre. Doch sah er deutlich, daß auf Barretos Lippen ein Wort lag, welches ungesprochen blieb, und erriet, daß der Freund vor eben der Stunde bange, auf welche er hoffte. Am liebsten hätte Barreto dem Dichter das Versprechen abgenommen, ihn ruhig in Okaz' Gehöft zu erwarten. Das feine Gefühl des wackern Fidalgo verbot ihm, seinem Wunsche und seiner Be¬ sorgnis Ausdruck zu geben. Barreto empfand, daß er seit gestern Abend gegen eine dunkle Macht in Camoens' Seele rang, die nicht er, noch irgendein Freund, die nur der Dichter selbst besiegen konnte. Er scheute sich, den Widerspruch, den Camoens noch in sich verschloß, voreilig herauszufordern. Langsam ging er darum neben dem in sich gekehrten Freunde zur Herberge zurück; indem beide von den Heldenthaten Dom Antonio Pacheeos auf den malaiischen Inseln und in Malakka sprachen, verbargen sie vor einander, was jeden im Innersten bewegte. Nur zögernd und immer wieder nach dem Freunde zurücksehend, welcher am Thore des Gehöftes stehen blieb, trat Manuel Barreto seinen Weg zum Palast empor an. Camoens hatte leicht hingeworfen, daß er inzwischen einen Gang in die grüne Umgebung des Fleckens thun wolle. Wiederum überwand sich Senhor Manuel, eine Bitte, die ihm auf der Zunge lag, umgethan zu lassen. Er trennte sich mit einem kurzen: Auf glückliches Wiedersehen also! Camoens sah ihm bewegt nach und gedachte des Traumes der verwichenen Nacht. Wenn heute noch etwas Entscheidendes geschehen sollte, so ward es Zeit: die Wolken über den Königsgürten und den fernern Bergzügen begannen sich abendlich zu färben, der West trug die erquicklichste Kühle vom Meere daher, das Getümmel der Scharen, welche von dem großen Trauergepränge zurückkehrten, verlor sich zwischen den Häusern oder auf den Wegen, die ins Land hinaus führten. An Camoens, der still unter dem Thorbogen lehnte, gingen bereits einzelne Abend- gästc der Herberge grüßend vorüber. Er durfte in jeder Minute erwarten, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/443>, abgerufen am 29.12.2024.