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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Spiel und wette.

Mit Spiel und Wette verwandt ist das Loosen. Mit dem Spiele hat
es den Umstand gemein, daß der Zufall entscheidet, mit der Wette, daß der
objektive Thatbestand die unmittelbare Beziehung zu der tosenden Persönlichkeit
besitzt, ohne daß ihm eine anderweitige, ihm nicht zukommende Bedeutung und
Wirkungsfähigkeit beigelegt wurde. Diese letztere Beschaffenheit würde das
Loosen zum Spielen machen, während eine der Feststellung des unbekannten
Thatbestandes oder Verlustes vorausgehende, diese vorweg bestimmende Be¬
hauptung das Loosen zur Wette machen würde. Es soll z, B. beim Schachspiel
entschieden werde", wer die weißen Figuren und damit den Anzug hat. Der
eine Spieler nimmt in die eine Hand einen Weißen, in die andre einen schwarzen
Stein. Der andre, welcher nicht weiß, in welcher Hand der Weiße Stein ist,
wählt eine Hand und damit die Farbe seiner Steine. Beide unterwerfen sich
dem durch den Zufall festgestellten Thatbestand, nachdem die Voraussetzung
der Giltigkeit des gewühlten Steines für den Wählenden, des andern Steines
für den zweiten Spieler gemacht worden ist. Hätte der Wählende die Be¬
hauptung aufgestellt, er werde eine bestimmte Farbe wählen, und das Treffen
oder Nichttreffen dieser Farbe ziehe bestimmte Folgen für Gewinnen oder
Nichtgewinnen nach sich, so wäre ans dem Loosen eine Wette geworden. Wäre
dem Treffen einer bestimmten Farbe, unabhängig von einer subjektiven Be¬
hauptung über den noch unbekannten Thatbestand, eine fördernde Kraft und
Wirkungsfähigkeit für das Erreichen eines vorher bestimmten Zieles beigelegt
worden, so Hütte ein Spiel stattgefunden.

Das Loosen ist somit ein Vertrag, welcher festsetzt, daß die, welche den
Vertrag schließen, dem Ergebnis einer dnrch den Zufall geleiteten Wahl unter
Gegenständen, welche alle oder vereinzelt Giltigkeit für bestimmte Personen
erhalten haben, mit den sich daraus ergebenden, vorher festgesetzten Folgen sich
unterwerfen.

Es wäre nun die Frage, ob sich mit Hilfe dieser Erklärung Ergebnisse
für die juristische Behandlung von Spiel und Wette gewinnen ließen. Darüber
zu entscheiden muß den Fachmännern überlassen bleiben. Immerhin mag es,
wenn dies auch nicht der Fall sein sollte, von allgemeinem Interesse sein, die
häusig begegnenden Begriffe einer Prüfung zu unterziehen, um durch ein sicheres
Unterscheidungsmerkmal zugleich eine gerechte Beurteilung der ihnen entsprechenden
Handlungen zu gewinnen.




Spiel und wette.

Mit Spiel und Wette verwandt ist das Loosen. Mit dem Spiele hat
es den Umstand gemein, daß der Zufall entscheidet, mit der Wette, daß der
objektive Thatbestand die unmittelbare Beziehung zu der tosenden Persönlichkeit
besitzt, ohne daß ihm eine anderweitige, ihm nicht zukommende Bedeutung und
Wirkungsfähigkeit beigelegt wurde. Diese letztere Beschaffenheit würde das
Loosen zum Spielen machen, während eine der Feststellung des unbekannten
Thatbestandes oder Verlustes vorausgehende, diese vorweg bestimmende Be¬
hauptung das Loosen zur Wette machen würde. Es soll z, B. beim Schachspiel
entschieden werde», wer die weißen Figuren und damit den Anzug hat. Der
eine Spieler nimmt in die eine Hand einen Weißen, in die andre einen schwarzen
Stein. Der andre, welcher nicht weiß, in welcher Hand der Weiße Stein ist,
wählt eine Hand und damit die Farbe seiner Steine. Beide unterwerfen sich
dem durch den Zufall festgestellten Thatbestand, nachdem die Voraussetzung
der Giltigkeit des gewühlten Steines für den Wählenden, des andern Steines
für den zweiten Spieler gemacht worden ist. Hätte der Wählende die Be¬
hauptung aufgestellt, er werde eine bestimmte Farbe wählen, und das Treffen
oder Nichttreffen dieser Farbe ziehe bestimmte Folgen für Gewinnen oder
Nichtgewinnen nach sich, so wäre ans dem Loosen eine Wette geworden. Wäre
dem Treffen einer bestimmten Farbe, unabhängig von einer subjektiven Be¬
hauptung über den noch unbekannten Thatbestand, eine fördernde Kraft und
Wirkungsfähigkeit für das Erreichen eines vorher bestimmten Zieles beigelegt
worden, so Hütte ein Spiel stattgefunden.

Das Loosen ist somit ein Vertrag, welcher festsetzt, daß die, welche den
Vertrag schließen, dem Ergebnis einer dnrch den Zufall geleiteten Wahl unter
Gegenständen, welche alle oder vereinzelt Giltigkeit für bestimmte Personen
erhalten haben, mit den sich daraus ergebenden, vorher festgesetzten Folgen sich
unterwerfen.

Es wäre nun die Frage, ob sich mit Hilfe dieser Erklärung Ergebnisse
für die juristische Behandlung von Spiel und Wette gewinnen ließen. Darüber
zu entscheiden muß den Fachmännern überlassen bleiben. Immerhin mag es,
wenn dies auch nicht der Fall sein sollte, von allgemeinem Interesse sein, die
häusig begegnenden Begriffe einer Prüfung zu unterziehen, um durch ein sicheres
Unterscheidungsmerkmal zugleich eine gerechte Beurteilung der ihnen entsprechenden
Handlungen zu gewinnen.




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[0039] Spiel und wette. Mit Spiel und Wette verwandt ist das Loosen. Mit dem Spiele hat es den Umstand gemein, daß der Zufall entscheidet, mit der Wette, daß der objektive Thatbestand die unmittelbare Beziehung zu der tosenden Persönlichkeit besitzt, ohne daß ihm eine anderweitige, ihm nicht zukommende Bedeutung und Wirkungsfähigkeit beigelegt wurde. Diese letztere Beschaffenheit würde das Loosen zum Spielen machen, während eine der Feststellung des unbekannten Thatbestandes oder Verlustes vorausgehende, diese vorweg bestimmende Be¬ hauptung das Loosen zur Wette machen würde. Es soll z, B. beim Schachspiel entschieden werde», wer die weißen Figuren und damit den Anzug hat. Der eine Spieler nimmt in die eine Hand einen Weißen, in die andre einen schwarzen Stein. Der andre, welcher nicht weiß, in welcher Hand der Weiße Stein ist, wählt eine Hand und damit die Farbe seiner Steine. Beide unterwerfen sich dem durch den Zufall festgestellten Thatbestand, nachdem die Voraussetzung der Giltigkeit des gewühlten Steines für den Wählenden, des andern Steines für den zweiten Spieler gemacht worden ist. Hätte der Wählende die Be¬ hauptung aufgestellt, er werde eine bestimmte Farbe wählen, und das Treffen oder Nichttreffen dieser Farbe ziehe bestimmte Folgen für Gewinnen oder Nichtgewinnen nach sich, so wäre ans dem Loosen eine Wette geworden. Wäre dem Treffen einer bestimmten Farbe, unabhängig von einer subjektiven Be¬ hauptung über den noch unbekannten Thatbestand, eine fördernde Kraft und Wirkungsfähigkeit für das Erreichen eines vorher bestimmten Zieles beigelegt worden, so Hütte ein Spiel stattgefunden. Das Loosen ist somit ein Vertrag, welcher festsetzt, daß die, welche den Vertrag schließen, dem Ergebnis einer dnrch den Zufall geleiteten Wahl unter Gegenständen, welche alle oder vereinzelt Giltigkeit für bestimmte Personen erhalten haben, mit den sich daraus ergebenden, vorher festgesetzten Folgen sich unterwerfen. Es wäre nun die Frage, ob sich mit Hilfe dieser Erklärung Ergebnisse für die juristische Behandlung von Spiel und Wette gewinnen ließen. Darüber zu entscheiden muß den Fachmännern überlassen bleiben. Immerhin mag es, wenn dies auch nicht der Fall sein sollte, von allgemeinem Interesse sein, die häusig begegnenden Begriffe einer Prüfung zu unterziehen, um durch ein sicheres Unterscheidungsmerkmal zugleich eine gerechte Beurteilung der ihnen entsprechenden Handlungen zu gewinnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/39>, abgerufen am 28.12.2024.