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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

Je reger die Pflege war, die in der Kobergerschen Werkstätte der Buch-
illustration durch den Holzschnitt zu Teil wurde, umsomehr muß es uns Wunder
nehmen, daß sich nirgends in den von ihr hergestellten Werken eine Buchver¬
zierung durch Ornamente vorfindet. Die ornamentale Buchausstattung hat sich
aber erst am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien entwickelt, und als
sie in den ersten Jahrzehnten des sechzehnten in Deutschland ihre Blüte zu entfalten
begann, hatten die Kvberger ihre eigne Drnckerthätigkeit bereits eingestellt. Am
17. Juni 1504 verließ das letzte Werk, welches in Kobergers eigner Offizin zu
Nürnberg hergestellt worden war, die Presse; es war der Schlnßband einer Aus¬
gabe des L!vrpu8 .juris. Kobcrgcr zog es seit dieser Zeit vor, fremde Pressen seinem
Geschäfte dienstbar zu machen, und richtete fortan all seine Kräfte auf den buch¬
händlerischen Vertrieb seiner Verlagswerke. Nach halbhundertjähriger Übung
des Drückens war bereits die Zeit gekommen, wo die Scheidung des früher in
einer Person vereinigten Druckers und Verlegers immer mehr eine gebieterische
Notwendigkeit wurde. Aber auch in der Beschränkung ans den Verlag leistete
Koberger großes. Wie er als Drucker alle seine Genossen überflügelt hatte,
so wußte er auch jetzt den Buchhandel ans eine Höhe zu heben, wie sie vor
seiner Zeit niemals erreicht worden war. Koberger ist der erste Verleger
in großartigem Maßstabe, von dem die Geschichte des Buchhandels zu er¬
zählen weiß, obwohl nur sechs fremde Druckwerke aus den Jahren 1609
bis 1513 seinen Namen als Verleger neben dem des Druckers nennen. Seine
Nachfolger gaben sich dann überhaupt nur noch mit dem Verlagsgeschäfte
ab, und seit dieser Zeit ist die Scheidung von Druck und Verlag bekanntlich all¬
gemein üblich geworden. Die Firma hatte es außer mit mehreren Nürnberger
Buchdruckern namentlich mit auswärtigen Anstalten zu thun. In Deutschland
arbeiteten ueben Hagenau und Straßburg namentlich Basel sür die Koberger,
und außerhalb Deutschlands in Frankreich Paris und vor allem Lyon. So
wurde Koberger in der That zu dem literarischen Nührvater seiner Zeit, von
dein ein Zeitgenosse rühmen durfte, daß er "der wankenden Literatur seine starken
Schultern zur Stütze geliehen" habe.

Die Zeit der Kobergerschen Thätigkeit von Anthoni an gerechnet bis zum
Schluß des Verlagsgeschüftcs erstreckt sich über zwei volle Menschenalter; es
liegt daher auf der Hand, daß der in der Literatur zum Ausdruck kommende
Wandel in der Wissenschaft und Auffassung des Lebens sich auch in den Ko¬
bergerschen Druckerzeugnissen wiederspiegeln muß, zumal da das Geschäft sich
stets auf der Hohe der Zeit zu behaupten wußte. Es ist deshalb von Wert,
einen Augenblick bei den von den Kobergern erzeugten oder in Vertrieb ge¬
brachten Litcraturdenkmalen zu verweilen.

Da fällt uns denn vor allen Dingen ein Buch in die Angen, dem die
Kvberger von ihrer ersten Wirksamkeit an bis zu deren letztem Nachklänge die
eifrigste Pflege angedeihen ließen: die Bibel. Bis zum Jahre 1500 sind allem


Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

Je reger die Pflege war, die in der Kobergerschen Werkstätte der Buch-
illustration durch den Holzschnitt zu Teil wurde, umsomehr muß es uns Wunder
nehmen, daß sich nirgends in den von ihr hergestellten Werken eine Buchver¬
zierung durch Ornamente vorfindet. Die ornamentale Buchausstattung hat sich
aber erst am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien entwickelt, und als
sie in den ersten Jahrzehnten des sechzehnten in Deutschland ihre Blüte zu entfalten
begann, hatten die Kvberger ihre eigne Drnckerthätigkeit bereits eingestellt. Am
17. Juni 1504 verließ das letzte Werk, welches in Kobergers eigner Offizin zu
Nürnberg hergestellt worden war, die Presse; es war der Schlnßband einer Aus¬
gabe des L!vrpu8 .juris. Kobcrgcr zog es seit dieser Zeit vor, fremde Pressen seinem
Geschäfte dienstbar zu machen, und richtete fortan all seine Kräfte auf den buch¬
händlerischen Vertrieb seiner Verlagswerke. Nach halbhundertjähriger Übung
des Drückens war bereits die Zeit gekommen, wo die Scheidung des früher in
einer Person vereinigten Druckers und Verlegers immer mehr eine gebieterische
Notwendigkeit wurde. Aber auch in der Beschränkung ans den Verlag leistete
Koberger großes. Wie er als Drucker alle seine Genossen überflügelt hatte,
so wußte er auch jetzt den Buchhandel ans eine Höhe zu heben, wie sie vor
seiner Zeit niemals erreicht worden war. Koberger ist der erste Verleger
in großartigem Maßstabe, von dem die Geschichte des Buchhandels zu er¬
zählen weiß, obwohl nur sechs fremde Druckwerke aus den Jahren 1609
bis 1513 seinen Namen als Verleger neben dem des Druckers nennen. Seine
Nachfolger gaben sich dann überhaupt nur noch mit dem Verlagsgeschäfte
ab, und seit dieser Zeit ist die Scheidung von Druck und Verlag bekanntlich all¬
gemein üblich geworden. Die Firma hatte es außer mit mehreren Nürnberger
Buchdruckern namentlich mit auswärtigen Anstalten zu thun. In Deutschland
arbeiteten ueben Hagenau und Straßburg namentlich Basel sür die Koberger,
und außerhalb Deutschlands in Frankreich Paris und vor allem Lyon. So
wurde Koberger in der That zu dem literarischen Nührvater seiner Zeit, von
dein ein Zeitgenosse rühmen durfte, daß er „der wankenden Literatur seine starken
Schultern zur Stütze geliehen" habe.

Die Zeit der Kobergerschen Thätigkeit von Anthoni an gerechnet bis zum
Schluß des Verlagsgeschüftcs erstreckt sich über zwei volle Menschenalter; es
liegt daher auf der Hand, daß der in der Literatur zum Ausdruck kommende
Wandel in der Wissenschaft und Auffassung des Lebens sich auch in den Ko¬
bergerschen Druckerzeugnissen wiederspiegeln muß, zumal da das Geschäft sich
stets auf der Hohe der Zeit zu behaupten wußte. Es ist deshalb von Wert,
einen Augenblick bei den von den Kobergern erzeugten oder in Vertrieb ge¬
brachten Litcraturdenkmalen zu verweilen.

Da fällt uns denn vor allen Dingen ein Buch in die Angen, dem die
Kvberger von ihrer ersten Wirksamkeit an bis zu deren letztem Nachklänge die
eifrigste Pflege angedeihen ließen: die Bibel. Bis zum Jahre 1500 sind allem


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[0374] Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert. Je reger die Pflege war, die in der Kobergerschen Werkstätte der Buch- illustration durch den Holzschnitt zu Teil wurde, umsomehr muß es uns Wunder nehmen, daß sich nirgends in den von ihr hergestellten Werken eine Buchver¬ zierung durch Ornamente vorfindet. Die ornamentale Buchausstattung hat sich aber erst am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien entwickelt, und als sie in den ersten Jahrzehnten des sechzehnten in Deutschland ihre Blüte zu entfalten begann, hatten die Kvberger ihre eigne Drnckerthätigkeit bereits eingestellt. Am 17. Juni 1504 verließ das letzte Werk, welches in Kobergers eigner Offizin zu Nürnberg hergestellt worden war, die Presse; es war der Schlnßband einer Aus¬ gabe des L!vrpu8 .juris. Kobcrgcr zog es seit dieser Zeit vor, fremde Pressen seinem Geschäfte dienstbar zu machen, und richtete fortan all seine Kräfte auf den buch¬ händlerischen Vertrieb seiner Verlagswerke. Nach halbhundertjähriger Übung des Drückens war bereits die Zeit gekommen, wo die Scheidung des früher in einer Person vereinigten Druckers und Verlegers immer mehr eine gebieterische Notwendigkeit wurde. Aber auch in der Beschränkung ans den Verlag leistete Koberger großes. Wie er als Drucker alle seine Genossen überflügelt hatte, so wußte er auch jetzt den Buchhandel ans eine Höhe zu heben, wie sie vor seiner Zeit niemals erreicht worden war. Koberger ist der erste Verleger in großartigem Maßstabe, von dem die Geschichte des Buchhandels zu er¬ zählen weiß, obwohl nur sechs fremde Druckwerke aus den Jahren 1609 bis 1513 seinen Namen als Verleger neben dem des Druckers nennen. Seine Nachfolger gaben sich dann überhaupt nur noch mit dem Verlagsgeschäfte ab, und seit dieser Zeit ist die Scheidung von Druck und Verlag bekanntlich all¬ gemein üblich geworden. Die Firma hatte es außer mit mehreren Nürnberger Buchdruckern namentlich mit auswärtigen Anstalten zu thun. In Deutschland arbeiteten ueben Hagenau und Straßburg namentlich Basel sür die Koberger, und außerhalb Deutschlands in Frankreich Paris und vor allem Lyon. So wurde Koberger in der That zu dem literarischen Nührvater seiner Zeit, von dein ein Zeitgenosse rühmen durfte, daß er „der wankenden Literatur seine starken Schultern zur Stütze geliehen" habe. Die Zeit der Kobergerschen Thätigkeit von Anthoni an gerechnet bis zum Schluß des Verlagsgeschüftcs erstreckt sich über zwei volle Menschenalter; es liegt daher auf der Hand, daß der in der Literatur zum Ausdruck kommende Wandel in der Wissenschaft und Auffassung des Lebens sich auch in den Ko¬ bergerschen Druckerzeugnissen wiederspiegeln muß, zumal da das Geschäft sich stets auf der Hohe der Zeit zu behaupten wußte. Es ist deshalb von Wert, einen Augenblick bei den von den Kobergern erzeugten oder in Vertrieb ge¬ brachten Litcraturdenkmalen zu verweilen. Da fällt uns denn vor allen Dingen ein Buch in die Angen, dem die Kvberger von ihrer ersten Wirksamkeit an bis zu deren letztem Nachklänge die eifrigste Pflege angedeihen ließen: die Bibel. Bis zum Jahre 1500 sind allem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/374>, abgerufen am 04.07.2024.