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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

geben. Der Gedanke, daß sie dadurch entwertet werden könnten, hielt sicher am
wenigsten davon ab; umso größer war die Besorgnis vor Beschädigung und die
Aussicht, sie vielleicht niemals wieder zurückzuerhalten. Denn was heute mit
Recht als sträflicher Leichtsinn bezeichnet wird, die Originale selbst in die
Druckerei zu geben, war damals die allgemeine Sitte, Ja man ging sogar
soweit, den Einband abzulösen und die einzelnen Blätter zur Erleichterung der
Arbeit an die Setzer zu verteilen. Hatten diese ihre Arbeit erledigt, so war
man in vielen Fällen nicht gewissenhaft genug, die Handschrift aufzubewahren;
schien sie doch durch den Druck für immer überflüssig geworden zu sein. Auf
diese Weise sind eine Menge wichtiger Handschriften, namentlich klassischer
Schriftsteller, verloren gegangen, sodaß die ersten Drucke ihre Stelle ersetzen
müssen. Am bekanntesten ist das Beispiel des Ammianus Marcellinus, dessen
Herausgabe Veatus Rhencmus besorgte, bei welcher Gelegenheit die von ihm
benutzte Handschrift verschwunden ist. Man fing daher bald an zu fordern,
daß die Drucker Abschriften herstellen lassen sollten; häufig aber wurde das
Versprechen dazu zwar gegeben, aber nicht gehalten; dem gewissenhaften Anthoni
Kvberger kann jedoch auch in dieser Hinsicht kein Vorwurf werden.

Waren die eben geschilderten Vorbereitungen alle getroffen, so kam das
Buch unter die Presse, d. h, es begann die eigentliche Thätigkeit des Druckers.
Auch hierbei leistete das Kobergerschc Geschäft vorzügliches. Seine Drucke lassen
in ihrer gleichmäßig kräftigen Färbung wenig zu wünschen übrig, was umsomehr
sagen will, als damals auf ungeglättetem, geschöpftem Papiere und mit sehr
einfachem Pressen gedruckt wurde.

Sollte jedoch die Erwerbung eines Buches besonders verlockend erscheinen,
so durfte man sich nicht mit der bloßen Korrektheit und dem schönen Druck
begnügen. Schon damals verlangte man, daß dasselbe auch durch künstlerische
Beigaben ausgestattet sei. ganz ebenso wie das bei den bessern Handschriften
allgemein Sitte war. War also ein Buch von dem Drucker hergestellt worden,
so kam die Arbeit der Nubrikatoreu und Jlluministen an die Reihe. Sie führten
die beim Druck vorläufig weggelassenen Initialen aus und schmückten die einzelnen
Exemplare oft mit äußerst kunstreich ausgeführten Miniaturen. Bei den dick¬
leibigen Bänden der Jukunabelnzeit verursachte diese uachtrügliche Ausschmückung
natürlicherweise einen großen Aufwand an Zeit und Kosten. Man wartete
daher gern mit der Vollendung eines Werkes auf besondre Bestellung und
führte dieselbe dann nach dem Geschmack und mit Rücksicht auf die vou dem
Auftraggeber gebotene Summe aus. So kommt es, daß die einzelnen Exemplare
eines Wiegendruckes oft die verschiedenartigste Ausführung zeigen, und daß die
Zahl der nicht rubrizirten und nicht illuminirten größer ist als diejenige der
wirklich als vollendet zu bezeichnenden.

Auch Kvberger beschäftigte eine große Auzahl solcher Maler und zwar
nicht nur gelegentlich, sondern in dauernder Stellung. Vermutlich befanden sich


Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

geben. Der Gedanke, daß sie dadurch entwertet werden könnten, hielt sicher am
wenigsten davon ab; umso größer war die Besorgnis vor Beschädigung und die
Aussicht, sie vielleicht niemals wieder zurückzuerhalten. Denn was heute mit
Recht als sträflicher Leichtsinn bezeichnet wird, die Originale selbst in die
Druckerei zu geben, war damals die allgemeine Sitte, Ja man ging sogar
soweit, den Einband abzulösen und die einzelnen Blätter zur Erleichterung der
Arbeit an die Setzer zu verteilen. Hatten diese ihre Arbeit erledigt, so war
man in vielen Fällen nicht gewissenhaft genug, die Handschrift aufzubewahren;
schien sie doch durch den Druck für immer überflüssig geworden zu sein. Auf
diese Weise sind eine Menge wichtiger Handschriften, namentlich klassischer
Schriftsteller, verloren gegangen, sodaß die ersten Drucke ihre Stelle ersetzen
müssen. Am bekanntesten ist das Beispiel des Ammianus Marcellinus, dessen
Herausgabe Veatus Rhencmus besorgte, bei welcher Gelegenheit die von ihm
benutzte Handschrift verschwunden ist. Man fing daher bald an zu fordern,
daß die Drucker Abschriften herstellen lassen sollten; häufig aber wurde das
Versprechen dazu zwar gegeben, aber nicht gehalten; dem gewissenhaften Anthoni
Kvberger kann jedoch auch in dieser Hinsicht kein Vorwurf werden.

Waren die eben geschilderten Vorbereitungen alle getroffen, so kam das
Buch unter die Presse, d. h, es begann die eigentliche Thätigkeit des Druckers.
Auch hierbei leistete das Kobergerschc Geschäft vorzügliches. Seine Drucke lassen
in ihrer gleichmäßig kräftigen Färbung wenig zu wünschen übrig, was umsomehr
sagen will, als damals auf ungeglättetem, geschöpftem Papiere und mit sehr
einfachem Pressen gedruckt wurde.

Sollte jedoch die Erwerbung eines Buches besonders verlockend erscheinen,
so durfte man sich nicht mit der bloßen Korrektheit und dem schönen Druck
begnügen. Schon damals verlangte man, daß dasselbe auch durch künstlerische
Beigaben ausgestattet sei. ganz ebenso wie das bei den bessern Handschriften
allgemein Sitte war. War also ein Buch von dem Drucker hergestellt worden,
so kam die Arbeit der Nubrikatoreu und Jlluministen an die Reihe. Sie führten
die beim Druck vorläufig weggelassenen Initialen aus und schmückten die einzelnen
Exemplare oft mit äußerst kunstreich ausgeführten Miniaturen. Bei den dick¬
leibigen Bänden der Jukunabelnzeit verursachte diese uachtrügliche Ausschmückung
natürlicherweise einen großen Aufwand an Zeit und Kosten. Man wartete
daher gern mit der Vollendung eines Werkes auf besondre Bestellung und
führte dieselbe dann nach dem Geschmack und mit Rücksicht auf die vou dem
Auftraggeber gebotene Summe aus. So kommt es, daß die einzelnen Exemplare
eines Wiegendruckes oft die verschiedenartigste Ausführung zeigen, und daß die
Zahl der nicht rubrizirten und nicht illuminirten größer ist als diejenige der
wirklich als vollendet zu bezeichnenden.

Auch Kvberger beschäftigte eine große Auzahl solcher Maler und zwar
nicht nur gelegentlich, sondern in dauernder Stellung. Vermutlich befanden sich


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[0372] Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert. geben. Der Gedanke, daß sie dadurch entwertet werden könnten, hielt sicher am wenigsten davon ab; umso größer war die Besorgnis vor Beschädigung und die Aussicht, sie vielleicht niemals wieder zurückzuerhalten. Denn was heute mit Recht als sträflicher Leichtsinn bezeichnet wird, die Originale selbst in die Druckerei zu geben, war damals die allgemeine Sitte, Ja man ging sogar soweit, den Einband abzulösen und die einzelnen Blätter zur Erleichterung der Arbeit an die Setzer zu verteilen. Hatten diese ihre Arbeit erledigt, so war man in vielen Fällen nicht gewissenhaft genug, die Handschrift aufzubewahren; schien sie doch durch den Druck für immer überflüssig geworden zu sein. Auf diese Weise sind eine Menge wichtiger Handschriften, namentlich klassischer Schriftsteller, verloren gegangen, sodaß die ersten Drucke ihre Stelle ersetzen müssen. Am bekanntesten ist das Beispiel des Ammianus Marcellinus, dessen Herausgabe Veatus Rhencmus besorgte, bei welcher Gelegenheit die von ihm benutzte Handschrift verschwunden ist. Man fing daher bald an zu fordern, daß die Drucker Abschriften herstellen lassen sollten; häufig aber wurde das Versprechen dazu zwar gegeben, aber nicht gehalten; dem gewissenhaften Anthoni Kvberger kann jedoch auch in dieser Hinsicht kein Vorwurf werden. Waren die eben geschilderten Vorbereitungen alle getroffen, so kam das Buch unter die Presse, d. h, es begann die eigentliche Thätigkeit des Druckers. Auch hierbei leistete das Kobergerschc Geschäft vorzügliches. Seine Drucke lassen in ihrer gleichmäßig kräftigen Färbung wenig zu wünschen übrig, was umsomehr sagen will, als damals auf ungeglättetem, geschöpftem Papiere und mit sehr einfachem Pressen gedruckt wurde. Sollte jedoch die Erwerbung eines Buches besonders verlockend erscheinen, so durfte man sich nicht mit der bloßen Korrektheit und dem schönen Druck begnügen. Schon damals verlangte man, daß dasselbe auch durch künstlerische Beigaben ausgestattet sei. ganz ebenso wie das bei den bessern Handschriften allgemein Sitte war. War also ein Buch von dem Drucker hergestellt worden, so kam die Arbeit der Nubrikatoreu und Jlluministen an die Reihe. Sie führten die beim Druck vorläufig weggelassenen Initialen aus und schmückten die einzelnen Exemplare oft mit äußerst kunstreich ausgeführten Miniaturen. Bei den dick¬ leibigen Bänden der Jukunabelnzeit verursachte diese uachtrügliche Ausschmückung natürlicherweise einen großen Aufwand an Zeit und Kosten. Man wartete daher gern mit der Vollendung eines Werkes auf besondre Bestellung und führte dieselbe dann nach dem Geschmack und mit Rücksicht auf die vou dem Auftraggeber gebotene Summe aus. So kommt es, daß die einzelnen Exemplare eines Wiegendruckes oft die verschiedenartigste Ausführung zeigen, und daß die Zahl der nicht rubrizirten und nicht illuminirten größer ist als diejenige der wirklich als vollendet zu bezeichnenden. Auch Kvberger beschäftigte eine große Auzahl solcher Maler und zwar nicht nur gelegentlich, sondern in dauernder Stellung. Vermutlich befanden sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/372>, abgerufen am 25.07.2024.