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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

willen, deren sich Koberger mit Recht in den Schlußschriften rühmen durfte,
zu den wertvollsten Stücken aller Sammlungen von Wiegendrucken.

Es lohnt sich daher wohl einmal, an der Hand von Hases Darlegungen
zu sehen, in welcher Weise die Herstellung dieser Bücher erfolgte, und welche
Mittel und Wege Koberger einschlug, um dieselben abzusetzen und buchhändlerisch
zu vertreiben.

Koberger ging bei allen seinen Unternehmungen mit der größten Sorgfalt
vor. Das lassen schon seine Bemühungen um ein möglichst gutes Papier er¬
kennen, dessen Beschaffung als die erste Bedingung zur Herstellung eines bessern
Druckes anzusehen ist, obwohl die Zeiten des Niedergangs des Buchgewerbes
und leider auch noch vielfach die Gegenwart in der unglaublichsten Weise die
Augen vor dieser Notwendigkeit verschlossen halten. Koberger verwandte nur
ein festes, weißes Papier, das bis jetzt dem Zahn der Zeit getrotzt hat und
bei gehöriger Aufbewahrung noch nach Jahrhunderten seine ursprüngliche
Schönheit bewahren wird. Auf Pergament gedruckte Exemplare aus Kobergers
Offizin finden sich nur wenige; das terre Pergament wurde damals nur noch
in einzelnen Fällen für Luxuszwecke verwandt, und mit Recht, da das billigere
Linnenpapier im Verein mit der billigern Vervielfältigung allein die wirkliche
Verbreitung der Bücher möglich machte. Außer in Nürnberg, das mit bessern
Papieren wohlversehen war, kaufte Koberger in Ravensburg, wo die Familie
Holbein zuerst für die Papierherstellung thätig gewesen war, namentlich aber in
Straßburg seinen Bedarf. Er mußte für denselben jährlich beträchtliche Summen
anwenden und manchen Ärger hinnehmen, wenn ihm die Händler schlechtes oder
gar unbrauchbares Papier zusandten. Von den von ihm benutzten Papiersorten
wird uns nur eine mit Namen genannt, Mediän, und nur eine Größe mit
einem Fachausdruck bezeichnet, das Arcusformat. Dieser Ausdruck Ureus war
bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts allgemein üblich für "Bogen Papier"
und bezeichnete ein Folioformat, das noch zu Kobergers Zeit das fast ausschlie߬
lich angewandte Format für Bücher war. Erst im Anfange des sechzehnten
Jahrhunderts wurden die handlicheren Formate, das Quart und Oktav, welche
bei uns die Regel bilden, eingeführt, ein Fortschritt, um welchen der berühmte
Buchdrucker Aldus in Venedig sich das größte Verdienst erworben hat.

Es war natürlich, daß Gutenberg und seine Zeitgenossen sich zunächst in
ihren Drucken eng an die handschriftlichen Vorlagen anschlössen und sich bestrebt
zeigten, den Gesamteindruck derselben möglichst getreu nachzubilden. So kommt
es, daß die alten Drucke durchweg ein viel individuelleres Gepräge tragen als
unsre heutigen Erzeugnisse, und mit Recht hat man hervorgehoben, daß gerade
auf diesem Umstand ein guter Teil des Zaubers jener Wiegendrucke beruht.

Da in den Handschriften des Mittelalters in der Regel ein eigentliches
Titelblatt fehlt und der Titel oft erst mühsam aus dein Anfange oder dem
Schlüsse des Werkes ermittelt werden muß, so entbehren auch die meisten ge-


Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

willen, deren sich Koberger mit Recht in den Schlußschriften rühmen durfte,
zu den wertvollsten Stücken aller Sammlungen von Wiegendrucken.

Es lohnt sich daher wohl einmal, an der Hand von Hases Darlegungen
zu sehen, in welcher Weise die Herstellung dieser Bücher erfolgte, und welche
Mittel und Wege Koberger einschlug, um dieselben abzusetzen und buchhändlerisch
zu vertreiben.

Koberger ging bei allen seinen Unternehmungen mit der größten Sorgfalt
vor. Das lassen schon seine Bemühungen um ein möglichst gutes Papier er¬
kennen, dessen Beschaffung als die erste Bedingung zur Herstellung eines bessern
Druckes anzusehen ist, obwohl die Zeiten des Niedergangs des Buchgewerbes
und leider auch noch vielfach die Gegenwart in der unglaublichsten Weise die
Augen vor dieser Notwendigkeit verschlossen halten. Koberger verwandte nur
ein festes, weißes Papier, das bis jetzt dem Zahn der Zeit getrotzt hat und
bei gehöriger Aufbewahrung noch nach Jahrhunderten seine ursprüngliche
Schönheit bewahren wird. Auf Pergament gedruckte Exemplare aus Kobergers
Offizin finden sich nur wenige; das terre Pergament wurde damals nur noch
in einzelnen Fällen für Luxuszwecke verwandt, und mit Recht, da das billigere
Linnenpapier im Verein mit der billigern Vervielfältigung allein die wirkliche
Verbreitung der Bücher möglich machte. Außer in Nürnberg, das mit bessern
Papieren wohlversehen war, kaufte Koberger in Ravensburg, wo die Familie
Holbein zuerst für die Papierherstellung thätig gewesen war, namentlich aber in
Straßburg seinen Bedarf. Er mußte für denselben jährlich beträchtliche Summen
anwenden und manchen Ärger hinnehmen, wenn ihm die Händler schlechtes oder
gar unbrauchbares Papier zusandten. Von den von ihm benutzten Papiersorten
wird uns nur eine mit Namen genannt, Mediän, und nur eine Größe mit
einem Fachausdruck bezeichnet, das Arcusformat. Dieser Ausdruck Ureus war
bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts allgemein üblich für „Bogen Papier"
und bezeichnete ein Folioformat, das noch zu Kobergers Zeit das fast ausschlie߬
lich angewandte Format für Bücher war. Erst im Anfange des sechzehnten
Jahrhunderts wurden die handlicheren Formate, das Quart und Oktav, welche
bei uns die Regel bilden, eingeführt, ein Fortschritt, um welchen der berühmte
Buchdrucker Aldus in Venedig sich das größte Verdienst erworben hat.

Es war natürlich, daß Gutenberg und seine Zeitgenossen sich zunächst in
ihren Drucken eng an die handschriftlichen Vorlagen anschlössen und sich bestrebt
zeigten, den Gesamteindruck derselben möglichst getreu nachzubilden. So kommt
es, daß die alten Drucke durchweg ein viel individuelleres Gepräge tragen als
unsre heutigen Erzeugnisse, und mit Recht hat man hervorgehoben, daß gerade
auf diesem Umstand ein guter Teil des Zaubers jener Wiegendrucke beruht.

Da in den Handschriften des Mittelalters in der Regel ein eigentliches
Titelblatt fehlt und der Titel oft erst mühsam aus dein Anfange oder dem
Schlüsse des Werkes ermittelt werden muß, so entbehren auch die meisten ge-


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[0370] Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert. willen, deren sich Koberger mit Recht in den Schlußschriften rühmen durfte, zu den wertvollsten Stücken aller Sammlungen von Wiegendrucken. Es lohnt sich daher wohl einmal, an der Hand von Hases Darlegungen zu sehen, in welcher Weise die Herstellung dieser Bücher erfolgte, und welche Mittel und Wege Koberger einschlug, um dieselben abzusetzen und buchhändlerisch zu vertreiben. Koberger ging bei allen seinen Unternehmungen mit der größten Sorgfalt vor. Das lassen schon seine Bemühungen um ein möglichst gutes Papier er¬ kennen, dessen Beschaffung als die erste Bedingung zur Herstellung eines bessern Druckes anzusehen ist, obwohl die Zeiten des Niedergangs des Buchgewerbes und leider auch noch vielfach die Gegenwart in der unglaublichsten Weise die Augen vor dieser Notwendigkeit verschlossen halten. Koberger verwandte nur ein festes, weißes Papier, das bis jetzt dem Zahn der Zeit getrotzt hat und bei gehöriger Aufbewahrung noch nach Jahrhunderten seine ursprüngliche Schönheit bewahren wird. Auf Pergament gedruckte Exemplare aus Kobergers Offizin finden sich nur wenige; das terre Pergament wurde damals nur noch in einzelnen Fällen für Luxuszwecke verwandt, und mit Recht, da das billigere Linnenpapier im Verein mit der billigern Vervielfältigung allein die wirkliche Verbreitung der Bücher möglich machte. Außer in Nürnberg, das mit bessern Papieren wohlversehen war, kaufte Koberger in Ravensburg, wo die Familie Holbein zuerst für die Papierherstellung thätig gewesen war, namentlich aber in Straßburg seinen Bedarf. Er mußte für denselben jährlich beträchtliche Summen anwenden und manchen Ärger hinnehmen, wenn ihm die Händler schlechtes oder gar unbrauchbares Papier zusandten. Von den von ihm benutzten Papiersorten wird uns nur eine mit Namen genannt, Mediän, und nur eine Größe mit einem Fachausdruck bezeichnet, das Arcusformat. Dieser Ausdruck Ureus war bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts allgemein üblich für „Bogen Papier" und bezeichnete ein Folioformat, das noch zu Kobergers Zeit das fast ausschlie߬ lich angewandte Format für Bücher war. Erst im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts wurden die handlicheren Formate, das Quart und Oktav, welche bei uns die Regel bilden, eingeführt, ein Fortschritt, um welchen der berühmte Buchdrucker Aldus in Venedig sich das größte Verdienst erworben hat. Es war natürlich, daß Gutenberg und seine Zeitgenossen sich zunächst in ihren Drucken eng an die handschriftlichen Vorlagen anschlössen und sich bestrebt zeigten, den Gesamteindruck derselben möglichst getreu nachzubilden. So kommt es, daß die alten Drucke durchweg ein viel individuelleres Gepräge tragen als unsre heutigen Erzeugnisse, und mit Recht hat man hervorgehoben, daß gerade auf diesem Umstand ein guter Teil des Zaubers jener Wiegendrucke beruht. Da in den Handschriften des Mittelalters in der Regel ein eigentliches Titelblatt fehlt und der Titel oft erst mühsam aus dein Anfange oder dem Schlüsse des Werkes ermittelt werden muß, so entbehren auch die meisten ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/370>, abgerufen am 25.07.2024.