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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

Erscheinung mußte er in seiner Familie erfahren: die große Kindersterblichkeit,
die mit dem Kinderreichtum des Mittelalters Hand in Hand ging. Von seinen
fünfundzwanzig Kindern sind ihm zwölf jung gestorben und drei erlagen
in reiferem Alter der Pest. Als Koberger aus dem Leben schied, war keiner
seiner Söhne bereits soweit herangewachsen, um selbständig die Geschäfts¬
leitung übernehmen zu können. Deshalb ging dieselbe an seinen Vetter Hans
Koberger über, welcher lange Zeit für Anthoni in Frankreich eine höchst be¬
deutsame Thätigkeit als Buchhändler entwickelt hatte. Diesem gelang es, das
Geschäft in der Blüte zu erhalten, zu welcher es unter seinem Begründer
gekommen war. Eigentümer desselben scheint er jedoch nicht gewesen sein,
vielmehr verwaltete er es sür die minderjährigen Söhne Anthonis, unter denen
der älteste Sohn, Anthoni der Jüngere, den nächsten Anspruch gehabt haben
würde. Aber dieser Anthoni der Jüngere war ein Taugenichts und nahm ein
ruhmloses Ende. Wenn sich bis auf ihn die Familie der Koberger in auf¬
steigender Linie bewegt hatte, so beginnt mit ihm der Rückgang. Keiner seiner
Brüder, unter denen wenigstens Hans Koberger der Jüngere ein tüchtiger Mensch
gewesen zu sein scheint, vermochte diesem Rückgang Einhalt zu thun. Im Jahre
15 26 erschien das letzte Kobergersche Verlagswerk, und obwohl noch eine Reihe
von Jahren hindurch das Sortimcntsgeschäft weitergeführt wurde, so wandten
sich doch die jüngern Sprossen des Hauses ganz von der Beschäftigung mit dem
Buchgewerbe ab und dem Goldschmiedehandwerk zu, welches in ihrer Familie
vermutlich schon vor dem Buchhandel getrieben worden war. Ihr Name aber
wird in der Geschichte des deutschen Buchdrucks und Buchhandels für alle Zeiten
unvergessen bleiben um der reichgesegneten Thätigkeit willen, die einst Anthoni
Koberger und sein Vetter Hans entfaltet haben.

Von etwa 1470 an, wo Anthoni Koberger seine Druckerei in Nürnberg
aufthat, bis zum Schlüsse des Jahrhunderts sind gegen zweihundert zum Teil
bändereiche Werke aus seiner Presse hervorgegangen; es gelang ihm allmählich
alle seine Berufsgenossen zu überflügeln, sodaß er ums Jahr 1600 der bedeutendste
Buchdrucker seiner Zeit war. Nach eiuer ungefähren Schätzung des durch seine
Nachrichten über die Nürnberger Künstler bekannten Schrcibmeisters Neudörffer
druckte Koberger täglich mit vierundzwanzig Pressen und beschäftigte über
hundert Gesellen, also etwa dieselbe Zahl, welche im Jahre 1819 bei Breitkopf
und Härtel in Leipzig thätig war, als das Geschäft bereits das Fest seines
hundertjährigen Bestehens feierte. Noch heute können wir in Nürnberg einen
Eindruck von der Großartigkeit des Kvbergerschcn Betriebes erhalten, wenn wir
die zur Erleichterung desselben geschaffene Wasserleitung in Augenschein nehmen,
welche vom Stadtgraben bis zu dem Hause auf dem Ägidienplatz sich erstreckt
und seit 1881 wieder in den Besitz der Stadt übergegangen ist.

Die meisten aus jeuer Druckerei hervorgegangnen Werke haben sich erhalten
und gehören gegenwärtig um des "Geschmackes und der Gründlichkeit im Drucken"


Grenzboten II. 1886. 4"
Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert.

Erscheinung mußte er in seiner Familie erfahren: die große Kindersterblichkeit,
die mit dem Kinderreichtum des Mittelalters Hand in Hand ging. Von seinen
fünfundzwanzig Kindern sind ihm zwölf jung gestorben und drei erlagen
in reiferem Alter der Pest. Als Koberger aus dem Leben schied, war keiner
seiner Söhne bereits soweit herangewachsen, um selbständig die Geschäfts¬
leitung übernehmen zu können. Deshalb ging dieselbe an seinen Vetter Hans
Koberger über, welcher lange Zeit für Anthoni in Frankreich eine höchst be¬
deutsame Thätigkeit als Buchhändler entwickelt hatte. Diesem gelang es, das
Geschäft in der Blüte zu erhalten, zu welcher es unter seinem Begründer
gekommen war. Eigentümer desselben scheint er jedoch nicht gewesen sein,
vielmehr verwaltete er es sür die minderjährigen Söhne Anthonis, unter denen
der älteste Sohn, Anthoni der Jüngere, den nächsten Anspruch gehabt haben
würde. Aber dieser Anthoni der Jüngere war ein Taugenichts und nahm ein
ruhmloses Ende. Wenn sich bis auf ihn die Familie der Koberger in auf¬
steigender Linie bewegt hatte, so beginnt mit ihm der Rückgang. Keiner seiner
Brüder, unter denen wenigstens Hans Koberger der Jüngere ein tüchtiger Mensch
gewesen zu sein scheint, vermochte diesem Rückgang Einhalt zu thun. Im Jahre
15 26 erschien das letzte Kobergersche Verlagswerk, und obwohl noch eine Reihe
von Jahren hindurch das Sortimcntsgeschäft weitergeführt wurde, so wandten
sich doch die jüngern Sprossen des Hauses ganz von der Beschäftigung mit dem
Buchgewerbe ab und dem Goldschmiedehandwerk zu, welches in ihrer Familie
vermutlich schon vor dem Buchhandel getrieben worden war. Ihr Name aber
wird in der Geschichte des deutschen Buchdrucks und Buchhandels für alle Zeiten
unvergessen bleiben um der reichgesegneten Thätigkeit willen, die einst Anthoni
Koberger und sein Vetter Hans entfaltet haben.

Von etwa 1470 an, wo Anthoni Koberger seine Druckerei in Nürnberg
aufthat, bis zum Schlüsse des Jahrhunderts sind gegen zweihundert zum Teil
bändereiche Werke aus seiner Presse hervorgegangen; es gelang ihm allmählich
alle seine Berufsgenossen zu überflügeln, sodaß er ums Jahr 1600 der bedeutendste
Buchdrucker seiner Zeit war. Nach eiuer ungefähren Schätzung des durch seine
Nachrichten über die Nürnberger Künstler bekannten Schrcibmeisters Neudörffer
druckte Koberger täglich mit vierundzwanzig Pressen und beschäftigte über
hundert Gesellen, also etwa dieselbe Zahl, welche im Jahre 1819 bei Breitkopf
und Härtel in Leipzig thätig war, als das Geschäft bereits das Fest seines
hundertjährigen Bestehens feierte. Noch heute können wir in Nürnberg einen
Eindruck von der Großartigkeit des Kvbergerschcn Betriebes erhalten, wenn wir
die zur Erleichterung desselben geschaffene Wasserleitung in Augenschein nehmen,
welche vom Stadtgraben bis zu dem Hause auf dem Ägidienplatz sich erstreckt
und seit 1881 wieder in den Besitz der Stadt übergegangen ist.

Die meisten aus jeuer Druckerei hervorgegangnen Werke haben sich erhalten
und gehören gegenwärtig um des „Geschmackes und der Gründlichkeit im Drucken"


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[0369] Buchdruck und Buchhandel im fünfzehnten Jahrhundert. Erscheinung mußte er in seiner Familie erfahren: die große Kindersterblichkeit, die mit dem Kinderreichtum des Mittelalters Hand in Hand ging. Von seinen fünfundzwanzig Kindern sind ihm zwölf jung gestorben und drei erlagen in reiferem Alter der Pest. Als Koberger aus dem Leben schied, war keiner seiner Söhne bereits soweit herangewachsen, um selbständig die Geschäfts¬ leitung übernehmen zu können. Deshalb ging dieselbe an seinen Vetter Hans Koberger über, welcher lange Zeit für Anthoni in Frankreich eine höchst be¬ deutsame Thätigkeit als Buchhändler entwickelt hatte. Diesem gelang es, das Geschäft in der Blüte zu erhalten, zu welcher es unter seinem Begründer gekommen war. Eigentümer desselben scheint er jedoch nicht gewesen sein, vielmehr verwaltete er es sür die minderjährigen Söhne Anthonis, unter denen der älteste Sohn, Anthoni der Jüngere, den nächsten Anspruch gehabt haben würde. Aber dieser Anthoni der Jüngere war ein Taugenichts und nahm ein ruhmloses Ende. Wenn sich bis auf ihn die Familie der Koberger in auf¬ steigender Linie bewegt hatte, so beginnt mit ihm der Rückgang. Keiner seiner Brüder, unter denen wenigstens Hans Koberger der Jüngere ein tüchtiger Mensch gewesen zu sein scheint, vermochte diesem Rückgang Einhalt zu thun. Im Jahre 15 26 erschien das letzte Kobergersche Verlagswerk, und obwohl noch eine Reihe von Jahren hindurch das Sortimcntsgeschäft weitergeführt wurde, so wandten sich doch die jüngern Sprossen des Hauses ganz von der Beschäftigung mit dem Buchgewerbe ab und dem Goldschmiedehandwerk zu, welches in ihrer Familie vermutlich schon vor dem Buchhandel getrieben worden war. Ihr Name aber wird in der Geschichte des deutschen Buchdrucks und Buchhandels für alle Zeiten unvergessen bleiben um der reichgesegneten Thätigkeit willen, die einst Anthoni Koberger und sein Vetter Hans entfaltet haben. Von etwa 1470 an, wo Anthoni Koberger seine Druckerei in Nürnberg aufthat, bis zum Schlüsse des Jahrhunderts sind gegen zweihundert zum Teil bändereiche Werke aus seiner Presse hervorgegangen; es gelang ihm allmählich alle seine Berufsgenossen zu überflügeln, sodaß er ums Jahr 1600 der bedeutendste Buchdrucker seiner Zeit war. Nach eiuer ungefähren Schätzung des durch seine Nachrichten über die Nürnberger Künstler bekannten Schrcibmeisters Neudörffer druckte Koberger täglich mit vierundzwanzig Pressen und beschäftigte über hundert Gesellen, also etwa dieselbe Zahl, welche im Jahre 1819 bei Breitkopf und Härtel in Leipzig thätig war, als das Geschäft bereits das Fest seines hundertjährigen Bestehens feierte. Noch heute können wir in Nürnberg einen Eindruck von der Großartigkeit des Kvbergerschcn Betriebes erhalten, wenn wir die zur Erleichterung desselben geschaffene Wasserleitung in Augenschein nehmen, welche vom Stadtgraben bis zu dem Hause auf dem Ägidienplatz sich erstreckt und seit 1881 wieder in den Besitz der Stadt übergegangen ist. Die meisten aus jeuer Druckerei hervorgegangnen Werke haben sich erhalten und gehören gegenwärtig um des „Geschmackes und der Gründlichkeit im Drucken" Grenzboten II. 1886. 4«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/369>, abgerufen am 25.07.2024.