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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Schwächen gesagt wird, ein wenig an die sich granlenden Kinder in dunkler
Stube, die laut sprechen und durch einander schreien, um sich Mut zu machen.
Doch darf uns dies nicht abhalten, nunmehr auch den wertvollen positiven
Angaben etwas näher zu treten, welche das Buch über deu gegenwärtigen Stand
des französischen Heerwesens in ausführlichster Weise macht. Für diese Mittei¬
lungen verdient der Verfasser unsern besondern Dank. Wir besitzen noch keine so
vollständige und übersichtliche Darstellung des französischen Heerwesens. Daß
sie in französischer Sprache geschrieben ist, erschwert keinem deutschen Offizier das
Verständnis, bietet aber manchem derselben einen nützlichen Anlaß, nebenbei
auch seine Sprachkcnntnisse aufzufrischen. Selbst der gewiegteste Kenner des
französischen Heerwesens wird in dem Buche neue Aufschlüsse finden. Die darin
enthaltenen Übertreibungen und Schönfärbereien sind zu ungeschickt, um uns zu
täuschen; manche Schwäche des französischen Heerwesens aber tritt für uns un¬
verhüllt zu Tage, weil die Unbefangenheit und Urteilsfähigkeit des Verfassers
offenbar nicht ausreichte, um sie seinerseits zu erkennen. Auch recht wertvolle
Andeutungen über Maßnahmen, die im Falle des Krieges gegen uns beabsichtigt
find, findet man darin. Dem Verfasser selbst sind Bedenken aufgestiegen, ob
seine Veröffentlichungen nicht Frankreich schaden könnten, doch beruhigt er sich
hierüber mit der Bemerkung: "Es ist ja klar, daß, so gut wie wir ein Nach-
richtenbüreau eingerichtet haben, um zu erfahren, was jenseits der Grenze vor¬
geht, man auch uns gegenüber so verfahren wird." Wir sind doch gespannt
daraus zu erfahren, ob man den Verfasser und seine Mitschuldigen nicht auf
Grund des soeben in Frankreich erlassenen Gesetzes wider die Spionage zur
Verantwortung ziehen wird.

Nach den chauvinistischen Einleitungen behandelt das Buch in neunzehn
Kapiteln eingehend die Ergänzung, Organisation, Ausrüstung, Stärke und Ver¬
teilung der gesamten Streitkräfte Frankreichs im Frieden, die Mobilmachung
und Kricgsformation derselben, endlich die Konzentration des Heeres an der
Grenze und die damit zusammenhängenden Maßnahmen. Jedes Kapitel schließt
mit der Versicherung, daß bezüglich der darin behandelten Einrichtungen Frank¬
reich uns snxm'ioiÄu ineontestMö über uns besitzt. Leise Zweifel schimmern
nur durch, ob dies auch von der Kavallerie und von dem Offizierkorps gesagt
werden könne. Verfasser bekennt, daß das Mißtrauen in die Tüchtigkeit des
letztern ein in Frankreich fast allgemein verbreitetes sei, und ist sich augen¬
scheinlich der Gefahren bewußt, welche, zumal nach Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht, daraus entspringen können. Zur Beseitigung dieses Mißtrauens
wählt er das eigentümliche Mittel, aus der Geschichte nachzuweisen, daß die
französischen Offiziere zu allen Zeiten nichts getaugt Hütten. Dies geschieht
allerdings, um daran einen Vergleich zu Gunsten der heutigen Offiziere zu
knüpfen. Ob solche Beweisführung aber geeignet ist, das Vertrauen seiner
Landsleute zu heben, mag dahingestellt bleiben; wir bekennen, daß sie auf uns


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Schwächen gesagt wird, ein wenig an die sich granlenden Kinder in dunkler
Stube, die laut sprechen und durch einander schreien, um sich Mut zu machen.
Doch darf uns dies nicht abhalten, nunmehr auch den wertvollen positiven
Angaben etwas näher zu treten, welche das Buch über deu gegenwärtigen Stand
des französischen Heerwesens in ausführlichster Weise macht. Für diese Mittei¬
lungen verdient der Verfasser unsern besondern Dank. Wir besitzen noch keine so
vollständige und übersichtliche Darstellung des französischen Heerwesens. Daß
sie in französischer Sprache geschrieben ist, erschwert keinem deutschen Offizier das
Verständnis, bietet aber manchem derselben einen nützlichen Anlaß, nebenbei
auch seine Sprachkcnntnisse aufzufrischen. Selbst der gewiegteste Kenner des
französischen Heerwesens wird in dem Buche neue Aufschlüsse finden. Die darin
enthaltenen Übertreibungen und Schönfärbereien sind zu ungeschickt, um uns zu
täuschen; manche Schwäche des französischen Heerwesens aber tritt für uns un¬
verhüllt zu Tage, weil die Unbefangenheit und Urteilsfähigkeit des Verfassers
offenbar nicht ausreichte, um sie seinerseits zu erkennen. Auch recht wertvolle
Andeutungen über Maßnahmen, die im Falle des Krieges gegen uns beabsichtigt
find, findet man darin. Dem Verfasser selbst sind Bedenken aufgestiegen, ob
seine Veröffentlichungen nicht Frankreich schaden könnten, doch beruhigt er sich
hierüber mit der Bemerkung: „Es ist ja klar, daß, so gut wie wir ein Nach-
richtenbüreau eingerichtet haben, um zu erfahren, was jenseits der Grenze vor¬
geht, man auch uns gegenüber so verfahren wird." Wir sind doch gespannt
daraus zu erfahren, ob man den Verfasser und seine Mitschuldigen nicht auf
Grund des soeben in Frankreich erlassenen Gesetzes wider die Spionage zur
Verantwortung ziehen wird.

Nach den chauvinistischen Einleitungen behandelt das Buch in neunzehn
Kapiteln eingehend die Ergänzung, Organisation, Ausrüstung, Stärke und Ver¬
teilung der gesamten Streitkräfte Frankreichs im Frieden, die Mobilmachung
und Kricgsformation derselben, endlich die Konzentration des Heeres an der
Grenze und die damit zusammenhängenden Maßnahmen. Jedes Kapitel schließt
mit der Versicherung, daß bezüglich der darin behandelten Einrichtungen Frank¬
reich uns snxm'ioiÄu ineontestMö über uns besitzt. Leise Zweifel schimmern
nur durch, ob dies auch von der Kavallerie und von dem Offizierkorps gesagt
werden könne. Verfasser bekennt, daß das Mißtrauen in die Tüchtigkeit des
letztern ein in Frankreich fast allgemein verbreitetes sei, und ist sich augen¬
scheinlich der Gefahren bewußt, welche, zumal nach Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht, daraus entspringen können. Zur Beseitigung dieses Mißtrauens
wählt er das eigentümliche Mittel, aus der Geschichte nachzuweisen, daß die
französischen Offiziere zu allen Zeiten nichts getaugt Hütten. Dies geschieht
allerdings, um daran einen Vergleich zu Gunsten der heutigen Offiziere zu
knüpfen. Ob solche Beweisführung aber geeignet ist, das Vertrauen seiner
Landsleute zu heben, mag dahingestellt bleiben; wir bekennen, daß sie auf uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/339>, abgerufen am 28.08.2024.