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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Abbe Lamennms,

Schriften schloß sich 1848 of 1" Kooiötö xrvmiöre ot. alö hos lois, on ve 1a
liöligimi an, der letzte Bruch mit seiner römischen Vergangenheit; aller Glaube
an eine übersinnliche Ordnung war nun ein Frevel gegen die Menschheit. Wie
einst die Revolution von 1830, so begrüßte Lamennais die von 1848 mit
Frohlocken; er forderte von ihr den Schlag der Wünschelrute, um die satanische
Weltordnung zu zertrümmern und das erträumte Lichtreich heraufzuführen;
vom 27. Februar an erschien sein mit Dnprat und Barbet gegründetes Jour¬
nal I.s l^miplc! vvusliwimt, starb jedoch schon am 11. Juli an Marasmus.
Alles kam anders, als der Schwärmer vermutet hatte, die bittersten Ent¬
täuschungen wurden sein tägliches Brot, und er nahm verzweifelt von seinen Lesern
Abschied. Noch einmal vergoldete ein Hoffnungsstrahl sein Dasein, als ihn
das Seinedepartemcnt in die Konstituante und nachher in die Legislative ent¬
sandte, wo der Repräsentant des Sozialismus natürlich auf der äußersten Linken
Platz nahm; sein als Mitglied des Verfassungsnusschnsses schon in der ersten
Sitzung unterbreitetes fertiges Verfassnngsprvjekt für die Republik war so ra¬
dikal, daß es unbeachtet blieb; er aber verwahrte sich gegen jede Nachgiebigkeit.
Auch seine neuen Publikationen in ultrarevolutionären Geiste machten wenig
Eindruck mehr. Regelmäßig in den Sitzungen der Nationalversammlung an¬
wesend, protestirte er durch Stillschweigen gegen ihm mißliebige Akte. All seine
Illusionen begrub der unselige Staatsstreich vom 2. Dezember 1851; mit tiefer
Trauer fragte er sich, was seine christlich-sozialen Trünme nun noch bedeuten
sollten.

Er zog sich vom öffentlichen Leben zurück, ordnete die Gcsamtansgabe seiner
Werke an und betrieb mit jugendlichem Eifer das Studium Dantes. Er wies
alle Versuche Pius' IX., ihn mit der Kirche auszusöhnen, ebenso entschieden von
der Hand wie die Bckehrnngsbemühungen ans dem Sterbebette, blieb der un¬
versöhnliche Feind des herrschenden Chnstentnms und verbot, sein Grab durch
ein Kreuz oder einen Stein kenntlich zu machen, sowie ein Wort über seinen
Gebeinen zu reden. Ruhig verschied er in seinen Irrtümern, die bei ihm zum
festen Glauben geworden waren, am 27. Februar 1854. War sein Geburtstag
der Pascals, mit dem ihn einst seine Bewunderer verglichen, so starb er an dem
Tage, da Renan das Licht erblickte. Ungeheure VvMmasfen begleiteten die
Leiche des von Rom abgefallenen zum Pere Lachaise, die Polizei hatte Militär
aufgeboten und ließ nur acht Leute mit dem Sarge den Friedhof betreten. Dort
ruht er, aber kein Zeichen der Trauer oder Liebe nennt die Stelle. Er besaß
Kraft, aber keine Tiefe. Angst und Zweifel hatten die hochmütige Priestersecte
durchstürmt, Nacht auf Nacht sich um ihn geschichtet; er aber konnte es nicht
über sich gewinne", demütig die Hände zu falten und das Gewand des Erlösers
zu erfassen; er wagte den Kampf mit Gott, als ihn der Papst verstieß, aber
dem Israel der Bibel nicht gewachsen, sank er zerschmettert zu Boden. Und so
schluchzte er denn auf: "Wenn Fluten von Licht und Ströme von Feuer eine andre


Abbe Lamennms,

Schriften schloß sich 1848 of 1» Kooiötö xrvmiöre ot. alö hos lois, on ve 1a
liöligimi an, der letzte Bruch mit seiner römischen Vergangenheit; aller Glaube
an eine übersinnliche Ordnung war nun ein Frevel gegen die Menschheit. Wie
einst die Revolution von 1830, so begrüßte Lamennais die von 1848 mit
Frohlocken; er forderte von ihr den Schlag der Wünschelrute, um die satanische
Weltordnung zu zertrümmern und das erträumte Lichtreich heraufzuführen;
vom 27. Februar an erschien sein mit Dnprat und Barbet gegründetes Jour¬
nal I.s l^miplc! vvusliwimt, starb jedoch schon am 11. Juli an Marasmus.
Alles kam anders, als der Schwärmer vermutet hatte, die bittersten Ent¬
täuschungen wurden sein tägliches Brot, und er nahm verzweifelt von seinen Lesern
Abschied. Noch einmal vergoldete ein Hoffnungsstrahl sein Dasein, als ihn
das Seinedepartemcnt in die Konstituante und nachher in die Legislative ent¬
sandte, wo der Repräsentant des Sozialismus natürlich auf der äußersten Linken
Platz nahm; sein als Mitglied des Verfassungsnusschnsses schon in der ersten
Sitzung unterbreitetes fertiges Verfassnngsprvjekt für die Republik war so ra¬
dikal, daß es unbeachtet blieb; er aber verwahrte sich gegen jede Nachgiebigkeit.
Auch seine neuen Publikationen in ultrarevolutionären Geiste machten wenig
Eindruck mehr. Regelmäßig in den Sitzungen der Nationalversammlung an¬
wesend, protestirte er durch Stillschweigen gegen ihm mißliebige Akte. All seine
Illusionen begrub der unselige Staatsstreich vom 2. Dezember 1851; mit tiefer
Trauer fragte er sich, was seine christlich-sozialen Trünme nun noch bedeuten
sollten.

Er zog sich vom öffentlichen Leben zurück, ordnete die Gcsamtansgabe seiner
Werke an und betrieb mit jugendlichem Eifer das Studium Dantes. Er wies
alle Versuche Pius' IX., ihn mit der Kirche auszusöhnen, ebenso entschieden von
der Hand wie die Bckehrnngsbemühungen ans dem Sterbebette, blieb der un¬
versöhnliche Feind des herrschenden Chnstentnms und verbot, sein Grab durch
ein Kreuz oder einen Stein kenntlich zu machen, sowie ein Wort über seinen
Gebeinen zu reden. Ruhig verschied er in seinen Irrtümern, die bei ihm zum
festen Glauben geworden waren, am 27. Februar 1854. War sein Geburtstag
der Pascals, mit dem ihn einst seine Bewunderer verglichen, so starb er an dem
Tage, da Renan das Licht erblickte. Ungeheure VvMmasfen begleiteten die
Leiche des von Rom abgefallenen zum Pere Lachaise, die Polizei hatte Militär
aufgeboten und ließ nur acht Leute mit dem Sarge den Friedhof betreten. Dort
ruht er, aber kein Zeichen der Trauer oder Liebe nennt die Stelle. Er besaß
Kraft, aber keine Tiefe. Angst und Zweifel hatten die hochmütige Priestersecte
durchstürmt, Nacht auf Nacht sich um ihn geschichtet; er aber konnte es nicht
über sich gewinne», demütig die Hände zu falten und das Gewand des Erlösers
zu erfassen; er wagte den Kampf mit Gott, als ihn der Papst verstieß, aber
dem Israel der Bibel nicht gewachsen, sank er zerschmettert zu Boden. Und so
schluchzte er denn auf: „Wenn Fluten von Licht und Ströme von Feuer eine andre


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[0320] Abbe Lamennms, Schriften schloß sich 1848 of 1» Kooiötö xrvmiöre ot. alö hos lois, on ve 1a liöligimi an, der letzte Bruch mit seiner römischen Vergangenheit; aller Glaube an eine übersinnliche Ordnung war nun ein Frevel gegen die Menschheit. Wie einst die Revolution von 1830, so begrüßte Lamennais die von 1848 mit Frohlocken; er forderte von ihr den Schlag der Wünschelrute, um die satanische Weltordnung zu zertrümmern und das erträumte Lichtreich heraufzuführen; vom 27. Februar an erschien sein mit Dnprat und Barbet gegründetes Jour¬ nal I.s l^miplc! vvusliwimt, starb jedoch schon am 11. Juli an Marasmus. Alles kam anders, als der Schwärmer vermutet hatte, die bittersten Ent¬ täuschungen wurden sein tägliches Brot, und er nahm verzweifelt von seinen Lesern Abschied. Noch einmal vergoldete ein Hoffnungsstrahl sein Dasein, als ihn das Seinedepartemcnt in die Konstituante und nachher in die Legislative ent¬ sandte, wo der Repräsentant des Sozialismus natürlich auf der äußersten Linken Platz nahm; sein als Mitglied des Verfassungsnusschnsses schon in der ersten Sitzung unterbreitetes fertiges Verfassnngsprvjekt für die Republik war so ra¬ dikal, daß es unbeachtet blieb; er aber verwahrte sich gegen jede Nachgiebigkeit. Auch seine neuen Publikationen in ultrarevolutionären Geiste machten wenig Eindruck mehr. Regelmäßig in den Sitzungen der Nationalversammlung an¬ wesend, protestirte er durch Stillschweigen gegen ihm mißliebige Akte. All seine Illusionen begrub der unselige Staatsstreich vom 2. Dezember 1851; mit tiefer Trauer fragte er sich, was seine christlich-sozialen Trünme nun noch bedeuten sollten. Er zog sich vom öffentlichen Leben zurück, ordnete die Gcsamtansgabe seiner Werke an und betrieb mit jugendlichem Eifer das Studium Dantes. Er wies alle Versuche Pius' IX., ihn mit der Kirche auszusöhnen, ebenso entschieden von der Hand wie die Bckehrnngsbemühungen ans dem Sterbebette, blieb der un¬ versöhnliche Feind des herrschenden Chnstentnms und verbot, sein Grab durch ein Kreuz oder einen Stein kenntlich zu machen, sowie ein Wort über seinen Gebeinen zu reden. Ruhig verschied er in seinen Irrtümern, die bei ihm zum festen Glauben geworden waren, am 27. Februar 1854. War sein Geburtstag der Pascals, mit dem ihn einst seine Bewunderer verglichen, so starb er an dem Tage, da Renan das Licht erblickte. Ungeheure VvMmasfen begleiteten die Leiche des von Rom abgefallenen zum Pere Lachaise, die Polizei hatte Militär aufgeboten und ließ nur acht Leute mit dem Sarge den Friedhof betreten. Dort ruht er, aber kein Zeichen der Trauer oder Liebe nennt die Stelle. Er besaß Kraft, aber keine Tiefe. Angst und Zweifel hatten die hochmütige Priestersecte durchstürmt, Nacht auf Nacht sich um ihn geschichtet; er aber konnte es nicht über sich gewinne», demütig die Hände zu falten und das Gewand des Erlösers zu erfassen; er wagte den Kampf mit Gott, als ihn der Papst verstieß, aber dem Israel der Bibel nicht gewachsen, sank er zerschmettert zu Boden. Und so schluchzte er denn auf: „Wenn Fluten von Licht und Ströme von Feuer eine andre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/320>, abgerufen am 28.12.2024.