Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich muß mich darauf beschränken, über den weitern Verlauf von Roberts
und Klaras sturmvoller Brautzeit nur kurz zu berichten^ Wiecks Widerstand
gegen die Verheiratung verschärfte sich so sehr, daß eine Ausgleichung auf fried¬
lichem Wege zuletzt vollkommen aussichtslos war. Schumann sah sich gezwungen,
den Weg Rechtens zu betreten, Wiecks Weigerungsgründe wurden vom Gericht
verworfen, und so konnte denn endlich am 12. September 1840 die Heirat ge¬
schlossen werden. Noch kurz zuvor legten beide ein öffentliches Zeugnis ihres
Herzensbündnisses ab: Schumann widmete "seiner geliebten Braut" einen Lieder-
krcis, den er "Myrthen" nannte, Klara ihm ihr elftes Werk: Romanzen für
Pianoforte, die letzten unter ihrem Mädchennamen erschienenen Kompositioneis.

Während der letzten drei Jahre vermied Schumann es, in seiner Zeitschrift
über Klara zu schreiben (nur unter den vermischten Nachrichten ist sie einige
male kurz erwähnt), zuletzt in einem schönen Artikel über ihre "Soireen," am
12. September 1837, "dem Vorabend des Tages, der einer geliebten Künstlerin
das Leben gab," des Tages, an welchem er ihrem Vater seine Herzenshoffnungen
endlich kundzugeben wagte. Ein Jahr später feierte er sie uoch einmal durch
ein. "Traumbild," das am Abend ihres Konzerts am 9. September entstand,
in der Zeitschrift aber unter der verhüllenden Chiffre A. L. erschien.*)

Der Eindruck, den man von den Jugendbriefen Schumanns erhält, ist über¬
aus wohlthuend. Das Bild seiner Persönlichkeit wird durch eine solche Fülle
schöner Züge vervollständigt, daß es für den, der sie unbefangen auf sich wirken
läßt, unmöglich scheint, einen Mann von solchem Adel der Gesinnung, von
solcher Geradheit in seinem ganzen Verhalten und Thun nicht von Herzen lieb
zu gewinnen. Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten des Buches zu be¬
sprechen ; nur einiges sei herausgehoben, was in diesen Selbstbekenntnissen Schu¬
manns den Kern seines Wesens Heller als bisher beleuchtet und namentlich
darthut, wie klar er über sich, seine Fähigkeiten, auch über seine Fehler und
Eigenheiten dachte. Von der innigen Anhänglichkeit an die Seinigen ist schon
die Rede gewesen. Vor ihnen lag sein inneres und äußeres Leben offen da,
über alles, was ihn bewegte in Freud und Leid, sprach er sich rückhaltlos aus.
Fremden gegenüber war das anders, da zeigte er sich -- in jüngern Jahren
nicht so auffällig wie später -- oft wortkarg und gesellig ungewandt. Daß er
sich damit leicht Mißdeutungen aussetzte, wußte er. "Eine gewisse Schüchtern¬
heit vor der Welt kann ich nicht ganz verbergen; und es hätte wenig zu be¬
deuten, wenn ich manchmal gröber wäre." "Bei der iMaraj Novellv war ich
neulich einmal; wir sprachen französisch -- ist doch kaum deutsch ein Wort aus
mir zu bringen, also blutwenig vom Allergewöhnlichsten." "Bin ich manchmal



habe; darnach sei zu "kmNrvlireu," was er beigesteuert habe. Es steht aber uicht ein einziger
Artikel mit Wiecks Namen in der Zeitschrift! Der Schumann-Bivgrnph berichtet also ganz
unbefangen über Aufsätze der Zeitschrift, die er garnicht gelesen hat!
*) In den Gesammelten Schriften steht das Gedicht unter Florestans und Eusebius' Namen.

Ich muß mich darauf beschränken, über den weitern Verlauf von Roberts
und Klaras sturmvoller Brautzeit nur kurz zu berichten^ Wiecks Widerstand
gegen die Verheiratung verschärfte sich so sehr, daß eine Ausgleichung auf fried¬
lichem Wege zuletzt vollkommen aussichtslos war. Schumann sah sich gezwungen,
den Weg Rechtens zu betreten, Wiecks Weigerungsgründe wurden vom Gericht
verworfen, und so konnte denn endlich am 12. September 1840 die Heirat ge¬
schlossen werden. Noch kurz zuvor legten beide ein öffentliches Zeugnis ihres
Herzensbündnisses ab: Schumann widmete „seiner geliebten Braut" einen Lieder-
krcis, den er „Myrthen" nannte, Klara ihm ihr elftes Werk: Romanzen für
Pianoforte, die letzten unter ihrem Mädchennamen erschienenen Kompositioneis.

Während der letzten drei Jahre vermied Schumann es, in seiner Zeitschrift
über Klara zu schreiben (nur unter den vermischten Nachrichten ist sie einige
male kurz erwähnt), zuletzt in einem schönen Artikel über ihre „Soireen," am
12. September 1837, „dem Vorabend des Tages, der einer geliebten Künstlerin
das Leben gab," des Tages, an welchem er ihrem Vater seine Herzenshoffnungen
endlich kundzugeben wagte. Ein Jahr später feierte er sie uoch einmal durch
ein. „Traumbild," das am Abend ihres Konzerts am 9. September entstand,
in der Zeitschrift aber unter der verhüllenden Chiffre A. L. erschien.*)

Der Eindruck, den man von den Jugendbriefen Schumanns erhält, ist über¬
aus wohlthuend. Das Bild seiner Persönlichkeit wird durch eine solche Fülle
schöner Züge vervollständigt, daß es für den, der sie unbefangen auf sich wirken
läßt, unmöglich scheint, einen Mann von solchem Adel der Gesinnung, von
solcher Geradheit in seinem ganzen Verhalten und Thun nicht von Herzen lieb
zu gewinnen. Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten des Buches zu be¬
sprechen ; nur einiges sei herausgehoben, was in diesen Selbstbekenntnissen Schu¬
manns den Kern seines Wesens Heller als bisher beleuchtet und namentlich
darthut, wie klar er über sich, seine Fähigkeiten, auch über seine Fehler und
Eigenheiten dachte. Von der innigen Anhänglichkeit an die Seinigen ist schon
die Rede gewesen. Vor ihnen lag sein inneres und äußeres Leben offen da,
über alles, was ihn bewegte in Freud und Leid, sprach er sich rückhaltlos aus.
Fremden gegenüber war das anders, da zeigte er sich — in jüngern Jahren
nicht so auffällig wie später — oft wortkarg und gesellig ungewandt. Daß er
sich damit leicht Mißdeutungen aussetzte, wußte er. „Eine gewisse Schüchtern¬
heit vor der Welt kann ich nicht ganz verbergen; und es hätte wenig zu be¬
deuten, wenn ich manchmal gröber wäre." „Bei der iMaraj Novellv war ich
neulich einmal; wir sprachen französisch — ist doch kaum deutsch ein Wort aus
mir zu bringen, also blutwenig vom Allergewöhnlichsten." „Bin ich manchmal



habe; darnach sei zu „kmNrvlireu," was er beigesteuert habe. Es steht aber uicht ein einziger
Artikel mit Wiecks Namen in der Zeitschrift! Der Schumann-Bivgrnph berichtet also ganz
unbefangen über Aufsätze der Zeitschrift, die er garnicht gelesen hat!
*) In den Gesammelten Schriften steht das Gedicht unter Florestans und Eusebius' Namen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198346"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_805"> Ich muß mich darauf beschränken, über den weitern Verlauf von Roberts<lb/>
und Klaras sturmvoller Brautzeit nur kurz zu berichten^ Wiecks Widerstand<lb/>
gegen die Verheiratung verschärfte sich so sehr, daß eine Ausgleichung auf fried¬<lb/>
lichem Wege zuletzt vollkommen aussichtslos war. Schumann sah sich gezwungen,<lb/>
den Weg Rechtens zu betreten, Wiecks Weigerungsgründe wurden vom Gericht<lb/>
verworfen, und so konnte denn endlich am 12. September 1840 die Heirat ge¬<lb/>
schlossen werden. Noch kurz zuvor legten beide ein öffentliches Zeugnis ihres<lb/>
Herzensbündnisses ab: Schumann widmete &#x201E;seiner geliebten Braut" einen Lieder-<lb/>
krcis, den er &#x201E;Myrthen" nannte, Klara ihm ihr elftes Werk: Romanzen für<lb/>
Pianoforte, die letzten unter ihrem Mädchennamen erschienenen Kompositioneis.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_806"> Während der letzten drei Jahre vermied Schumann es, in seiner Zeitschrift<lb/>
über Klara zu schreiben (nur unter den vermischten Nachrichten ist sie einige<lb/>
male kurz erwähnt), zuletzt in einem schönen Artikel über ihre &#x201E;Soireen," am<lb/>
12. September 1837, &#x201E;dem Vorabend des Tages, der einer geliebten Künstlerin<lb/>
das Leben gab," des Tages, an welchem er ihrem Vater seine Herzenshoffnungen<lb/>
endlich kundzugeben wagte. Ein Jahr später feierte er sie uoch einmal durch<lb/>
ein. &#x201E;Traumbild," das am Abend ihres Konzerts am 9. September entstand,<lb/>
in der Zeitschrift aber unter der verhüllenden Chiffre A. L. erschien.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_807" next="#ID_808"> Der Eindruck, den man von den Jugendbriefen Schumanns erhält, ist über¬<lb/>
aus wohlthuend. Das Bild seiner Persönlichkeit wird durch eine solche Fülle<lb/>
schöner Züge vervollständigt, daß es für den, der sie unbefangen auf sich wirken<lb/>
läßt, unmöglich scheint, einen Mann von solchem Adel der Gesinnung, von<lb/>
solcher Geradheit in seinem ganzen Verhalten und Thun nicht von Herzen lieb<lb/>
zu gewinnen. Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten des Buches zu be¬<lb/>
sprechen ; nur einiges sei herausgehoben, was in diesen Selbstbekenntnissen Schu¬<lb/>
manns den Kern seines Wesens Heller als bisher beleuchtet und namentlich<lb/>
darthut, wie klar er über sich, seine Fähigkeiten, auch über seine Fehler und<lb/>
Eigenheiten dachte. Von der innigen Anhänglichkeit an die Seinigen ist schon<lb/>
die Rede gewesen. Vor ihnen lag sein inneres und äußeres Leben offen da,<lb/>
über alles, was ihn bewegte in Freud und Leid, sprach er sich rückhaltlos aus.<lb/>
Fremden gegenüber war das anders, da zeigte er sich &#x2014; in jüngern Jahren<lb/>
nicht so auffällig wie später &#x2014; oft wortkarg und gesellig ungewandt. Daß er<lb/>
sich damit leicht Mißdeutungen aussetzte, wußte er. &#x201E;Eine gewisse Schüchtern¬<lb/>
heit vor der Welt kann ich nicht ganz verbergen; und es hätte wenig zu be¬<lb/>
deuten, wenn ich manchmal gröber wäre." &#x201E;Bei der iMaraj Novellv war ich<lb/>
neulich einmal; wir sprachen französisch &#x2014; ist doch kaum deutsch ein Wort aus<lb/>
mir zu bringen, also blutwenig vom Allergewöhnlichsten." &#x201E;Bin ich manchmal</p><lb/>
          <note xml:id="FID_18" prev="#FID_17" place="foot"> habe; darnach sei zu &#x201E;kmNrvlireu," was er beigesteuert habe. Es steht aber uicht ein einziger<lb/>
Artikel mit Wiecks Namen in der Zeitschrift! Der Schumann-Bivgrnph berichtet also ganz<lb/>
unbefangen über Aufsätze der Zeitschrift, die er garnicht gelesen hat!</note><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot"> *) In den Gesammelten Schriften steht das Gedicht unter Florestans und Eusebius' Namen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] Ich muß mich darauf beschränken, über den weitern Verlauf von Roberts und Klaras sturmvoller Brautzeit nur kurz zu berichten^ Wiecks Widerstand gegen die Verheiratung verschärfte sich so sehr, daß eine Ausgleichung auf fried¬ lichem Wege zuletzt vollkommen aussichtslos war. Schumann sah sich gezwungen, den Weg Rechtens zu betreten, Wiecks Weigerungsgründe wurden vom Gericht verworfen, und so konnte denn endlich am 12. September 1840 die Heirat ge¬ schlossen werden. Noch kurz zuvor legten beide ein öffentliches Zeugnis ihres Herzensbündnisses ab: Schumann widmete „seiner geliebten Braut" einen Lieder- krcis, den er „Myrthen" nannte, Klara ihm ihr elftes Werk: Romanzen für Pianoforte, die letzten unter ihrem Mädchennamen erschienenen Kompositioneis. Während der letzten drei Jahre vermied Schumann es, in seiner Zeitschrift über Klara zu schreiben (nur unter den vermischten Nachrichten ist sie einige male kurz erwähnt), zuletzt in einem schönen Artikel über ihre „Soireen," am 12. September 1837, „dem Vorabend des Tages, der einer geliebten Künstlerin das Leben gab," des Tages, an welchem er ihrem Vater seine Herzenshoffnungen endlich kundzugeben wagte. Ein Jahr später feierte er sie uoch einmal durch ein. „Traumbild," das am Abend ihres Konzerts am 9. September entstand, in der Zeitschrift aber unter der verhüllenden Chiffre A. L. erschien.*) Der Eindruck, den man von den Jugendbriefen Schumanns erhält, ist über¬ aus wohlthuend. Das Bild seiner Persönlichkeit wird durch eine solche Fülle schöner Züge vervollständigt, daß es für den, der sie unbefangen auf sich wirken läßt, unmöglich scheint, einen Mann von solchem Adel der Gesinnung, von solcher Geradheit in seinem ganzen Verhalten und Thun nicht von Herzen lieb zu gewinnen. Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten des Buches zu be¬ sprechen ; nur einiges sei herausgehoben, was in diesen Selbstbekenntnissen Schu¬ manns den Kern seines Wesens Heller als bisher beleuchtet und namentlich darthut, wie klar er über sich, seine Fähigkeiten, auch über seine Fehler und Eigenheiten dachte. Von der innigen Anhänglichkeit an die Seinigen ist schon die Rede gewesen. Vor ihnen lag sein inneres und äußeres Leben offen da, über alles, was ihn bewegte in Freud und Leid, sprach er sich rückhaltlos aus. Fremden gegenüber war das anders, da zeigte er sich — in jüngern Jahren nicht so auffällig wie später — oft wortkarg und gesellig ungewandt. Daß er sich damit leicht Mißdeutungen aussetzte, wußte er. „Eine gewisse Schüchtern¬ heit vor der Welt kann ich nicht ganz verbergen; und es hätte wenig zu be¬ deuten, wenn ich manchmal gröber wäre." „Bei der iMaraj Novellv war ich neulich einmal; wir sprachen französisch — ist doch kaum deutsch ein Wort aus mir zu bringen, also blutwenig vom Allergewöhnlichsten." „Bin ich manchmal habe; darnach sei zu „kmNrvlireu," was er beigesteuert habe. Es steht aber uicht ein einziger Artikel mit Wiecks Namen in der Zeitschrift! Der Schumann-Bivgrnph berichtet also ganz unbefangen über Aufsätze der Zeitschrift, die er garnicht gelesen hat! *) In den Gesammelten Schriften steht das Gedicht unter Florestans und Eusebius' Namen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/280>, abgerufen am 25.07.2024.