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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.

Guinea-Kompagnie besteht aus Mitgliedern, welche in der finanziellen und poli¬
tischen Welt einen bedeutenden Namen haben; der frühere Admiral Freiherr von
Schleinitz ist als Landeshauptmann in das Schutzgebiet abgegangen, Dampfer¬
verbindungen sind zwischen den Hauptpunkten hergestellt, Kulturtechuiker sind zu
Aufnahmen, Vermessungen und Untersuchungen ausgeschickt, und das ganze Unter¬
nehmen deutet auf Ernst und volle, durch reiche Mittel unterstützte Hingebung.

Im allgemeinen steht der Umfang der Schutzgebiete fest, doch sind im einzelnen
wohl noch die Grenzen zu reguliren. Es war für Deutschland nicht leicht, anch
nur in den Anfang von Kolonialunteruchmnngen einzutreten. Die Regierung,
die nicht einmal in der gewählten Vcrtrcterschnft des Volkes eine Unterstützung
faud, hatte auch dem rivalisirenden Ausland gegenüber einen harten Stand.
Es gab namentlich mit Frankreich und England allerlei diplomatische Verhand-
lungen, von denen die mit Frankreich bereits zu einer freundschaftlichen Ver¬
ständigung geführt haben, während die mit England zum Teil erst angebahnt sind.

Um mit Energie in den Schutzgebieten deren Kultur und Nutzbarmachung
vorbereiten zu können, bedürfte es einer sichern rechtlichen Grundlage. Für eine
solche boten die Bestimmungen der Reichsverfassung keinen zweifellosen Anhalt.
Wenn so viel klar war, daß die Schutzgebiete nicht als Inland betrachtet werden
konnten, da sie nur durch Gesetz dem Reiche hätten einverleibt werden können,
so war nicht minder unzweifelhaft, daß sie auch nicht als Ausland angesehen
werden konnten, da dem Kaiser im Namen des Reiches daselbst wichtige Hoheits¬
rechte zustanden. Der Reichstag war aber zunächst nicht geneigt, zu einer end-
giltigen Regelung des staatsrechtlichen Verhältnisses die Hand zu bieten, es war
von ihm nur in dem Etat ein Panschquantum von 200 000 Mark zu erlange",
welches, provisorischer Natur, die Sache nicht vorwärts brachte. Für die
Kolonialverwaltung war, soweit es sich um Administrativmaßregelu handelt,
keine Verlegenheit. Eine Summe von Hoheitsrechten war auf das Reich über¬
gegangen, und man konnte mit Fug und Recht sagen, daß bei dem Mangel
andrer Bestimmungen der Kaiser als das höchste Organ des Reiches zur Aus¬
übung dieser Rechte berufen war. Allein zweifelhaft konnte es schon sein, wie
weit ohne gesetzliche Ermächtigung die in den Schutzgebieten lebenden Reichs-
migehörigcn jener absoluten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen waren, und
noch zweifelhafter, wie ohne Mitwirkung heimischer Gerichte eine rechtliche Or¬
ganisation herzustellen war. Diesen Zweifeln gegenüber war es wiederum un¬
zweifelhaft, daß eine gedeihliche Behandlung der Angelegenheit nicht an die
Form parlamentarischer Verfassung geknüpft werden durfte, daß die kaiserliche
Verwaltung volle Freiheit der Bewegung haben mußte und weder durch eine
Mitwirkung des Bundesrates noch durch eine Zustimmung des Reichstags ein¬
geengt und beschränkt werden durfte.

Von diesem Gesichtspunkte ans legte die kaiserliche Regierung mit Beginn
der gegenwärtigen Session dem Bundesrate einen Gesetzentwurf vor, wonach die


Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.

Guinea-Kompagnie besteht aus Mitgliedern, welche in der finanziellen und poli¬
tischen Welt einen bedeutenden Namen haben; der frühere Admiral Freiherr von
Schleinitz ist als Landeshauptmann in das Schutzgebiet abgegangen, Dampfer¬
verbindungen sind zwischen den Hauptpunkten hergestellt, Kulturtechuiker sind zu
Aufnahmen, Vermessungen und Untersuchungen ausgeschickt, und das ganze Unter¬
nehmen deutet auf Ernst und volle, durch reiche Mittel unterstützte Hingebung.

Im allgemeinen steht der Umfang der Schutzgebiete fest, doch sind im einzelnen
wohl noch die Grenzen zu reguliren. Es war für Deutschland nicht leicht, anch
nur in den Anfang von Kolonialunteruchmnngen einzutreten. Die Regierung,
die nicht einmal in der gewählten Vcrtrcterschnft des Volkes eine Unterstützung
faud, hatte auch dem rivalisirenden Ausland gegenüber einen harten Stand.
Es gab namentlich mit Frankreich und England allerlei diplomatische Verhand-
lungen, von denen die mit Frankreich bereits zu einer freundschaftlichen Ver¬
ständigung geführt haben, während die mit England zum Teil erst angebahnt sind.

Um mit Energie in den Schutzgebieten deren Kultur und Nutzbarmachung
vorbereiten zu können, bedürfte es einer sichern rechtlichen Grundlage. Für eine
solche boten die Bestimmungen der Reichsverfassung keinen zweifellosen Anhalt.
Wenn so viel klar war, daß die Schutzgebiete nicht als Inland betrachtet werden
konnten, da sie nur durch Gesetz dem Reiche hätten einverleibt werden können,
so war nicht minder unzweifelhaft, daß sie auch nicht als Ausland angesehen
werden konnten, da dem Kaiser im Namen des Reiches daselbst wichtige Hoheits¬
rechte zustanden. Der Reichstag war aber zunächst nicht geneigt, zu einer end-
giltigen Regelung des staatsrechtlichen Verhältnisses die Hand zu bieten, es war
von ihm nur in dem Etat ein Panschquantum von 200 000 Mark zu erlange»,
welches, provisorischer Natur, die Sache nicht vorwärts brachte. Für die
Kolonialverwaltung war, soweit es sich um Administrativmaßregelu handelt,
keine Verlegenheit. Eine Summe von Hoheitsrechten war auf das Reich über¬
gegangen, und man konnte mit Fug und Recht sagen, daß bei dem Mangel
andrer Bestimmungen der Kaiser als das höchste Organ des Reiches zur Aus¬
übung dieser Rechte berufen war. Allein zweifelhaft konnte es schon sein, wie
weit ohne gesetzliche Ermächtigung die in den Schutzgebieten lebenden Reichs-
migehörigcn jener absoluten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen waren, und
noch zweifelhafter, wie ohne Mitwirkung heimischer Gerichte eine rechtliche Or¬
ganisation herzustellen war. Diesen Zweifeln gegenüber war es wiederum un¬
zweifelhaft, daß eine gedeihliche Behandlung der Angelegenheit nicht an die
Form parlamentarischer Verfassung geknüpft werden durfte, daß die kaiserliche
Verwaltung volle Freiheit der Bewegung haben mußte und weder durch eine
Mitwirkung des Bundesrates noch durch eine Zustimmung des Reichstags ein¬
geengt und beschränkt werden durfte.

Von diesem Gesichtspunkte ans legte die kaiserliche Regierung mit Beginn
der gegenwärtigen Session dem Bundesrate einen Gesetzentwurf vor, wonach die


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[0267] Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse. Guinea-Kompagnie besteht aus Mitgliedern, welche in der finanziellen und poli¬ tischen Welt einen bedeutenden Namen haben; der frühere Admiral Freiherr von Schleinitz ist als Landeshauptmann in das Schutzgebiet abgegangen, Dampfer¬ verbindungen sind zwischen den Hauptpunkten hergestellt, Kulturtechuiker sind zu Aufnahmen, Vermessungen und Untersuchungen ausgeschickt, und das ganze Unter¬ nehmen deutet auf Ernst und volle, durch reiche Mittel unterstützte Hingebung. Im allgemeinen steht der Umfang der Schutzgebiete fest, doch sind im einzelnen wohl noch die Grenzen zu reguliren. Es war für Deutschland nicht leicht, anch nur in den Anfang von Kolonialunteruchmnngen einzutreten. Die Regierung, die nicht einmal in der gewählten Vcrtrcterschnft des Volkes eine Unterstützung faud, hatte auch dem rivalisirenden Ausland gegenüber einen harten Stand. Es gab namentlich mit Frankreich und England allerlei diplomatische Verhand- lungen, von denen die mit Frankreich bereits zu einer freundschaftlichen Ver¬ ständigung geführt haben, während die mit England zum Teil erst angebahnt sind. Um mit Energie in den Schutzgebieten deren Kultur und Nutzbarmachung vorbereiten zu können, bedürfte es einer sichern rechtlichen Grundlage. Für eine solche boten die Bestimmungen der Reichsverfassung keinen zweifellosen Anhalt. Wenn so viel klar war, daß die Schutzgebiete nicht als Inland betrachtet werden konnten, da sie nur durch Gesetz dem Reiche hätten einverleibt werden können, so war nicht minder unzweifelhaft, daß sie auch nicht als Ausland angesehen werden konnten, da dem Kaiser im Namen des Reiches daselbst wichtige Hoheits¬ rechte zustanden. Der Reichstag war aber zunächst nicht geneigt, zu einer end- giltigen Regelung des staatsrechtlichen Verhältnisses die Hand zu bieten, es war von ihm nur in dem Etat ein Panschquantum von 200 000 Mark zu erlange», welches, provisorischer Natur, die Sache nicht vorwärts brachte. Für die Kolonialverwaltung war, soweit es sich um Administrativmaßregelu handelt, keine Verlegenheit. Eine Summe von Hoheitsrechten war auf das Reich über¬ gegangen, und man konnte mit Fug und Recht sagen, daß bei dem Mangel andrer Bestimmungen der Kaiser als das höchste Organ des Reiches zur Aus¬ übung dieser Rechte berufen war. Allein zweifelhaft konnte es schon sein, wie weit ohne gesetzliche Ermächtigung die in den Schutzgebieten lebenden Reichs- migehörigcn jener absoluten kaiserlichen Herrschaft zu unterwerfen waren, und noch zweifelhafter, wie ohne Mitwirkung heimischer Gerichte eine rechtliche Or¬ ganisation herzustellen war. Diesen Zweifeln gegenüber war es wiederum un¬ zweifelhaft, daß eine gedeihliche Behandlung der Angelegenheit nicht an die Form parlamentarischer Verfassung geknüpft werden durfte, daß die kaiserliche Verwaltung volle Freiheit der Bewegung haben mußte und weder durch eine Mitwirkung des Bundesrates noch durch eine Zustimmung des Reichstags ein¬ geengt und beschränkt werden durfte. Von diesem Gesichtspunkte ans legte die kaiserliche Regierung mit Beginn der gegenwärtigen Session dem Bundesrate einen Gesetzentwurf vor, wonach die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/267>, abgerufen am 24.07.2024.