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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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an: Was giebts, Joao? Was treibt dich aus deiner Halle so eilig hierher? Ist
Besuch gekommen? Ist einer von den Brüdern Evvra in Sicht?

Der Hausmeister, gleich seinem Herr" eine hohe und feste Kriegergestalt,
ein Fünfziger, dessen dunkles Haar sich kaum an den Schläfen grau zu färben
begann, schüttelte den mächtigen Kopf und rief: Kein Besuch, Herr, aber eine
Botschaft, nud wie mich dünkt, keine frohe, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge
ist auf einem Klepper von Ciutra herübergekommen, er muß vor Tagesanbruch
weggeritten sein, will auch jetzt nichts als einen Trunk Wasser über die Lippen
bringen, bis er Euch und Senhor Luis Camoens gesprochen hat.

El, so führe ihn hierher, sagte der Schloßherr mit einiger Ungeduld. Was
hast du ihn warten lasse"! Um ein Gericht Fische sendet unser alter Bartolomeo
keinen besondern Boten, es muß etwas wichtigeres sein. Mach rasch, Joao!

Er wollte nicht mit allem Staub des Weges vor Euch treten, Senhor.
verteidigte sich Joao. Er soll alsbald vor Euch stehen. Aber schade ists
dennoch, daß Ihr Jayme nicht im Sattel gesehen, es hätte Euch für heute zu
lachen gegeben.

Während der Minuten, welche verstrichen, bis der ehemalige Matrose im
Geleite des Hausmeisters herbeikam, vermieden Barreto wie Camoens mit ein¬
ander zu sprechen. In den Zügen des letztern malte sich eine heftige Unruhe,
Barreto erriet uur zu gut, daß er die unerwartete Botschaft aus Ciutra mit
seinen geheimen Gedanken an Katarina Palmeirim in Verbindung brachte. Als
nun Jayme Leiras, den schwarzen, spitzigen Hut zwischen beiden Händen drehend,
die Stufen emporstieg, rief Senhor Manuel dem ehemaligen Matrosen entgegen:
Sei willkommen, Jayme, und komm hier herauf. Wie steht es in Cintra und
mit dem greisen Marschall?

Sie läuteten im Konvent der Christusritter und in allen Kirchen die
Totenglocken für den tapfern alten Herrn, als ich abritt, er ist ja verwiesene
Nacht heimgegangen, antwortete der Bote. Doch nicht darum hat mich Bar-
tolomeo an Euch abgeschickt. Ich bringe leider schlimmere Kunde.

Er hielt räuspernd inne, Barreto, welcher bei den letzten Worten Jaymes
das traurig gesenkte Haupt fast zürnend erhoben hatte, verstand die wunderliche
Geberde des Boten und sagte: Fahre nur ruhig fort. Was dir Okaz zur Be¬
stellung an mich mündlich vertraut hat, darf mein Joao immer hören.

Es Werdens noch viele hören müssen, Herr! versetzte Jayme Leiras, und
durch sein rauhes Gesicht zuckte es vor Wehmut und Ingrimm zugleich. Bar-
tolomeo läßt Euch also melden, daß er, nach Eurer Weisung, Herr, mich jeden
zweiten Tag abgeschickt hat, um nach Jonna, der kleinen Ziegenhirtin, zu sehen
und ihr zu bringen, was sie etwa bedarf. Es ging ihr immer recht wohl,
zweimal habe ich selbst das fremde Fräulein, die wir damals tauften und die
jetzt im Schlosse wohnt, zu ihr geleitet -- Joana hatte eine große Freude
daran. Es sollte ihre letzte sein! Gestern am Nachmittage fand ich die gute
Kleine zwanzig Schritte vor ihrer Hütte tot auf dem Nasen -- erwürgt! -- die
Schnur noch um den Hals -- die starrru Händchen krampfhaft zum Gebet ge¬
faltet! Ihre Herde weidete um sie herum, und die Ziegen leckten ihr die Hände,
sie konnten nicht begreifen, daß Joana nicht mehr mit ihnen um die Wette
herumsprang. (Fortsetzung folgt.)




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. - Druck von Carl Marquart in Leipzig.

an: Was giebts, Joao? Was treibt dich aus deiner Halle so eilig hierher? Ist
Besuch gekommen? Ist einer von den Brüdern Evvra in Sicht?

Der Hausmeister, gleich seinem Herr» eine hohe und feste Kriegergestalt,
ein Fünfziger, dessen dunkles Haar sich kaum an den Schläfen grau zu färben
begann, schüttelte den mächtigen Kopf und rief: Kein Besuch, Herr, aber eine
Botschaft, nud wie mich dünkt, keine frohe, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge
ist auf einem Klepper von Ciutra herübergekommen, er muß vor Tagesanbruch
weggeritten sein, will auch jetzt nichts als einen Trunk Wasser über die Lippen
bringen, bis er Euch und Senhor Luis Camoens gesprochen hat.

El, so führe ihn hierher, sagte der Schloßherr mit einiger Ungeduld. Was
hast du ihn warten lasse»! Um ein Gericht Fische sendet unser alter Bartolomeo
keinen besondern Boten, es muß etwas wichtigeres sein. Mach rasch, Joao!

Er wollte nicht mit allem Staub des Weges vor Euch treten, Senhor.
verteidigte sich Joao. Er soll alsbald vor Euch stehen. Aber schade ists
dennoch, daß Ihr Jayme nicht im Sattel gesehen, es hätte Euch für heute zu
lachen gegeben.

Während der Minuten, welche verstrichen, bis der ehemalige Matrose im
Geleite des Hausmeisters herbeikam, vermieden Barreto wie Camoens mit ein¬
ander zu sprechen. In den Zügen des letztern malte sich eine heftige Unruhe,
Barreto erriet uur zu gut, daß er die unerwartete Botschaft aus Ciutra mit
seinen geheimen Gedanken an Katarina Palmeirim in Verbindung brachte. Als
nun Jayme Leiras, den schwarzen, spitzigen Hut zwischen beiden Händen drehend,
die Stufen emporstieg, rief Senhor Manuel dem ehemaligen Matrosen entgegen:
Sei willkommen, Jayme, und komm hier herauf. Wie steht es in Cintra und
mit dem greisen Marschall?

Sie läuteten im Konvent der Christusritter und in allen Kirchen die
Totenglocken für den tapfern alten Herrn, als ich abritt, er ist ja verwiesene
Nacht heimgegangen, antwortete der Bote. Doch nicht darum hat mich Bar-
tolomeo an Euch abgeschickt. Ich bringe leider schlimmere Kunde.

Er hielt räuspernd inne, Barreto, welcher bei den letzten Worten Jaymes
das traurig gesenkte Haupt fast zürnend erhoben hatte, verstand die wunderliche
Geberde des Boten und sagte: Fahre nur ruhig fort. Was dir Okaz zur Be¬
stellung an mich mündlich vertraut hat, darf mein Joao immer hören.

Es Werdens noch viele hören müssen, Herr! versetzte Jayme Leiras, und
durch sein rauhes Gesicht zuckte es vor Wehmut und Ingrimm zugleich. Bar-
tolomeo läßt Euch also melden, daß er, nach Eurer Weisung, Herr, mich jeden
zweiten Tag abgeschickt hat, um nach Jonna, der kleinen Ziegenhirtin, zu sehen
und ihr zu bringen, was sie etwa bedarf. Es ging ihr immer recht wohl,
zweimal habe ich selbst das fremde Fräulein, die wir damals tauften und die
jetzt im Schlosse wohnt, zu ihr geleitet — Joana hatte eine große Freude
daran. Es sollte ihre letzte sein! Gestern am Nachmittage fand ich die gute
Kleine zwanzig Schritte vor ihrer Hütte tot auf dem Nasen — erwürgt! — die
Schnur noch um den Hals — die starrru Händchen krampfhaft zum Gebet ge¬
faltet! Ihre Herde weidete um sie herum, und die Ziegen leckten ihr die Hände,
sie konnten nicht begreifen, daß Joana nicht mehr mit ihnen um die Wette
herumsprang. (Fortsetzung folgt.)




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. - Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0248] an: Was giebts, Joao? Was treibt dich aus deiner Halle so eilig hierher? Ist Besuch gekommen? Ist einer von den Brüdern Evvra in Sicht? Der Hausmeister, gleich seinem Herr» eine hohe und feste Kriegergestalt, ein Fünfziger, dessen dunkles Haar sich kaum an den Schläfen grau zu färben begann, schüttelte den mächtigen Kopf und rief: Kein Besuch, Herr, aber eine Botschaft, nud wie mich dünkt, keine frohe, Jayme Leiras aus Okaz' Herberge ist auf einem Klepper von Ciutra herübergekommen, er muß vor Tagesanbruch weggeritten sein, will auch jetzt nichts als einen Trunk Wasser über die Lippen bringen, bis er Euch und Senhor Luis Camoens gesprochen hat. El, so führe ihn hierher, sagte der Schloßherr mit einiger Ungeduld. Was hast du ihn warten lasse»! Um ein Gericht Fische sendet unser alter Bartolomeo keinen besondern Boten, es muß etwas wichtigeres sein. Mach rasch, Joao! Er wollte nicht mit allem Staub des Weges vor Euch treten, Senhor. verteidigte sich Joao. Er soll alsbald vor Euch stehen. Aber schade ists dennoch, daß Ihr Jayme nicht im Sattel gesehen, es hätte Euch für heute zu lachen gegeben. Während der Minuten, welche verstrichen, bis der ehemalige Matrose im Geleite des Hausmeisters herbeikam, vermieden Barreto wie Camoens mit ein¬ ander zu sprechen. In den Zügen des letztern malte sich eine heftige Unruhe, Barreto erriet uur zu gut, daß er die unerwartete Botschaft aus Ciutra mit seinen geheimen Gedanken an Katarina Palmeirim in Verbindung brachte. Als nun Jayme Leiras, den schwarzen, spitzigen Hut zwischen beiden Händen drehend, die Stufen emporstieg, rief Senhor Manuel dem ehemaligen Matrosen entgegen: Sei willkommen, Jayme, und komm hier herauf. Wie steht es in Cintra und mit dem greisen Marschall? Sie läuteten im Konvent der Christusritter und in allen Kirchen die Totenglocken für den tapfern alten Herrn, als ich abritt, er ist ja verwiesene Nacht heimgegangen, antwortete der Bote. Doch nicht darum hat mich Bar- tolomeo an Euch abgeschickt. Ich bringe leider schlimmere Kunde. Er hielt räuspernd inne, Barreto, welcher bei den letzten Worten Jaymes das traurig gesenkte Haupt fast zürnend erhoben hatte, verstand die wunderliche Geberde des Boten und sagte: Fahre nur ruhig fort. Was dir Okaz zur Be¬ stellung an mich mündlich vertraut hat, darf mein Joao immer hören. Es Werdens noch viele hören müssen, Herr! versetzte Jayme Leiras, und durch sein rauhes Gesicht zuckte es vor Wehmut und Ingrimm zugleich. Bar- tolomeo läßt Euch also melden, daß er, nach Eurer Weisung, Herr, mich jeden zweiten Tag abgeschickt hat, um nach Jonna, der kleinen Ziegenhirtin, zu sehen und ihr zu bringen, was sie etwa bedarf. Es ging ihr immer recht wohl, zweimal habe ich selbst das fremde Fräulein, die wir damals tauften und die jetzt im Schlosse wohnt, zu ihr geleitet — Joana hatte eine große Freude daran. Es sollte ihre letzte sein! Gestern am Nachmittage fand ich die gute Kleine zwanzig Schritte vor ihrer Hütte tot auf dem Nasen — erwürgt! — die Schnur noch um den Hals — die starrru Händchen krampfhaft zum Gebet ge¬ faltet! Ihre Herde weidete um sie herum, und die Ziegen leckten ihr die Hände, sie konnten nicht begreifen, daß Joana nicht mehr mit ihnen um die Wette herumsprang. (Fortsetzung folgt.) Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. - Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/248>, abgerufen am 28.12.2024.