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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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müsse dem Selbstherrscher aller Reußen Passiren! Ich bemerkte, daß solches
selbst bei den besten Reitern vorkomme, weil die Esel entweder den Kopf zwischen
die Beine nähmen und den Reiter nach vorn herabrutschen ließen, oder sich in
sich zusammenzogen und krümmten wie ein Aal, sodaß an ein Sitzenbleiben
nicht zu denken wäre,

Sie haben Recht, sagte der Kaiser, wer kommt wohl gegen Esel auf!

Nach ungefähr sechs Wochen nahm der Kaiser feierlichen Abschied von
seinen Hallsbeamten, Den Grafen Schuwalow umarmte er und erinnerte ihn
daran, daß er demselben seinen größten Schatz anvertraue; dem Arzte der
Kaiserin, Dr. v, Mandl, gab er die Hand und sagte: Ich weiß, Sie werden
Ihre Pflicht thun!

Der Kaiser war nun fort, und es herrschte mehrere Tage eine tiefe Stille
unter den Zurückgebliebnen, Selbst im Garten war es einsam. Ich saß meist
allein und zeichnete die schönen Pflanzen, den Pavillon des Kaisers, seine
Lieblingsstellen, kurz alles, was an diesen hervorragenden Fürsten erinnerte.
Hatte ich, als Maler, ihn doch schon wegen seiner schönen Gestalt liebge¬
wonnen!

Allmählich wurde das Leben wieder geselliger, lebhafter. Es kam Besuch
aus Neapel, Prinz Georg und der Fürst Windischgrätz, welcher im nächsten
Jahre der Gemahl der Prinzessin Maria von Mecklenburg wurde. Auch der
Kronprinz von Würtemberg traf ein, mit dessen Adjutanten ich schon in Rom
bekannt geworden war. Der hohe Herr war etwa eine Woche in Palermo und
verkehrte viel bei der Kaiserin, in deren Nähe sich ein starker Magnet zu be¬
finden schien, als die schlimme Nachricht kam, der königliche Vater in Stuttgart
wäre krank, der Prinz möge so schnell als möglich zurückkehren.

Am nächsten Vormittage verließ ich den Salon der Kaiserin und ging, um
mich vom Zeichnen zu erholen, in den Nachbargarten des Ducci Serra ti Falco.
Hier befand sich ein Schneckenbcrg, von dessen Höhe man nicht nur den Garten
der Fürstin Butera, sondern auch die Stadt Palermo übersehen konnte. In
diese weite Schau vertieft, tritt vor mein Auge, Arm in Arm, ein glückliches
Paar. Es klang in meinem Herzen wie Glockengeläute, und ich schwieg, in der
Hoffnung, bald ein schönes Fürstenpaar mehr zu wissen.

Am nächsten Vormittage fuhr die Kaiserin mit ihren Hofdamen in halber
Gala nach dem Hafen und auf die kaiserliche Flotte. Dort, auf dem Hinterdeck
des Hauptschiffes, wurde unter Glückwünschen, Musik und Tanz die Verlobung
Seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen Karl von Würtemberg mit der sehr
huldreichen und schönen Großfürstin Olga von Rußland gefeiert. Zugleich brachte
der nächste Courier aus Stuttgart erfreulichere Nachrichten über das Befinden
des Königs. Jetzt durfte der Kronprinz noch länger in Palermo verweilen,
glücklich im Auschciuen seiner Braut, deren herrliche Gestalt mich immer an eine
Tochter der Niobe erinnerte.


Grenzboten II. i88ö. 29

müsse dem Selbstherrscher aller Reußen Passiren! Ich bemerkte, daß solches
selbst bei den besten Reitern vorkomme, weil die Esel entweder den Kopf zwischen
die Beine nähmen und den Reiter nach vorn herabrutschen ließen, oder sich in
sich zusammenzogen und krümmten wie ein Aal, sodaß an ein Sitzenbleiben
nicht zu denken wäre,

Sie haben Recht, sagte der Kaiser, wer kommt wohl gegen Esel auf!

Nach ungefähr sechs Wochen nahm der Kaiser feierlichen Abschied von
seinen Hallsbeamten, Den Grafen Schuwalow umarmte er und erinnerte ihn
daran, daß er demselben seinen größten Schatz anvertraue; dem Arzte der
Kaiserin, Dr. v, Mandl, gab er die Hand und sagte: Ich weiß, Sie werden
Ihre Pflicht thun!

Der Kaiser war nun fort, und es herrschte mehrere Tage eine tiefe Stille
unter den Zurückgebliebnen, Selbst im Garten war es einsam. Ich saß meist
allein und zeichnete die schönen Pflanzen, den Pavillon des Kaisers, seine
Lieblingsstellen, kurz alles, was an diesen hervorragenden Fürsten erinnerte.
Hatte ich, als Maler, ihn doch schon wegen seiner schönen Gestalt liebge¬
wonnen!

Allmählich wurde das Leben wieder geselliger, lebhafter. Es kam Besuch
aus Neapel, Prinz Georg und der Fürst Windischgrätz, welcher im nächsten
Jahre der Gemahl der Prinzessin Maria von Mecklenburg wurde. Auch der
Kronprinz von Würtemberg traf ein, mit dessen Adjutanten ich schon in Rom
bekannt geworden war. Der hohe Herr war etwa eine Woche in Palermo und
verkehrte viel bei der Kaiserin, in deren Nähe sich ein starker Magnet zu be¬
finden schien, als die schlimme Nachricht kam, der königliche Vater in Stuttgart
wäre krank, der Prinz möge so schnell als möglich zurückkehren.

Am nächsten Vormittage verließ ich den Salon der Kaiserin und ging, um
mich vom Zeichnen zu erholen, in den Nachbargarten des Ducci Serra ti Falco.
Hier befand sich ein Schneckenbcrg, von dessen Höhe man nicht nur den Garten
der Fürstin Butera, sondern auch die Stadt Palermo übersehen konnte. In
diese weite Schau vertieft, tritt vor mein Auge, Arm in Arm, ein glückliches
Paar. Es klang in meinem Herzen wie Glockengeläute, und ich schwieg, in der
Hoffnung, bald ein schönes Fürstenpaar mehr zu wissen.

Am nächsten Vormittage fuhr die Kaiserin mit ihren Hofdamen in halber
Gala nach dem Hafen und auf die kaiserliche Flotte. Dort, auf dem Hinterdeck
des Hauptschiffes, wurde unter Glückwünschen, Musik und Tanz die Verlobung
Seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen Karl von Würtemberg mit der sehr
huldreichen und schönen Großfürstin Olga von Rußland gefeiert. Zugleich brachte
der nächste Courier aus Stuttgart erfreulichere Nachrichten über das Befinden
des Königs. Jetzt durfte der Kronprinz noch länger in Palermo verweilen,
glücklich im Auschciuen seiner Braut, deren herrliche Gestalt mich immer an eine
Tochter der Niobe erinnerte.


Grenzboten II. i88ö. 29
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/233>, abgerufen am 22.07.2024.