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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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(Lamoens.
R Adolf Stern. oman von
(Fortsetzung.)

arretv war es gewesen, der wenige Minuten zuvor Camoens
in den zweiten Festsaal entführt und ihn mit unwiderstehlicher
Nötigung der Pforte und Schwelle Angedrängt hatte, welche von
der westlichen Langseite dieses Saales an die große Garten¬
terrasse stießen. Mit immer wachsender Besorgnis hatte Manuel
Barreto in der letzten Stunde neben dem Dichter verweilt und hatte die ge¬
waltsam unterdrückte schmerzliche Bewegung desselben wahrgenommen. Die
leisen Mahnungen, mit denen er ihn ans dem wilden phantastischen Traume
zu wecken suchte, welchen Camoens mit wachem, dunkelglühenden Auge träumte,
waren verhallt. Sowie Catarina Palmeirim aus dem Saale verschwunden
war und Barreto plötzlich bemerkte, daß der Prior von Belem mit scharfer
Aufmerksamkeit in Camoens' Zügen las, da faßte der Fidalgo den Arm des
jüngern Freundes und sagte: Ihr müßt hier hinweg, Luis -- müßt Euch draußen
besinnen, was Ihr Euch schuldet. Schon ein freier Atemzug wird Euch wohl¬
thun nach dieser heißen Stickluft!

Und so hatte er den Willenlosen, dumpf vor sich Niederstarrendcn nach
der Marmorbrüstung der Terrasse geleitet; die Luft, obschon schwül genug, be¬
rührte sie doch mit frischerem Zug. Camoens that jetzt selbst einige rasche
Schritte unter den Bäumen hin und bis zum Rande der Mauer. Es war tiefe
Nacht, die Königsgärten lagen in dunkeln, ununterscheidbaren Massen unter
ihnen; die einzelnen Sterne, welche mit Einbruch der Nacht aufgeblitzt waren,
schienen in den feuchten, schweren Wolken verlöscht, welche den beiden Männern
zu Häupten standen. Im äußersten Westen zeigte sich am Horizonte ein
flammender roter Streif, der mit jeder Sekunde schmäler ward. Camoens
hatte ihn kaum ins Auge gefaßt, als er sich zu seinem Begleiter wandte:


Greiizlwteu it. 188L. ^4


(Lamoens.
R Adolf Stern. oman von
(Fortsetzung.)

arretv war es gewesen, der wenige Minuten zuvor Camoens
in den zweiten Festsaal entführt und ihn mit unwiderstehlicher
Nötigung der Pforte und Schwelle Angedrängt hatte, welche von
der westlichen Langseite dieses Saales an die große Garten¬
terrasse stießen. Mit immer wachsender Besorgnis hatte Manuel
Barreto in der letzten Stunde neben dem Dichter verweilt und hatte die ge¬
waltsam unterdrückte schmerzliche Bewegung desselben wahrgenommen. Die
leisen Mahnungen, mit denen er ihn ans dem wilden phantastischen Traume
zu wecken suchte, welchen Camoens mit wachem, dunkelglühenden Auge träumte,
waren verhallt. Sowie Catarina Palmeirim aus dem Saale verschwunden
war und Barreto plötzlich bemerkte, daß der Prior von Belem mit scharfer
Aufmerksamkeit in Camoens' Zügen las, da faßte der Fidalgo den Arm des
jüngern Freundes und sagte: Ihr müßt hier hinweg, Luis — müßt Euch draußen
besinnen, was Ihr Euch schuldet. Schon ein freier Atemzug wird Euch wohl¬
thun nach dieser heißen Stickluft!

Und so hatte er den Willenlosen, dumpf vor sich Niederstarrendcn nach
der Marmorbrüstung der Terrasse geleitet; die Luft, obschon schwül genug, be¬
rührte sie doch mit frischerem Zug. Camoens that jetzt selbst einige rasche
Schritte unter den Bäumen hin und bis zum Rande der Mauer. Es war tiefe
Nacht, die Königsgärten lagen in dunkeln, ununterscheidbaren Massen unter
ihnen; die einzelnen Sterne, welche mit Einbruch der Nacht aufgeblitzt waren,
schienen in den feuchten, schweren Wolken verlöscht, welche den beiden Männern
zu Häupten standen. Im äußersten Westen zeigte sich am Horizonte ein
flammender roter Streif, der mit jeder Sekunde schmäler ward. Camoens
hatte ihn kaum ins Auge gefaßt, als er sich zu seinem Begleiter wandte:


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[0193] [Abbildung] (Lamoens. R Adolf Stern. oman von (Fortsetzung.) arretv war es gewesen, der wenige Minuten zuvor Camoens in den zweiten Festsaal entführt und ihn mit unwiderstehlicher Nötigung der Pforte und Schwelle Angedrängt hatte, welche von der westlichen Langseite dieses Saales an die große Garten¬ terrasse stießen. Mit immer wachsender Besorgnis hatte Manuel Barreto in der letzten Stunde neben dem Dichter verweilt und hatte die ge¬ waltsam unterdrückte schmerzliche Bewegung desselben wahrgenommen. Die leisen Mahnungen, mit denen er ihn ans dem wilden phantastischen Traume zu wecken suchte, welchen Camoens mit wachem, dunkelglühenden Auge träumte, waren verhallt. Sowie Catarina Palmeirim aus dem Saale verschwunden war und Barreto plötzlich bemerkte, daß der Prior von Belem mit scharfer Aufmerksamkeit in Camoens' Zügen las, da faßte der Fidalgo den Arm des jüngern Freundes und sagte: Ihr müßt hier hinweg, Luis — müßt Euch draußen besinnen, was Ihr Euch schuldet. Schon ein freier Atemzug wird Euch wohl¬ thun nach dieser heißen Stickluft! Und so hatte er den Willenlosen, dumpf vor sich Niederstarrendcn nach der Marmorbrüstung der Terrasse geleitet; die Luft, obschon schwül genug, be¬ rührte sie doch mit frischerem Zug. Camoens that jetzt selbst einige rasche Schritte unter den Bäumen hin und bis zum Rande der Mauer. Es war tiefe Nacht, die Königsgärten lagen in dunkeln, ununterscheidbaren Massen unter ihnen; die einzelnen Sterne, welche mit Einbruch der Nacht aufgeblitzt waren, schienen in den feuchten, schweren Wolken verlöscht, welche den beiden Männern zu Häupten standen. Im äußersten Westen zeigte sich am Horizonte ein flammender roter Streif, der mit jeder Sekunde schmäler ward. Camoens hatte ihn kaum ins Auge gefaßt, als er sich zu seinem Begleiter wandte: Greiizlwteu it. 188L. ^4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/193>, abgerufen am 04.07.2024.