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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

Montserrat besetzen und die Franzosen abwehren sollten. König Ludwig XIII.
war dem gegenüber nicht säumig; er stellte den Venetianern in Aussicht, daß
er abermals in Italien einmarschiren werde und Casale, das zuerst von Gallas,
dann von den Spaniern zum zweitenmale belagert wurde, zu entsetzen gedenke.
Wirklich erschienen die Franzosen unter Nicheliens Führung im März 1630 in
Piemont, und Karl Emanuel wich mit seinen 15 000 Mann nach Turin zurück,
um dort auf Zuzug von Spinola und Collalto zu warten; Richelieu eilte aber
um seiner Front vorbei und nahm Pignerol durch Handstreich weg. Er beherrschte
damit die Straße, welche über den Mont Genevre fast parallel mit der Dom
Riparia ins Pothal hinabführt. Da Collalto gleichzeitig Mantua, das er schon
im Winter 1629 vergeblich belagert hatte, mit erneuter Wucht angriff, so hielten
sich die Venetianer für verpflichtet, auch ihrerseits vorzugehen, und da Karl von
Revers Mantua mit 10 000 Mann verteidigte und das venetianische Heer etwa
13- bis 14 000 Mann zählte, so schien ein Vorstoß gegen Collaltvs 17- bis
18 000 Mann aussichtsreich zu sein; man mußte nur darauf denken, den Feind
zwischen zwei Feuer zu bringen und ihn so zu vernichten. In demselben Augenblicke
aber, in dem die Behörden der Republik dem Proveditore Sagredo die Weisung
zum Vorrücken gaben, entschloß sich auch Collalto zu einem Schlage gegen die
Venetianer, deren Gegenwart ihn hinderte, mit Mantua ein Ende zu machen.
Am 29. Mai 1630 überschritt Gallas mit höchstens 10 000 Mann den Mincio
und warf die ihm entgegenstehenden Feinde, 2000 Venetianer und 2000 Franzosen
unter Lavalette, vollständig über den Haufen, sodaß sie sich auf die in Valeggio
stehende Hauptmacht zurückzogen; als dann Gallas diese am 30. Mai angreifen
wollte, fand er den Feind in vollem Rückzüge nach Verona und Peschiera be¬
griffen und verfolgte ihn bis vor letztere Stadt. Damit war auch das Schicksal
Mantuas besiegelt; die ohnehin durch die Pest furchtbar heimgesuchte Stadt, in
welcher binnen zwei Monaten an 3000 Menschen hinstarben, wurde durch einen
Schweizer, den Leutnant Polino, der sich mit Aldringen verständigt hatte, in
der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1630 an die Kaiserlichen verraten und drei
Tage lang unter unglaublichen Schandthaten von der siegreichen Soldateska
geplündert; eine der bis dahin schönsten Residenzen Oberitaliens wurde durch
diese Katastrophe ihres Glanzes für immer beraubt. Der Herzog von Revers
wurde unter einer Bedeckung von 60 Mann nach Ferrara gebracht, wohin später
anch seine Gemahlin, die Prinzessin Maria, kam, welche von der Kaiserin
Eleonore eine Anweisung von 10 000 Dukaten in Gold erhielt, um den Unterhalt
der herzoglichen Familie solange zu bestreiten, bis die Einkünfte aus den
französischen Besitzungen des Herzogs diesem zukommen würden.

Der Fall von Mantua wurde von großer Bedeutung für die weitere Politik
Venedigs und anch für die ganze europäische Lage. Je erfolgreicher die Waffen
des Hauses Österreich in Oberitalien gewesen waren, desto notwendiger war es
nun, ihnen anderweitige Beschäftigung zu geben. Mit verstärktem Nachdruck


Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

Montserrat besetzen und die Franzosen abwehren sollten. König Ludwig XIII.
war dem gegenüber nicht säumig; er stellte den Venetianern in Aussicht, daß
er abermals in Italien einmarschiren werde und Casale, das zuerst von Gallas,
dann von den Spaniern zum zweitenmale belagert wurde, zu entsetzen gedenke.
Wirklich erschienen die Franzosen unter Nicheliens Führung im März 1630 in
Piemont, und Karl Emanuel wich mit seinen 15 000 Mann nach Turin zurück,
um dort auf Zuzug von Spinola und Collalto zu warten; Richelieu eilte aber
um seiner Front vorbei und nahm Pignerol durch Handstreich weg. Er beherrschte
damit die Straße, welche über den Mont Genevre fast parallel mit der Dom
Riparia ins Pothal hinabführt. Da Collalto gleichzeitig Mantua, das er schon
im Winter 1629 vergeblich belagert hatte, mit erneuter Wucht angriff, so hielten
sich die Venetianer für verpflichtet, auch ihrerseits vorzugehen, und da Karl von
Revers Mantua mit 10 000 Mann verteidigte und das venetianische Heer etwa
13- bis 14 000 Mann zählte, so schien ein Vorstoß gegen Collaltvs 17- bis
18 000 Mann aussichtsreich zu sein; man mußte nur darauf denken, den Feind
zwischen zwei Feuer zu bringen und ihn so zu vernichten. In demselben Augenblicke
aber, in dem die Behörden der Republik dem Proveditore Sagredo die Weisung
zum Vorrücken gaben, entschloß sich auch Collalto zu einem Schlage gegen die
Venetianer, deren Gegenwart ihn hinderte, mit Mantua ein Ende zu machen.
Am 29. Mai 1630 überschritt Gallas mit höchstens 10 000 Mann den Mincio
und warf die ihm entgegenstehenden Feinde, 2000 Venetianer und 2000 Franzosen
unter Lavalette, vollständig über den Haufen, sodaß sie sich auf die in Valeggio
stehende Hauptmacht zurückzogen; als dann Gallas diese am 30. Mai angreifen
wollte, fand er den Feind in vollem Rückzüge nach Verona und Peschiera be¬
griffen und verfolgte ihn bis vor letztere Stadt. Damit war auch das Schicksal
Mantuas besiegelt; die ohnehin durch die Pest furchtbar heimgesuchte Stadt, in
welcher binnen zwei Monaten an 3000 Menschen hinstarben, wurde durch einen
Schweizer, den Leutnant Polino, der sich mit Aldringen verständigt hatte, in
der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1630 an die Kaiserlichen verraten und drei
Tage lang unter unglaublichen Schandthaten von der siegreichen Soldateska
geplündert; eine der bis dahin schönsten Residenzen Oberitaliens wurde durch
diese Katastrophe ihres Glanzes für immer beraubt. Der Herzog von Revers
wurde unter einer Bedeckung von 60 Mann nach Ferrara gebracht, wohin später
anch seine Gemahlin, die Prinzessin Maria, kam, welche von der Kaiserin
Eleonore eine Anweisung von 10 000 Dukaten in Gold erhielt, um den Unterhalt
der herzoglichen Familie solange zu bestreiten, bis die Einkünfte aus den
französischen Besitzungen des Herzogs diesem zukommen würden.

Der Fall von Mantua wurde von großer Bedeutung für die weitere Politik
Venedigs und anch für die ganze europäische Lage. Je erfolgreicher die Waffen
des Hauses Österreich in Oberitalien gewesen waren, desto notwendiger war es
nun, ihnen anderweitige Beschäftigung zu geben. Mit verstärktem Nachdruck


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[0183] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Montserrat besetzen und die Franzosen abwehren sollten. König Ludwig XIII. war dem gegenüber nicht säumig; er stellte den Venetianern in Aussicht, daß er abermals in Italien einmarschiren werde und Casale, das zuerst von Gallas, dann von den Spaniern zum zweitenmale belagert wurde, zu entsetzen gedenke. Wirklich erschienen die Franzosen unter Nicheliens Führung im März 1630 in Piemont, und Karl Emanuel wich mit seinen 15 000 Mann nach Turin zurück, um dort auf Zuzug von Spinola und Collalto zu warten; Richelieu eilte aber um seiner Front vorbei und nahm Pignerol durch Handstreich weg. Er beherrschte damit die Straße, welche über den Mont Genevre fast parallel mit der Dom Riparia ins Pothal hinabführt. Da Collalto gleichzeitig Mantua, das er schon im Winter 1629 vergeblich belagert hatte, mit erneuter Wucht angriff, so hielten sich die Venetianer für verpflichtet, auch ihrerseits vorzugehen, und da Karl von Revers Mantua mit 10 000 Mann verteidigte und das venetianische Heer etwa 13- bis 14 000 Mann zählte, so schien ein Vorstoß gegen Collaltvs 17- bis 18 000 Mann aussichtsreich zu sein; man mußte nur darauf denken, den Feind zwischen zwei Feuer zu bringen und ihn so zu vernichten. In demselben Augenblicke aber, in dem die Behörden der Republik dem Proveditore Sagredo die Weisung zum Vorrücken gaben, entschloß sich auch Collalto zu einem Schlage gegen die Venetianer, deren Gegenwart ihn hinderte, mit Mantua ein Ende zu machen. Am 29. Mai 1630 überschritt Gallas mit höchstens 10 000 Mann den Mincio und warf die ihm entgegenstehenden Feinde, 2000 Venetianer und 2000 Franzosen unter Lavalette, vollständig über den Haufen, sodaß sie sich auf die in Valeggio stehende Hauptmacht zurückzogen; als dann Gallas diese am 30. Mai angreifen wollte, fand er den Feind in vollem Rückzüge nach Verona und Peschiera be¬ griffen und verfolgte ihn bis vor letztere Stadt. Damit war auch das Schicksal Mantuas besiegelt; die ohnehin durch die Pest furchtbar heimgesuchte Stadt, in welcher binnen zwei Monaten an 3000 Menschen hinstarben, wurde durch einen Schweizer, den Leutnant Polino, der sich mit Aldringen verständigt hatte, in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1630 an die Kaiserlichen verraten und drei Tage lang unter unglaublichen Schandthaten von der siegreichen Soldateska geplündert; eine der bis dahin schönsten Residenzen Oberitaliens wurde durch diese Katastrophe ihres Glanzes für immer beraubt. Der Herzog von Revers wurde unter einer Bedeckung von 60 Mann nach Ferrara gebracht, wohin später anch seine Gemahlin, die Prinzessin Maria, kam, welche von der Kaiserin Eleonore eine Anweisung von 10 000 Dukaten in Gold erhielt, um den Unterhalt der herzoglichen Familie solange zu bestreiten, bis die Einkünfte aus den französischen Besitzungen des Herzogs diesem zukommen würden. Der Fall von Mantua wurde von großer Bedeutung für die weitere Politik Venedigs und anch für die ganze europäische Lage. Je erfolgreicher die Waffen des Hauses Österreich in Oberitalien gewesen waren, desto notwendiger war es nun, ihnen anderweitige Beschäftigung zu geben. Mit verstärktem Nachdruck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/183>, abgerufen am 28.12.2024.