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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges,

Freilich sollte sich auch in diesem Falle ergeben, daß Allianzen mit mehr
Feuer geschlossen als gehalten werden. Die Angelegenheit des Valtellin wurde
zunächst dadurch in ein ganz neues Stadium gebracht, daß Spanien, um
einem Kriege in Italien auszuweichen, bei dem es vielleicht vom Kaiser nicht
ausgiebig unterstützt wurde, die Vermittlung des Papstes anrief und diesem das
Valtelliu in äeposito übergeben zu wollen erklärte. Der Rat von Venedig
erblickte in diesem überraschenden Schachzuge des Madrider Hofes sofort nichts
als das Bestreben, Zeit zu gewinnen, und sich erst recht in dem Valtellin
dauernd einzurichten; deshalb drang er auch darauf, daß der Graf von Mans-
feld sich mit der ausbedungenen Heeresmacht von 26 000 Mann in Burgund
und der Frcigrafschaft festsetze und so einen Krieg entzünde, an dem Frankreich
notwendig hätte teilnehmen müssen. Trotzdem schien Ludwig XIII. bereit, sich
in das Dazwischentreten Gregors XV. zu fügen; aber die Bestrebungen Spaniens,
Frankreich zu vereinzeln und durch die Heirat einer Infantin mit dem englischen
Thronfolger Karl England auf seine Seite herüberzuziehen, mußten in Paris
doch auch andre Stimmungen erwecken, und indem Richelieu am 26 April 1624,
Mir <>'(',>n'n<>!>'> mvinoirs, wie Henry Martin sagt, in den Rat des Königs be¬
rufen ward, gelangte gerade derjenige Staatsmann, der die Schwächung Habs-
burgs als das oberste Ziel der französischen Staatskunst ansah, ans Ruder.
Nun wurde ein Heer unter dem Marquis de Coeuvre entsandt, dem sich Vonseiten
der protestantischen Kantone der Schweiz und der "Bünde" je 3000 Mann an¬
schlössen und das von Venedig Belagerungsgeschütz empfing; trotz des Widerspruches
der katholischen Kantone genehmigte die Tagsetzung den Durchmarsch der Fran¬
zosen, welche im November und Dezember 1624 die ganze Landschaft samt dem
Wormser Gebiete besetzten; auch der päpstliche Oberkommandant Marchese de
Bagni ergab sich, Anfang 1625 fiel Clüver (Chiavenna), und nur in dem Felsen-
schlvsse von Riva behaupteten sich die Spanier. Venedig nahm jetzt eine
immer schärfere Stellung gegen das Haus Österreich ein; es nahm damals
den landslüchtigen Grafen Thurn, den Führer der böhmischen Rebellen, in seine
Dienste, es ließ durch Oberst Kaplirsch deutsche Söldner werben und stellte dem
Sekretär Cavazza in Zürich Kreditbriefe bis zur Höhe von 15 000 Thalern
aus, als plötzlich wieder eine jähe Wendung erfolgte. Im März 1626 verein¬
barte der französische Gesandte Fargis in Madrid den sogenannten Vertrag von
Monzon, der am 16. Mai in Barcelona unterzeichnet wurde, und in dem Frank¬
reich alle die glänzenden Vorteile preisgab, welche der schneidige Marquis von
Coeuvre erfochten hatte; die Hoheitsrechte der "Bünde" wurden auf einige
Formalitäten beschränkt, Spanien ebenso wie Frankreich das Recht der Ein¬
mischung zugestanden und die festen Plätze von neuem dem Papste übergeben.
Der Vertrag läuft so schnurstracks der Politik Richelieus entgegen, daß man in
der That Ranke beipflichten muß, der darin einen Erfolg der streng katholischen
Hofpartei erblickt, welche einen offnen Zusammenstoß mit Spanien, zu dem


Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges,

Freilich sollte sich auch in diesem Falle ergeben, daß Allianzen mit mehr
Feuer geschlossen als gehalten werden. Die Angelegenheit des Valtellin wurde
zunächst dadurch in ein ganz neues Stadium gebracht, daß Spanien, um
einem Kriege in Italien auszuweichen, bei dem es vielleicht vom Kaiser nicht
ausgiebig unterstützt wurde, die Vermittlung des Papstes anrief und diesem das
Valtelliu in äeposito übergeben zu wollen erklärte. Der Rat von Venedig
erblickte in diesem überraschenden Schachzuge des Madrider Hofes sofort nichts
als das Bestreben, Zeit zu gewinnen, und sich erst recht in dem Valtellin
dauernd einzurichten; deshalb drang er auch darauf, daß der Graf von Mans-
feld sich mit der ausbedungenen Heeresmacht von 26 000 Mann in Burgund
und der Frcigrafschaft festsetze und so einen Krieg entzünde, an dem Frankreich
notwendig hätte teilnehmen müssen. Trotzdem schien Ludwig XIII. bereit, sich
in das Dazwischentreten Gregors XV. zu fügen; aber die Bestrebungen Spaniens,
Frankreich zu vereinzeln und durch die Heirat einer Infantin mit dem englischen
Thronfolger Karl England auf seine Seite herüberzuziehen, mußten in Paris
doch auch andre Stimmungen erwecken, und indem Richelieu am 26 April 1624,
Mir <>'(',>n'n<>!>'> mvinoirs, wie Henry Martin sagt, in den Rat des Königs be¬
rufen ward, gelangte gerade derjenige Staatsmann, der die Schwächung Habs-
burgs als das oberste Ziel der französischen Staatskunst ansah, ans Ruder.
Nun wurde ein Heer unter dem Marquis de Coeuvre entsandt, dem sich Vonseiten
der protestantischen Kantone der Schweiz und der „Bünde" je 3000 Mann an¬
schlössen und das von Venedig Belagerungsgeschütz empfing; trotz des Widerspruches
der katholischen Kantone genehmigte die Tagsetzung den Durchmarsch der Fran¬
zosen, welche im November und Dezember 1624 die ganze Landschaft samt dem
Wormser Gebiete besetzten; auch der päpstliche Oberkommandant Marchese de
Bagni ergab sich, Anfang 1625 fiel Clüver (Chiavenna), und nur in dem Felsen-
schlvsse von Riva behaupteten sich die Spanier. Venedig nahm jetzt eine
immer schärfere Stellung gegen das Haus Österreich ein; es nahm damals
den landslüchtigen Grafen Thurn, den Führer der böhmischen Rebellen, in seine
Dienste, es ließ durch Oberst Kaplirsch deutsche Söldner werben und stellte dem
Sekretär Cavazza in Zürich Kreditbriefe bis zur Höhe von 15 000 Thalern
aus, als plötzlich wieder eine jähe Wendung erfolgte. Im März 1626 verein¬
barte der französische Gesandte Fargis in Madrid den sogenannten Vertrag von
Monzon, der am 16. Mai in Barcelona unterzeichnet wurde, und in dem Frank¬
reich alle die glänzenden Vorteile preisgab, welche der schneidige Marquis von
Coeuvre erfochten hatte; die Hoheitsrechte der „Bünde" wurden auf einige
Formalitäten beschränkt, Spanien ebenso wie Frankreich das Recht der Ein¬
mischung zugestanden und die festen Plätze von neuem dem Papste übergeben.
Der Vertrag läuft so schnurstracks der Politik Richelieus entgegen, daß man in
der That Ranke beipflichten muß, der darin einen Erfolg der streng katholischen
Hofpartei erblickt, welche einen offnen Zusammenstoß mit Spanien, zu dem


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[0179] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Freilich sollte sich auch in diesem Falle ergeben, daß Allianzen mit mehr Feuer geschlossen als gehalten werden. Die Angelegenheit des Valtellin wurde zunächst dadurch in ein ganz neues Stadium gebracht, daß Spanien, um einem Kriege in Italien auszuweichen, bei dem es vielleicht vom Kaiser nicht ausgiebig unterstützt wurde, die Vermittlung des Papstes anrief und diesem das Valtelliu in äeposito übergeben zu wollen erklärte. Der Rat von Venedig erblickte in diesem überraschenden Schachzuge des Madrider Hofes sofort nichts als das Bestreben, Zeit zu gewinnen, und sich erst recht in dem Valtellin dauernd einzurichten; deshalb drang er auch darauf, daß der Graf von Mans- feld sich mit der ausbedungenen Heeresmacht von 26 000 Mann in Burgund und der Frcigrafschaft festsetze und so einen Krieg entzünde, an dem Frankreich notwendig hätte teilnehmen müssen. Trotzdem schien Ludwig XIII. bereit, sich in das Dazwischentreten Gregors XV. zu fügen; aber die Bestrebungen Spaniens, Frankreich zu vereinzeln und durch die Heirat einer Infantin mit dem englischen Thronfolger Karl England auf seine Seite herüberzuziehen, mußten in Paris doch auch andre Stimmungen erwecken, und indem Richelieu am 26 April 1624, Mir <>'(',>n'n<>!>'> mvinoirs, wie Henry Martin sagt, in den Rat des Königs be¬ rufen ward, gelangte gerade derjenige Staatsmann, der die Schwächung Habs- burgs als das oberste Ziel der französischen Staatskunst ansah, ans Ruder. Nun wurde ein Heer unter dem Marquis de Coeuvre entsandt, dem sich Vonseiten der protestantischen Kantone der Schweiz und der „Bünde" je 3000 Mann an¬ schlössen und das von Venedig Belagerungsgeschütz empfing; trotz des Widerspruches der katholischen Kantone genehmigte die Tagsetzung den Durchmarsch der Fran¬ zosen, welche im November und Dezember 1624 die ganze Landschaft samt dem Wormser Gebiete besetzten; auch der päpstliche Oberkommandant Marchese de Bagni ergab sich, Anfang 1625 fiel Clüver (Chiavenna), und nur in dem Felsen- schlvsse von Riva behaupteten sich die Spanier. Venedig nahm jetzt eine immer schärfere Stellung gegen das Haus Österreich ein; es nahm damals den landslüchtigen Grafen Thurn, den Führer der böhmischen Rebellen, in seine Dienste, es ließ durch Oberst Kaplirsch deutsche Söldner werben und stellte dem Sekretär Cavazza in Zürich Kreditbriefe bis zur Höhe von 15 000 Thalern aus, als plötzlich wieder eine jähe Wendung erfolgte. Im März 1626 verein¬ barte der französische Gesandte Fargis in Madrid den sogenannten Vertrag von Monzon, der am 16. Mai in Barcelona unterzeichnet wurde, und in dem Frank¬ reich alle die glänzenden Vorteile preisgab, welche der schneidige Marquis von Coeuvre erfochten hatte; die Hoheitsrechte der „Bünde" wurden auf einige Formalitäten beschränkt, Spanien ebenso wie Frankreich das Recht der Ein¬ mischung zugestanden und die festen Plätze von neuem dem Papste übergeben. Der Vertrag läuft so schnurstracks der Politik Richelieus entgegen, daß man in der That Ranke beipflichten muß, der darin einen Erfolg der streng katholischen Hofpartei erblickt, welche einen offnen Zusammenstoß mit Spanien, zu dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/179>, abgerufen am 24.07.2024.