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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

Niemand aber w ar in üblerer Lage als die Republik Venedig, Von links
her drohten die Spanier aus Mailand, von rechts drängten die Habsburger
dem Meere zu, und Erzherzog Ferdinand von Jnnerösterreich versuchte in dem
"Gradiskcmer" Kriege die Mceresstellung seines Hauses zu befestigen, ohne daß
ihn dabei der Kaiser unterstützt, ja ihm auch nur guten Willen gezeigt hätte.
Es blieb am Ende so ziemlich wie es vorher gewesen war: die Republik ver¬
mochte nicht die Habsburger aus Triest zurück zuwerfen und ihnen den Zugang
zur Adria zu sperren; aber Ferdinand war auch nicht dazu gelangt, volle Freiheit
ans dem Meere zu gewinnen; es blieb dabei, daß fremde Kriegsschiffe in dem
Teile des Golfes, der zwischen Jstrien und der vcneticimscheu Küste liegt, nicht
erscheinen durften; der Löwe von San Marco beherrschte doch die heimischen
Gewässer noch allein. Als im Mai 1618 durch den Podeste und Hauptmann
von Capo d'Jstria nach Venedig gemeldet wurde, daß früher schon zwei große
Fahrzeuge in Triest eingelaufen seien und jetzt ein drittes von Neapel nach¬
gefolgt sei, welches Kanonen, achtzig neapolitanische Soldaten und vierzig Ra-
guscmer Seeleute a" Bord führte, da wurde der Gesandte der Republik in Ve¬
nedig, der Cavaliere Zorzi Giustiniani, sofort angewiesen, mit dem Kardinal
Kiesel Rücksprache zu nehmen und ihm folgendes zu erklären: "Das Vertrauen,
welches die Republik in den guten Willen des Kaisers setze, sei groß; wider¬
wärtig aber seien die Unternehmungen derjenigen, welchen eine gütliche Bei¬
legung der Streitigkeiten mißfalle, wie dies aus der Ankunft eines Kriegsschiffes
mit Truppen im Hafen von Triest hervorgehe. Die Republik müsse sich darüber
verwundern, daß in einer Zeit, in welcher alle Schatten und alle Eifersucht
zerstreut werden sollten, dieselben nur noch vermehrt würden; sie könne nicht
glauben, daß es in der Absicht Seiner Majestät liege, daß Kriegsschiffe nach
Triest komme" oder dort ausgerüstet werden; es sei klar und einleuchtend, daß
dies nicht erlaubt gewesen sei, da der Verkehr im Golfe in derselben Weise
wiederhergestellt werden müsse, wie er früher beschaffen gewesen, nämlich für
Handelsschiffe, aber nicht für- Kriegsschiffe."

Aus dieser amtlichen Mitteilung spricht deutlich der Entschluß der Signoria,
sich nicht hinter die Linie zurücktreiben zu lassen, welche sie seither behauptet
hatte; es galt jeden Schein zu vermeiden, als ob Venedig irgendwelchen Grund
habe, ein Auge zuzudrücken, falls Österreich weitere Pläne hatte und sie ins
Werk richten wollte. Man hatte freilich soeben erst den "gradiskanischcn" Krieg
durchgesuchten und dabei nichts wesentliches erzielt.") Aber gerade deshalb war
die Signoria der Meinung, daß sie jetzt keine Schwäche zeigen dürfe, wenn



Im Madrider Frieden von 26. September 1617 hatte Ferdinand sich nur verpflichtet,
diejenigen Uskoten -- so nannte man die Bevölkerung der Küste von Salona bis zum istrischen
Winkel -- zu bestrnseu, welche des Seeraubes überwiesen waren, und künftige Belästigung
Venedigs durch dieselben zu verhüten; über die Ausführung des Friedens im einzelnen wurde
noch in Fiume zwischen österreichischen und venetianischen Abgesandten verhandelt.
Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges.

Niemand aber w ar in üblerer Lage als die Republik Venedig, Von links
her drohten die Spanier aus Mailand, von rechts drängten die Habsburger
dem Meere zu, und Erzherzog Ferdinand von Jnnerösterreich versuchte in dem
„Gradiskcmer" Kriege die Mceresstellung seines Hauses zu befestigen, ohne daß
ihn dabei der Kaiser unterstützt, ja ihm auch nur guten Willen gezeigt hätte.
Es blieb am Ende so ziemlich wie es vorher gewesen war: die Republik ver¬
mochte nicht die Habsburger aus Triest zurück zuwerfen und ihnen den Zugang
zur Adria zu sperren; aber Ferdinand war auch nicht dazu gelangt, volle Freiheit
ans dem Meere zu gewinnen; es blieb dabei, daß fremde Kriegsschiffe in dem
Teile des Golfes, der zwischen Jstrien und der vcneticimscheu Küste liegt, nicht
erscheinen durften; der Löwe von San Marco beherrschte doch die heimischen
Gewässer noch allein. Als im Mai 1618 durch den Podeste und Hauptmann
von Capo d'Jstria nach Venedig gemeldet wurde, daß früher schon zwei große
Fahrzeuge in Triest eingelaufen seien und jetzt ein drittes von Neapel nach¬
gefolgt sei, welches Kanonen, achtzig neapolitanische Soldaten und vierzig Ra-
guscmer Seeleute a» Bord führte, da wurde der Gesandte der Republik in Ve¬
nedig, der Cavaliere Zorzi Giustiniani, sofort angewiesen, mit dem Kardinal
Kiesel Rücksprache zu nehmen und ihm folgendes zu erklären: „Das Vertrauen,
welches die Republik in den guten Willen des Kaisers setze, sei groß; wider¬
wärtig aber seien die Unternehmungen derjenigen, welchen eine gütliche Bei¬
legung der Streitigkeiten mißfalle, wie dies aus der Ankunft eines Kriegsschiffes
mit Truppen im Hafen von Triest hervorgehe. Die Republik müsse sich darüber
verwundern, daß in einer Zeit, in welcher alle Schatten und alle Eifersucht
zerstreut werden sollten, dieselben nur noch vermehrt würden; sie könne nicht
glauben, daß es in der Absicht Seiner Majestät liege, daß Kriegsschiffe nach
Triest komme» oder dort ausgerüstet werden; es sei klar und einleuchtend, daß
dies nicht erlaubt gewesen sei, da der Verkehr im Golfe in derselben Weise
wiederhergestellt werden müsse, wie er früher beschaffen gewesen, nämlich für
Handelsschiffe, aber nicht für- Kriegsschiffe."

Aus dieser amtlichen Mitteilung spricht deutlich der Entschluß der Signoria,
sich nicht hinter die Linie zurücktreiben zu lassen, welche sie seither behauptet
hatte; es galt jeden Schein zu vermeiden, als ob Venedig irgendwelchen Grund
habe, ein Auge zuzudrücken, falls Österreich weitere Pläne hatte und sie ins
Werk richten wollte. Man hatte freilich soeben erst den „gradiskanischcn" Krieg
durchgesuchten und dabei nichts wesentliches erzielt.") Aber gerade deshalb war
die Signoria der Meinung, daß sie jetzt keine Schwäche zeigen dürfe, wenn



Im Madrider Frieden von 26. September 1617 hatte Ferdinand sich nur verpflichtet,
diejenigen Uskoten — so nannte man die Bevölkerung der Küste von Salona bis zum istrischen
Winkel — zu bestrnseu, welche des Seeraubes überwiesen waren, und künftige Belästigung
Venedigs durch dieselben zu verhüten; über die Ausführung des Friedens im einzelnen wurde
noch in Fiume zwischen österreichischen und venetianischen Abgesandten verhandelt.
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[0173] Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Niemand aber w ar in üblerer Lage als die Republik Venedig, Von links her drohten die Spanier aus Mailand, von rechts drängten die Habsburger dem Meere zu, und Erzherzog Ferdinand von Jnnerösterreich versuchte in dem „Gradiskcmer" Kriege die Mceresstellung seines Hauses zu befestigen, ohne daß ihn dabei der Kaiser unterstützt, ja ihm auch nur guten Willen gezeigt hätte. Es blieb am Ende so ziemlich wie es vorher gewesen war: die Republik ver¬ mochte nicht die Habsburger aus Triest zurück zuwerfen und ihnen den Zugang zur Adria zu sperren; aber Ferdinand war auch nicht dazu gelangt, volle Freiheit ans dem Meere zu gewinnen; es blieb dabei, daß fremde Kriegsschiffe in dem Teile des Golfes, der zwischen Jstrien und der vcneticimscheu Küste liegt, nicht erscheinen durften; der Löwe von San Marco beherrschte doch die heimischen Gewässer noch allein. Als im Mai 1618 durch den Podeste und Hauptmann von Capo d'Jstria nach Venedig gemeldet wurde, daß früher schon zwei große Fahrzeuge in Triest eingelaufen seien und jetzt ein drittes von Neapel nach¬ gefolgt sei, welches Kanonen, achtzig neapolitanische Soldaten und vierzig Ra- guscmer Seeleute a» Bord führte, da wurde der Gesandte der Republik in Ve¬ nedig, der Cavaliere Zorzi Giustiniani, sofort angewiesen, mit dem Kardinal Kiesel Rücksprache zu nehmen und ihm folgendes zu erklären: „Das Vertrauen, welches die Republik in den guten Willen des Kaisers setze, sei groß; wider¬ wärtig aber seien die Unternehmungen derjenigen, welchen eine gütliche Bei¬ legung der Streitigkeiten mißfalle, wie dies aus der Ankunft eines Kriegsschiffes mit Truppen im Hafen von Triest hervorgehe. Die Republik müsse sich darüber verwundern, daß in einer Zeit, in welcher alle Schatten und alle Eifersucht zerstreut werden sollten, dieselben nur noch vermehrt würden; sie könne nicht glauben, daß es in der Absicht Seiner Majestät liege, daß Kriegsschiffe nach Triest komme» oder dort ausgerüstet werden; es sei klar und einleuchtend, daß dies nicht erlaubt gewesen sei, da der Verkehr im Golfe in derselben Weise wiederhergestellt werden müsse, wie er früher beschaffen gewesen, nämlich für Handelsschiffe, aber nicht für- Kriegsschiffe." Aus dieser amtlichen Mitteilung spricht deutlich der Entschluß der Signoria, sich nicht hinter die Linie zurücktreiben zu lassen, welche sie seither behauptet hatte; es galt jeden Schein zu vermeiden, als ob Venedig irgendwelchen Grund habe, ein Auge zuzudrücken, falls Österreich weitere Pläne hatte und sie ins Werk richten wollte. Man hatte freilich soeben erst den „gradiskanischcn" Krieg durchgesuchten und dabei nichts wesentliches erzielt.") Aber gerade deshalb war die Signoria der Meinung, daß sie jetzt keine Schwäche zeigen dürfe, wenn Im Madrider Frieden von 26. September 1617 hatte Ferdinand sich nur verpflichtet, diejenigen Uskoten — so nannte man die Bevölkerung der Küste von Salona bis zum istrischen Winkel — zu bestrnseu, welche des Seeraubes überwiesen waren, und künftige Belästigung Venedigs durch dieselben zu verhüten; über die Ausführung des Friedens im einzelnen wurde noch in Fiume zwischen österreichischen und venetianischen Abgesandten verhandelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/173>, abgerufen am 23.07.2024.