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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

Seite zugeschritten waren, der in der Richtung des von ihnen bewohnten Palast-
flngels lag, teilte sich der bunte Schwarm in zwei dichte Reihen, die Nacken
und Rücken der meisten, die hier standen, beugten sich tiefer und ehrfurchtsvoller
als je zuvor vor der ältern und der jungen Dame, mehr als ein bewundernder
Blick folgte Catarina, und viele der ältern Edelleute versagten sich ein freudig
zustimmendes Gemurmel nicht, Catarina wäre am liebsten durch die blitzenden,
zischelnden, sich beugenden und grüßenden Reihen hindurch geflogen, die Herzogin
an ihrer Seite gestattete ihr jedoch nicht, auch uur einen Schritt rascher zurück¬
zulegen, als es die Sitte gebot. Bis an die Pforten des Saales schaute ihr
König Sebastian fast unbeweglich nach, und die Thürhüter, die seinen Blick wohl
bemerkt hatten, rissen vor Catarina Palmeirim die Thürflügel auf, als trüge
sie schon die Krone.

Wie die Thür von beiden Seiten hinter der Entschwebenden zufiel, schien
der wundersame Baun gelöst, der in den letzten Minuten auf der ganzen großen
Gesellschaft gelegen hatte. Wieder durchschwirrte ein hundertstimmiges Gespräch
den Saal, und wer unsichtbar durch denselben hindurchgegangen wäre, würde
aus jeder Gruppe heraus den Namen Catarina Palmeirim vernommen haben.
Der König winkte seinen Großkämmerer Vimivso und den jugendlichen Herzog
von Braganza, seinen Pagen, zu sich heran und begann einen Umgang durch
die Reihen, welche sich auch auf seinem Wege bildeten. Der erste, vor dem Dom
Sebastian stehe" blieb, war Graf Juan Navarrete, der Gesandte König Philipps,
der unmittelbar bevor der König sich zu ihm wandte, hastige, leise Worte mit
Tellez Alucita getauscht hatte. Der junge Kaplan war an den Spanier heran¬
getreten, wahrend alle Welt der Herzogin und Catarina nachsah. Graf Na-
varette kehrte ihm nur flüchtig eine Schulter zu, ein kurzes, fast geringschätziges:
Was solls? klang in das Ohr des Priesters. Dom Joao, der Prior, läßt
Euch sagen, daß ihm Gefahr im Verzug scheine und daß Ihr morgen, wie
üblich in der Frühe, eine Audienz bei Seiner Majestät nachsuchen möchtet!
Mißmutig warf der Graf hin: Sagt dem hochwürdigen Herrn, daß ich selbst
die Augen offen habe und nur der Gelegenheit warte, mein Gesuch an den
König zu bringen. Und kaum war Frech Tellez in das zweite Glied der ge¬
drängten Reihe zurückgewichen, so bemerkte Graf Navarrete, wie nahe ihm der
König und die eben begehrte Gelegenheit seien. König Sebastian, welcher dem
stattlichen Grafen jederzeit eine gewisse Vorliebe bezeigt hatte und ihm auch
jetzt den huldvollsten Gruß gönnte, berührte die Schulter des Gesandten. Noch
lag der Glücksschimmer, den die letzten Augenblicke mit Catarina Palmeirim
hervorgerufen, auf den Zügen des Königs, und sein Ton war hell und klangreich
wie vorhin: Ihr macht Euch kostbar diesen Abend, Senhor Ambassadore! sagte
er lächelnd. Ich wünsche Euch morgen früh in meinem Kabinet zu sehen, ich habe
eine Mitteilung, die ich am liebsten durch Euch Seiner katholischen Majestät
übermittle. Um fünf Uhr morgens, wenn es Euch beliebt.


Lamoens.

Seite zugeschritten waren, der in der Richtung des von ihnen bewohnten Palast-
flngels lag, teilte sich der bunte Schwarm in zwei dichte Reihen, die Nacken
und Rücken der meisten, die hier standen, beugten sich tiefer und ehrfurchtsvoller
als je zuvor vor der ältern und der jungen Dame, mehr als ein bewundernder
Blick folgte Catarina, und viele der ältern Edelleute versagten sich ein freudig
zustimmendes Gemurmel nicht, Catarina wäre am liebsten durch die blitzenden,
zischelnden, sich beugenden und grüßenden Reihen hindurch geflogen, die Herzogin
an ihrer Seite gestattete ihr jedoch nicht, auch uur einen Schritt rascher zurück¬
zulegen, als es die Sitte gebot. Bis an die Pforten des Saales schaute ihr
König Sebastian fast unbeweglich nach, und die Thürhüter, die seinen Blick wohl
bemerkt hatten, rissen vor Catarina Palmeirim die Thürflügel auf, als trüge
sie schon die Krone.

Wie die Thür von beiden Seiten hinter der Entschwebenden zufiel, schien
der wundersame Baun gelöst, der in den letzten Minuten auf der ganzen großen
Gesellschaft gelegen hatte. Wieder durchschwirrte ein hundertstimmiges Gespräch
den Saal, und wer unsichtbar durch denselben hindurchgegangen wäre, würde
aus jeder Gruppe heraus den Namen Catarina Palmeirim vernommen haben.
Der König winkte seinen Großkämmerer Vimivso und den jugendlichen Herzog
von Braganza, seinen Pagen, zu sich heran und begann einen Umgang durch
die Reihen, welche sich auch auf seinem Wege bildeten. Der erste, vor dem Dom
Sebastian stehe» blieb, war Graf Juan Navarrete, der Gesandte König Philipps,
der unmittelbar bevor der König sich zu ihm wandte, hastige, leise Worte mit
Tellez Alucita getauscht hatte. Der junge Kaplan war an den Spanier heran¬
getreten, wahrend alle Welt der Herzogin und Catarina nachsah. Graf Na-
varette kehrte ihm nur flüchtig eine Schulter zu, ein kurzes, fast geringschätziges:
Was solls? klang in das Ohr des Priesters. Dom Joao, der Prior, läßt
Euch sagen, daß ihm Gefahr im Verzug scheine und daß Ihr morgen, wie
üblich in der Frühe, eine Audienz bei Seiner Majestät nachsuchen möchtet!
Mißmutig warf der Graf hin: Sagt dem hochwürdigen Herrn, daß ich selbst
die Augen offen habe und nur der Gelegenheit warte, mein Gesuch an den
König zu bringen. Und kaum war Frech Tellez in das zweite Glied der ge¬
drängten Reihe zurückgewichen, so bemerkte Graf Navarrete, wie nahe ihm der
König und die eben begehrte Gelegenheit seien. König Sebastian, welcher dem
stattlichen Grafen jederzeit eine gewisse Vorliebe bezeigt hatte und ihm auch
jetzt den huldvollsten Gruß gönnte, berührte die Schulter des Gesandten. Noch
lag der Glücksschimmer, den die letzten Augenblicke mit Catarina Palmeirim
hervorgerufen, auf den Zügen des Königs, und sein Ton war hell und klangreich
wie vorhin: Ihr macht Euch kostbar diesen Abend, Senhor Ambassadore! sagte
er lächelnd. Ich wünsche Euch morgen früh in meinem Kabinet zu sehen, ich habe
eine Mitteilung, die ich am liebsten durch Euch Seiner katholischen Majestät
übermittle. Um fünf Uhr morgens, wenn es Euch beliebt.


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[0151] Lamoens. Seite zugeschritten waren, der in der Richtung des von ihnen bewohnten Palast- flngels lag, teilte sich der bunte Schwarm in zwei dichte Reihen, die Nacken und Rücken der meisten, die hier standen, beugten sich tiefer und ehrfurchtsvoller als je zuvor vor der ältern und der jungen Dame, mehr als ein bewundernder Blick folgte Catarina, und viele der ältern Edelleute versagten sich ein freudig zustimmendes Gemurmel nicht, Catarina wäre am liebsten durch die blitzenden, zischelnden, sich beugenden und grüßenden Reihen hindurch geflogen, die Herzogin an ihrer Seite gestattete ihr jedoch nicht, auch uur einen Schritt rascher zurück¬ zulegen, als es die Sitte gebot. Bis an die Pforten des Saales schaute ihr König Sebastian fast unbeweglich nach, und die Thürhüter, die seinen Blick wohl bemerkt hatten, rissen vor Catarina Palmeirim die Thürflügel auf, als trüge sie schon die Krone. Wie die Thür von beiden Seiten hinter der Entschwebenden zufiel, schien der wundersame Baun gelöst, der in den letzten Minuten auf der ganzen großen Gesellschaft gelegen hatte. Wieder durchschwirrte ein hundertstimmiges Gespräch den Saal, und wer unsichtbar durch denselben hindurchgegangen wäre, würde aus jeder Gruppe heraus den Namen Catarina Palmeirim vernommen haben. Der König winkte seinen Großkämmerer Vimivso und den jugendlichen Herzog von Braganza, seinen Pagen, zu sich heran und begann einen Umgang durch die Reihen, welche sich auch auf seinem Wege bildeten. Der erste, vor dem Dom Sebastian stehe» blieb, war Graf Juan Navarrete, der Gesandte König Philipps, der unmittelbar bevor der König sich zu ihm wandte, hastige, leise Worte mit Tellez Alucita getauscht hatte. Der junge Kaplan war an den Spanier heran¬ getreten, wahrend alle Welt der Herzogin und Catarina nachsah. Graf Na- varette kehrte ihm nur flüchtig eine Schulter zu, ein kurzes, fast geringschätziges: Was solls? klang in das Ohr des Priesters. Dom Joao, der Prior, läßt Euch sagen, daß ihm Gefahr im Verzug scheine und daß Ihr morgen, wie üblich in der Frühe, eine Audienz bei Seiner Majestät nachsuchen möchtet! Mißmutig warf der Graf hin: Sagt dem hochwürdigen Herrn, daß ich selbst die Augen offen habe und nur der Gelegenheit warte, mein Gesuch an den König zu bringen. Und kaum war Frech Tellez in das zweite Glied der ge¬ drängten Reihe zurückgewichen, so bemerkte Graf Navarrete, wie nahe ihm der König und die eben begehrte Gelegenheit seien. König Sebastian, welcher dem stattlichen Grafen jederzeit eine gewisse Vorliebe bezeigt hatte und ihm auch jetzt den huldvollsten Gruß gönnte, berührte die Schulter des Gesandten. Noch lag der Glücksschimmer, den die letzten Augenblicke mit Catarina Palmeirim hervorgerufen, auf den Zügen des Königs, und sein Ton war hell und klangreich wie vorhin: Ihr macht Euch kostbar diesen Abend, Senhor Ambassadore! sagte er lächelnd. Ich wünsche Euch morgen früh in meinem Kabinet zu sehen, ich habe eine Mitteilung, die ich am liebsten durch Euch Seiner katholischen Majestät übermittle. Um fünf Uhr morgens, wenn es Euch beliebt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/151>, abgerufen am 23.07.2024.