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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Neue Parteibildungen in Bsterreich.

die Zustimmung der Rechten, sowie der Regierung aller Wahrscheinlichkeit
nach erlangen wird.

Wenn die Parteien konsequent bleiben, so wird der deutsche Kind, mit
oder ohne Absicht der Regierung, in vielen von der Einseitigkeit freien volks¬
wirtschaftlichen Fragen gemeinsam mit der Rechten vorgehen, und es ist eine
solche Übereinstimmung bei sonstigen nationalen Gegensätzen schon in der nächsten
Zeit zu gewärtigen.

Man sieht auch, daß der deutsche Klub weiß, was er will, und wenn die
Organe der deutsch-österreichischen Partei die Abtrennung des deutschen Klubs
als eine Überflüssigkeit hinstellen oder letzteren gar die "schärfere Tonart" vor¬
werfen, so vermengen sie hierbei das rein Nationale mit dem Volkswirtschaft¬
lichen oder suchen vielmehr eine der wichtigsten mitbestimmenden Ursachen zur
Bildung einer eignen Partei auf der Linken gänzlich zu verwischen. Gerade
in der Bekämpfung der Manchesterpartei und der in ihrem Gefolge großgezognen
Verderbnis in materieller, geistiger und insbesondre in der allgemeinen Kultnr-
richtung hat der deutsche Klub eine der Hauptirrsachen für seine Zukunft zu
suchen, da ihm von allen Nation alitüten schon allein aus diesem Grnnde An¬
hänger erwachsen werden. Der Vorwurf aber, mit welchem man die "schärfere
Tonart" des deutschen Klubs treffen will, fällt zum großen Teile auf die Partei
des deutsch-österreichischen Klubs selbst zurück, dessen Zeitungen nicht müde werden,
die nationalen Gegensätze zu nähren und zu steigern. Die Deutschen im all¬
gemeinen und uoch mehr der deutsche Klub müssen selbst zu der Meinung ge¬
langen, es sei notwendig, die bisherige "Tonart" zu erhöhen. Und da der
deutsche Klub, wie er es selbst betont, nicht zu heucheln versteht, so tritt er so
auf, wie es seinen frischen Kräften entspricht. Doch haben wir uns vorläufig
mit der Erklärung der volkswirtschaftlichen Bestrebungen des deutschen Klubs
zu begnügen; seine stärkere Anspannung in nationaler Hinsicht bedarf noch einer
besondern Auseinandersetzung, die uns zu den Zuständen und Verlegenheiten im
Hinblicke auf die nationale Gleichberechtigung, sowie zu deu Durchführungs¬
versuchen der letztern in Österreich überhaupt führen soll.

Wie schon erwähnt, besteht der eigentliche Gegensatz im österreichischen Ab¬
geordnetenhaus nur zwischen den Bourgeois ans der Linken und den Feudal-
konservntivcn auf der Rechten. Die erster" können die verlorene Herrschaft im
Parlamente aber nur dnrch die Besiegung nicht der Konservativen, sondern der
Gesamtheit der nichtdeutschen erringen. Im Gründe genommen stehen nämlich
der Hauptpartei der Opposition nicht solche Gruppen als Hindernis im Wege, deren
materielle Interessen den ihrigen entgegengesetzt sind, sondern nationale Gruppen der
nichtdeutschen Völker. Daher verlegt sich die Partei des modernen Kapitals nicht so
sehr auf die Bekämpfung der Feudalen oder überhaupt Konservativen, fondern der
nichtdeutschen Volksstümme. Dieser Partei liegt es also vor allem daran, die Deut¬
schen und die übrigen Nationalitäten in möglich großen Gegensatz zu bringen, und


Neue Parteibildungen in Bsterreich.

die Zustimmung der Rechten, sowie der Regierung aller Wahrscheinlichkeit
nach erlangen wird.

Wenn die Parteien konsequent bleiben, so wird der deutsche Kind, mit
oder ohne Absicht der Regierung, in vielen von der Einseitigkeit freien volks¬
wirtschaftlichen Fragen gemeinsam mit der Rechten vorgehen, und es ist eine
solche Übereinstimmung bei sonstigen nationalen Gegensätzen schon in der nächsten
Zeit zu gewärtigen.

Man sieht auch, daß der deutsche Klub weiß, was er will, und wenn die
Organe der deutsch-österreichischen Partei die Abtrennung des deutschen Klubs
als eine Überflüssigkeit hinstellen oder letzteren gar die „schärfere Tonart" vor¬
werfen, so vermengen sie hierbei das rein Nationale mit dem Volkswirtschaft¬
lichen oder suchen vielmehr eine der wichtigsten mitbestimmenden Ursachen zur
Bildung einer eignen Partei auf der Linken gänzlich zu verwischen. Gerade
in der Bekämpfung der Manchesterpartei und der in ihrem Gefolge großgezognen
Verderbnis in materieller, geistiger und insbesondre in der allgemeinen Kultnr-
richtung hat der deutsche Klub eine der Hauptirrsachen für seine Zukunft zu
suchen, da ihm von allen Nation alitüten schon allein aus diesem Grnnde An¬
hänger erwachsen werden. Der Vorwurf aber, mit welchem man die „schärfere
Tonart" des deutschen Klubs treffen will, fällt zum großen Teile auf die Partei
des deutsch-österreichischen Klubs selbst zurück, dessen Zeitungen nicht müde werden,
die nationalen Gegensätze zu nähren und zu steigern. Die Deutschen im all¬
gemeinen und uoch mehr der deutsche Klub müssen selbst zu der Meinung ge¬
langen, es sei notwendig, die bisherige „Tonart" zu erhöhen. Und da der
deutsche Klub, wie er es selbst betont, nicht zu heucheln versteht, so tritt er so
auf, wie es seinen frischen Kräften entspricht. Doch haben wir uns vorläufig
mit der Erklärung der volkswirtschaftlichen Bestrebungen des deutschen Klubs
zu begnügen; seine stärkere Anspannung in nationaler Hinsicht bedarf noch einer
besondern Auseinandersetzung, die uns zu den Zuständen und Verlegenheiten im
Hinblicke auf die nationale Gleichberechtigung, sowie zu deu Durchführungs¬
versuchen der letztern in Österreich überhaupt führen soll.

Wie schon erwähnt, besteht der eigentliche Gegensatz im österreichischen Ab¬
geordnetenhaus nur zwischen den Bourgeois ans der Linken und den Feudal-
konservntivcn auf der Rechten. Die erster» können die verlorene Herrschaft im
Parlamente aber nur dnrch die Besiegung nicht der Konservativen, sondern der
Gesamtheit der nichtdeutschen erringen. Im Gründe genommen stehen nämlich
der Hauptpartei der Opposition nicht solche Gruppen als Hindernis im Wege, deren
materielle Interessen den ihrigen entgegengesetzt sind, sondern nationale Gruppen der
nichtdeutschen Völker. Daher verlegt sich die Partei des modernen Kapitals nicht so
sehr auf die Bekämpfung der Feudalen oder überhaupt Konservativen, fondern der
nichtdeutschen Volksstümme. Dieser Partei liegt es also vor allem daran, die Deut¬
schen und die übrigen Nationalitäten in möglich großen Gegensatz zu bringen, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/15>, abgerufen am 24.07.2024.