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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoinis.

so Wenig vermochte sie jetzt ein Zittern zu verbergen, was kommt in so ernster,
so heiliger Frcige auf die Stimme eines Mädchens an? Ich hege mir einen
Wunsch, wenn ich die Gefahr von Eurer Majestät geheiligten Haupte nicht mit
meinem armen Gebete abzuwenden vermag, sie zu teilen. Aber Ihr, Herr, Ihr
müßt zuvor die Stimme Euers Volkes hören!

Und wie soll ich sie hören? fragte Dom Sebastian fast ungeduldig. Soll
ich wie Harun-Al-Raschid, der Ungläubige, verkleidet Lissabon oder ganz
Portugal durchstreifen? Soll ich die Cortes berufen und ihnen den großen
Plan vorlegen, der nur gelingen kann, wenn er mein und meiner vertrautesten
Räte Geheimnis bleibt?'

Herr, ich weiß Euch auf solche Fragen nicht zu antworten, flüsterte Catarina.
Ich weiß nur, daß ich um Euch bange und gern an jedes Haus und jede
Hütte klopfen möchte, damit das Herz Portugals, das für Euch schlagt, statt
meiner Euch Antwort gäbe. Seht dort, Herr, dort steht Luis Camoens! Ihr
habt es selbst schon gefühlt, daß er wie kein Zweiter das Schicksal und den
Nuhm unsers Landes in der Seele trägt. Laßt ihn reden, fragt ihn, ob der
Zug uach Afrika Euch und dem Lande Heil bringen kann, erkennt seine Stimme
für Eures Volles Stimme, Herr!

Der König ließ seinen Blick von Catarina Palmeirim über den schimmernden
Kreis, welcher ihn umgab, hinweggleiten und einige Zeit fest auf Luis Camoens
verweilen. Dabei sagte er jetzt wieder leiser, unhörbar wie vorhin: Ihr habt
in kurzer Frist den Dichter hochhalten lernen, Donna Catarina. Soviel ich
weiß, fast Ihr ihn am gleichen Abend mit mir zuerst?

Gewiß, Eure Majestät, entgegnete Catarina unbefangen. Aber Senhor
Luis Camoens war mir kein Fremder mehr von dem Augenblicke um, wo ich
erfuhr, daß er meine Mutter gekannt und sie hoch verehrt hat. Ich danke ihm
zudem, daß er die Maurin Esmah retten half, und habe in der Stunde, wo er
sich um Beistand für sie um mich wandte, erprobt, daß er reinen Herzens wie
ein Kind ist. Was Euch aus seinem Gedicht entgcgcntönt, wird Wahrheit sein!

Senhor Luis mag sein Glück preisen, das ihm eine Meinung gewonnen
hat wie die Eure, Donna Catarina! Nicht alle, die gleichen Glückes wert sind,
erringen dasselbe. Euer Dichter will mir sein großes Gedicht zueignen, aus
ihm werde ich also die Stimme vernehmen, der Ihr so hohen Wert beilegt
und die ich schon um Euretwillen nicht geringschätzen darf. Mein Vertrauen
ruht dennoch mehr auf Euch als ans ihm, Herrin! Fragt Euer eignes Herz,
ob Ihr dem König helfen wollt, seine ganze Pflicht gegen sein Land zu thun,
ob Ihr, wenn er sie gethan hat, ihm den Heerzug nach Afrika auch dann noch
widerraten oder Glück und himmlischen Lohn desselben teilen wollt. Ich trage
es nicht länger, daß Ihr der entscheidenden Antwort ausweicht, Catarina, und
wenn Ihr Sebastian nicht hören wollt, wird Euch der König gebieten müssen,
Euch zu entscheiden.


Camoinis.

so Wenig vermochte sie jetzt ein Zittern zu verbergen, was kommt in so ernster,
so heiliger Frcige auf die Stimme eines Mädchens an? Ich hege mir einen
Wunsch, wenn ich die Gefahr von Eurer Majestät geheiligten Haupte nicht mit
meinem armen Gebete abzuwenden vermag, sie zu teilen. Aber Ihr, Herr, Ihr
müßt zuvor die Stimme Euers Volkes hören!

Und wie soll ich sie hören? fragte Dom Sebastian fast ungeduldig. Soll
ich wie Harun-Al-Raschid, der Ungläubige, verkleidet Lissabon oder ganz
Portugal durchstreifen? Soll ich die Cortes berufen und ihnen den großen
Plan vorlegen, der nur gelingen kann, wenn er mein und meiner vertrautesten
Räte Geheimnis bleibt?'

Herr, ich weiß Euch auf solche Fragen nicht zu antworten, flüsterte Catarina.
Ich weiß nur, daß ich um Euch bange und gern an jedes Haus und jede
Hütte klopfen möchte, damit das Herz Portugals, das für Euch schlagt, statt
meiner Euch Antwort gäbe. Seht dort, Herr, dort steht Luis Camoens! Ihr
habt es selbst schon gefühlt, daß er wie kein Zweiter das Schicksal und den
Nuhm unsers Landes in der Seele trägt. Laßt ihn reden, fragt ihn, ob der
Zug uach Afrika Euch und dem Lande Heil bringen kann, erkennt seine Stimme
für Eures Volles Stimme, Herr!

Der König ließ seinen Blick von Catarina Palmeirim über den schimmernden
Kreis, welcher ihn umgab, hinweggleiten und einige Zeit fest auf Luis Camoens
verweilen. Dabei sagte er jetzt wieder leiser, unhörbar wie vorhin: Ihr habt
in kurzer Frist den Dichter hochhalten lernen, Donna Catarina. Soviel ich
weiß, fast Ihr ihn am gleichen Abend mit mir zuerst?

Gewiß, Eure Majestät, entgegnete Catarina unbefangen. Aber Senhor
Luis Camoens war mir kein Fremder mehr von dem Augenblicke um, wo ich
erfuhr, daß er meine Mutter gekannt und sie hoch verehrt hat. Ich danke ihm
zudem, daß er die Maurin Esmah retten half, und habe in der Stunde, wo er
sich um Beistand für sie um mich wandte, erprobt, daß er reinen Herzens wie
ein Kind ist. Was Euch aus seinem Gedicht entgcgcntönt, wird Wahrheit sein!

Senhor Luis mag sein Glück preisen, das ihm eine Meinung gewonnen
hat wie die Eure, Donna Catarina! Nicht alle, die gleichen Glückes wert sind,
erringen dasselbe. Euer Dichter will mir sein großes Gedicht zueignen, aus
ihm werde ich also die Stimme vernehmen, der Ihr so hohen Wert beilegt
und die ich schon um Euretwillen nicht geringschätzen darf. Mein Vertrauen
ruht dennoch mehr auf Euch als ans ihm, Herrin! Fragt Euer eignes Herz,
ob Ihr dem König helfen wollt, seine ganze Pflicht gegen sein Land zu thun,
ob Ihr, wenn er sie gethan hat, ihm den Heerzug nach Afrika auch dann noch
widerraten oder Glück und himmlischen Lohn desselben teilen wollt. Ich trage
es nicht länger, daß Ihr der entscheidenden Antwort ausweicht, Catarina, und
wenn Ihr Sebastian nicht hören wollt, wird Euch der König gebieten müssen,
Euch zu entscheiden.


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[0149] Camoinis. so Wenig vermochte sie jetzt ein Zittern zu verbergen, was kommt in so ernster, so heiliger Frcige auf die Stimme eines Mädchens an? Ich hege mir einen Wunsch, wenn ich die Gefahr von Eurer Majestät geheiligten Haupte nicht mit meinem armen Gebete abzuwenden vermag, sie zu teilen. Aber Ihr, Herr, Ihr müßt zuvor die Stimme Euers Volkes hören! Und wie soll ich sie hören? fragte Dom Sebastian fast ungeduldig. Soll ich wie Harun-Al-Raschid, der Ungläubige, verkleidet Lissabon oder ganz Portugal durchstreifen? Soll ich die Cortes berufen und ihnen den großen Plan vorlegen, der nur gelingen kann, wenn er mein und meiner vertrautesten Räte Geheimnis bleibt?' Herr, ich weiß Euch auf solche Fragen nicht zu antworten, flüsterte Catarina. Ich weiß nur, daß ich um Euch bange und gern an jedes Haus und jede Hütte klopfen möchte, damit das Herz Portugals, das für Euch schlagt, statt meiner Euch Antwort gäbe. Seht dort, Herr, dort steht Luis Camoens! Ihr habt es selbst schon gefühlt, daß er wie kein Zweiter das Schicksal und den Nuhm unsers Landes in der Seele trägt. Laßt ihn reden, fragt ihn, ob der Zug uach Afrika Euch und dem Lande Heil bringen kann, erkennt seine Stimme für Eures Volles Stimme, Herr! Der König ließ seinen Blick von Catarina Palmeirim über den schimmernden Kreis, welcher ihn umgab, hinweggleiten und einige Zeit fest auf Luis Camoens verweilen. Dabei sagte er jetzt wieder leiser, unhörbar wie vorhin: Ihr habt in kurzer Frist den Dichter hochhalten lernen, Donna Catarina. Soviel ich weiß, fast Ihr ihn am gleichen Abend mit mir zuerst? Gewiß, Eure Majestät, entgegnete Catarina unbefangen. Aber Senhor Luis Camoens war mir kein Fremder mehr von dem Augenblicke um, wo ich erfuhr, daß er meine Mutter gekannt und sie hoch verehrt hat. Ich danke ihm zudem, daß er die Maurin Esmah retten half, und habe in der Stunde, wo er sich um Beistand für sie um mich wandte, erprobt, daß er reinen Herzens wie ein Kind ist. Was Euch aus seinem Gedicht entgcgcntönt, wird Wahrheit sein! Senhor Luis mag sein Glück preisen, das ihm eine Meinung gewonnen hat wie die Eure, Donna Catarina! Nicht alle, die gleichen Glückes wert sind, erringen dasselbe. Euer Dichter will mir sein großes Gedicht zueignen, aus ihm werde ich also die Stimme vernehmen, der Ihr so hohen Wert beilegt und die ich schon um Euretwillen nicht geringschätzen darf. Mein Vertrauen ruht dennoch mehr auf Euch als ans ihm, Herrin! Fragt Euer eignes Herz, ob Ihr dem König helfen wollt, seine ganze Pflicht gegen sein Land zu thun, ob Ihr, wenn er sie gethan hat, ihm den Heerzug nach Afrika auch dann noch widerraten oder Glück und himmlischen Lohn desselben teilen wollt. Ich trage es nicht länger, daß Ihr der entscheidenden Antwort ausweicht, Catarina, und wenn Ihr Sebastian nicht hören wollt, wird Euch der König gebieten müssen, Euch zu entscheiden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/149>, abgerufen am 23.07.2024.