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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

der Studenten zu wache"; doch hatte es sich "aller strengen Splitterrichtercy,
womit unschuldige, wann auch dem reifern Alter geschmacklose Vergnügen gestört,
und eine schon männliche Geseztheit und Zurückhaltung von der aufblühenden
Jugend gefordert wird," gänzlich zu enthalten, Karl Friedrich setzte als
Studienzeit der Badener drei und ein halbes Jahr für die Juristen, drei für
die Theologen und Mediziner und dritthalb für die Kameralisten an und ver¬
pflichtete jeden Studenten des Landes, so lange in Heidelberg zu weilen. Hatte
unter den pfälzischen Regierungen bei den Studenten Sittenlosigkeit und zügel¬
loses Treiben geherrscht, so trat alsbald diesen Übeln das akademische Gericht,
aus Thibaut, Martin und Heise bestehend, voll Energie entgegen, bis am 7, Mai 1810
ein Universitätsamtmauu es ablöste. Die Oberaufsicht der Anstalt wurde un¬
mittelbar dem Gehcimratskollegium in Karlsruhe anvertraut, in welchem der
protestantische Staatsminister Freiherr von Edelsheim und der katholische geheime
Referendar von Hofer als Kuratoren angestellt wurden. So legte Karl Friedrich
den Grund zu einem neuen Heidelberg, wie er den Deputirten der Universität
im Juni 1803 in Mannheim und bald auch persönlich den Heidelberger Be¬
hörden verhieß, als er hier trotz der Antipathie der Pfälzer gegen sein Haus
herzlich begrüßt wurde. Er sprach ein neues "Werde!" über die Stiftung
Ruprechts I,; in dankbarer Anerkennung nennt sie sich seitdem Nuperto-Carola
und begeht feierlich sein Geburtsfest, an dem sie aus seiner 1807 gemachten
Stiftung denen eine Denkmünze ans badischem Golde zuerkennt, welche die von
den Fakultäten gestellten wissenschaftlichen Fragen gelöst haben. Ein tiefer Sinn
sprach sich in der Sage aus, ein auf der Brücke eingeschlummerter Student
habe erwachend gehört, wie Minerva Karl Friedrichs Lob Karl Theodor zurief.
Zahllose anderweitige Sorgen und Arbeiten, welche die Neubildung des ganzen
Staates mit sich brachte, verhinderten Karl Friedrich, die Reorgcinisirung der
Hochschule sofort zu vollende"; nur allmählich und höchst vorsichtig konnte
das Werk vollführt werden. Auch war eine Epoche beständiger Kriege der
Pflege der Studien wenig günstig, und 1804 zählte die Universität bloß
27 Ordinarien und Extraordinarien, vou denen nur ein Ordinarius den höchsten
Satz, 2000 Gulden, bezog; die Frequenz betrug 1803/4 250 Studenten.
Und doch wurde die Ruperto-Carola eine moderne wissenschaftliche Anstalt
ersten Ranges, die ihr durchlöchertes klerikales Gewand abstreifte und einen
weltlich-staatlichen Charakter annahm; allmählich schwand die katholische Über¬
macht im Senate, ein protestantisch freier Geist brach sich Bahn, und das
Protestantische Deutschland durfte jubelnd den Tag begrüßen, an dem die
alte Universität, siech und hinfällig, aus den Händen einer pfäffischen Clique
in die einer freidenkenden, aufgeklärten Regierung übergegangen war, um
sich unter ihrer sorgsamen Vaterhand neu zu beleben und zu verjünge".
In dem akademischen Senate begegneten sich freilich noch die wunderlichsten
Gegensätze; Männer, die am Kopfe und im Herzen einen zärtlich gehegten


Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

der Studenten zu wache»; doch hatte es sich „aller strengen Splitterrichtercy,
womit unschuldige, wann auch dem reifern Alter geschmacklose Vergnügen gestört,
und eine schon männliche Geseztheit und Zurückhaltung von der aufblühenden
Jugend gefordert wird," gänzlich zu enthalten, Karl Friedrich setzte als
Studienzeit der Badener drei und ein halbes Jahr für die Juristen, drei für
die Theologen und Mediziner und dritthalb für die Kameralisten an und ver¬
pflichtete jeden Studenten des Landes, so lange in Heidelberg zu weilen. Hatte
unter den pfälzischen Regierungen bei den Studenten Sittenlosigkeit und zügel¬
loses Treiben geherrscht, so trat alsbald diesen Übeln das akademische Gericht,
aus Thibaut, Martin und Heise bestehend, voll Energie entgegen, bis am 7, Mai 1810
ein Universitätsamtmauu es ablöste. Die Oberaufsicht der Anstalt wurde un¬
mittelbar dem Gehcimratskollegium in Karlsruhe anvertraut, in welchem der
protestantische Staatsminister Freiherr von Edelsheim und der katholische geheime
Referendar von Hofer als Kuratoren angestellt wurden. So legte Karl Friedrich
den Grund zu einem neuen Heidelberg, wie er den Deputirten der Universität
im Juni 1803 in Mannheim und bald auch persönlich den Heidelberger Be¬
hörden verhieß, als er hier trotz der Antipathie der Pfälzer gegen sein Haus
herzlich begrüßt wurde. Er sprach ein neues „Werde!" über die Stiftung
Ruprechts I,; in dankbarer Anerkennung nennt sie sich seitdem Nuperto-Carola
und begeht feierlich sein Geburtsfest, an dem sie aus seiner 1807 gemachten
Stiftung denen eine Denkmünze ans badischem Golde zuerkennt, welche die von
den Fakultäten gestellten wissenschaftlichen Fragen gelöst haben. Ein tiefer Sinn
sprach sich in der Sage aus, ein auf der Brücke eingeschlummerter Student
habe erwachend gehört, wie Minerva Karl Friedrichs Lob Karl Theodor zurief.
Zahllose anderweitige Sorgen und Arbeiten, welche die Neubildung des ganzen
Staates mit sich brachte, verhinderten Karl Friedrich, die Reorgcinisirung der
Hochschule sofort zu vollende»; nur allmählich und höchst vorsichtig konnte
das Werk vollführt werden. Auch war eine Epoche beständiger Kriege der
Pflege der Studien wenig günstig, und 1804 zählte die Universität bloß
27 Ordinarien und Extraordinarien, vou denen nur ein Ordinarius den höchsten
Satz, 2000 Gulden, bezog; die Frequenz betrug 1803/4 250 Studenten.
Und doch wurde die Ruperto-Carola eine moderne wissenschaftliche Anstalt
ersten Ranges, die ihr durchlöchertes klerikales Gewand abstreifte und einen
weltlich-staatlichen Charakter annahm; allmählich schwand die katholische Über¬
macht im Senate, ein protestantisch freier Geist brach sich Bahn, und das
Protestantische Deutschland durfte jubelnd den Tag begrüßen, an dem die
alte Universität, siech und hinfällig, aus den Händen einer pfäffischen Clique
in die einer freidenkenden, aufgeklärten Regierung übergegangen war, um
sich unter ihrer sorgsamen Vaterhand neu zu beleben und zu verjünge».
In dem akademischen Senate begegneten sich freilich noch die wunderlichsten
Gegensätze; Männer, die am Kopfe und im Herzen einen zärtlich gehegten


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[0122] Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg. der Studenten zu wache»; doch hatte es sich „aller strengen Splitterrichtercy, womit unschuldige, wann auch dem reifern Alter geschmacklose Vergnügen gestört, und eine schon männliche Geseztheit und Zurückhaltung von der aufblühenden Jugend gefordert wird," gänzlich zu enthalten, Karl Friedrich setzte als Studienzeit der Badener drei und ein halbes Jahr für die Juristen, drei für die Theologen und Mediziner und dritthalb für die Kameralisten an und ver¬ pflichtete jeden Studenten des Landes, so lange in Heidelberg zu weilen. Hatte unter den pfälzischen Regierungen bei den Studenten Sittenlosigkeit und zügel¬ loses Treiben geherrscht, so trat alsbald diesen Übeln das akademische Gericht, aus Thibaut, Martin und Heise bestehend, voll Energie entgegen, bis am 7, Mai 1810 ein Universitätsamtmauu es ablöste. Die Oberaufsicht der Anstalt wurde un¬ mittelbar dem Gehcimratskollegium in Karlsruhe anvertraut, in welchem der protestantische Staatsminister Freiherr von Edelsheim und der katholische geheime Referendar von Hofer als Kuratoren angestellt wurden. So legte Karl Friedrich den Grund zu einem neuen Heidelberg, wie er den Deputirten der Universität im Juni 1803 in Mannheim und bald auch persönlich den Heidelberger Be¬ hörden verhieß, als er hier trotz der Antipathie der Pfälzer gegen sein Haus herzlich begrüßt wurde. Er sprach ein neues „Werde!" über die Stiftung Ruprechts I,; in dankbarer Anerkennung nennt sie sich seitdem Nuperto-Carola und begeht feierlich sein Geburtsfest, an dem sie aus seiner 1807 gemachten Stiftung denen eine Denkmünze ans badischem Golde zuerkennt, welche die von den Fakultäten gestellten wissenschaftlichen Fragen gelöst haben. Ein tiefer Sinn sprach sich in der Sage aus, ein auf der Brücke eingeschlummerter Student habe erwachend gehört, wie Minerva Karl Friedrichs Lob Karl Theodor zurief. Zahllose anderweitige Sorgen und Arbeiten, welche die Neubildung des ganzen Staates mit sich brachte, verhinderten Karl Friedrich, die Reorgcinisirung der Hochschule sofort zu vollende»; nur allmählich und höchst vorsichtig konnte das Werk vollführt werden. Auch war eine Epoche beständiger Kriege der Pflege der Studien wenig günstig, und 1804 zählte die Universität bloß 27 Ordinarien und Extraordinarien, vou denen nur ein Ordinarius den höchsten Satz, 2000 Gulden, bezog; die Frequenz betrug 1803/4 250 Studenten. Und doch wurde die Ruperto-Carola eine moderne wissenschaftliche Anstalt ersten Ranges, die ihr durchlöchertes klerikales Gewand abstreifte und einen weltlich-staatlichen Charakter annahm; allmählich schwand die katholische Über¬ macht im Senate, ein protestantisch freier Geist brach sich Bahn, und das Protestantische Deutschland durfte jubelnd den Tag begrüßen, an dem die alte Universität, siech und hinfällig, aus den Händen einer pfäffischen Clique in die einer freidenkenden, aufgeklärten Regierung übergegangen war, um sich unter ihrer sorgsamen Vaterhand neu zu beleben und zu verjünge». In dem akademischen Senate begegneten sich freilich noch die wunderlichsten Gegensätze; Männer, die am Kopfe und im Herzen einen zärtlich gehegten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/122>, abgerufen am 26.07.2024.