Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Notizen. Geschäftsträger am Dresdner Hofe, hat seiner Regierung einen Bericht erstattet, Fragen wir, in welchem Umfange die deutschen Fabrikanten mit den englischen Notizen. Geschäftsträger am Dresdner Hofe, hat seiner Regierung einen Bericht erstattet, Fragen wir, in welchem Umfange die deutschen Fabrikanten mit den englischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197522"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_295" prev="#ID_294"> Geschäftsträger am Dresdner Hofe, hat seiner Regierung einen Bericht erstattet,<lb/> von dein niemand sagen kann, daß er zu einer Verneinung der Frage Material<lb/> liefere. Dieser mit ebensoviel Sachkenntnis als Gewissenhaftigkeit verfaßte Ueberblick<lb/> enthält ein sehr reiches Detail, mit dem er sowohl für den Staatsmann als für<lb/> die Geschäftswelt eine ungewöhnlich wertvolle Belehrung und Aufklärung bietet.<lb/> Der genannte britische Diplomat Prüft an der Hand seiner Studien nach einander<lb/> alle Zweige des deutschen Gewerbfleißes, zunächst die Eisen- und Stahlindustrie,<lb/> dann die Textilbranche, die Weberei in Baumwolle, Wolle, Leinen und Jute, ferner<lb/> Spitzen, Seide, Asbest, Chemikalien, Leder, Glas, Pianos und schließlich die Er¬<lb/> zeugnisse der Landwirtschaft, und jedes von seinen Kapiteln zeigt, daß eine fleißige<lb/> und sorgfältige Untersuchung ihn in deu Stand gesetzt hat, ein giltiges Urteil über<lb/> die Wirkungen der Tnrifveränderungcn auf jene Gebiete unsers wirtschaftlichen<lb/> Lebens und die Stellung desselben zu deu ausländischen Rivalen abzugeben. Und<lb/> was sind seine Ergebnisse? Die Fabrikation von Jutewaaren ist durch deu Tarif<lb/> von 1879 fast geradezu vor dem Absterbe» bewahrt worden, die von Wollen¬<lb/> stoffen und Strnmpfwaaren dankt ihm weniger, die von Seidenzeugen nichts.<lb/> Die Baumwollenspinner haben sich bereichert, und es ist der Grund zum Be¬<lb/> triebe neuer Zweige dieser Art gelegt worden. Ans dem Gebiete der me¬<lb/> tallurgischen Erzeugnisse sind die Hochöfen meist durch die Hilfe des Staates im<lb/> Brande geblieben, die Eisenwaaren haben gewonnen, während der Maschinenbau<lb/> mit eignen Kräften gediehen ist. „Nirgends in Deutschland sind Anzeichen eines<lb/> Beginnes jener freihändlerischen Reaktion zu gewahren, die, wie manche Leute meinen,<lb/> in andern schntzzöllnerischen Ländern sich zu regen anfängt. Im Gegenteil ist der<lb/> Glaube weit verbreitet, daß der Tarif von 1879 Deutschland vor einem großen<lb/> Ruin gerettet habe, und daß das Reich sich jetzt auf dein Wege zu industrieller<lb/> Größe und vielleicht zur Nachfolge in jener Hegemonie befinde, die Großbritannien<lb/> jetzt, wie man behauptet, noch in Händen hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_296" next="#ID_297"> Fragen wir, in welchem Umfange die deutschen Fabrikanten mit den englischen<lb/> rivalisiren und ans welchen Märkten sie der Hegemonie der letztern den Rang ab¬<lb/> zulaufen versuche», so antwortet jeder Industriezweig nach seinen besondern Er¬<lb/> fahrungen. Indem Stracheys Bericht von Krupps „Meeren flüssigen Stahls"<lb/> spricht, erörtert er die angebliche Verschlechterung des schottischen Gußeisens, die er<lb/> mit der Thatsache erklärt, daß der „unvergleichliche schwarze Baudeiseustein" fast<lb/> erschöpft ist und in den schottischen Hochöfen vielfach durch geringeres Rohmaterial<lb/> ersetzt wird. Dagegen siud uach Strachey die westfälische» Eisenfabrikanten denen<lb/> von Middlesborongh und Glasgow in der Bauart ihrer Oefen und in der Technik<lb/> überlegen, und er erzählt, daß Engländer, die vor vier Jahren den Nuterrhein<lb/> besucht haben, die „unbefireitbaren technischen Vorzüge der dortigen Eisenwerke, vor<lb/> den englische» anerkannt und dabei bemerkt hätte», mit den letzter» befinde man sich<lb/> noch in deu Fesseln des Empirismus." Von der Rivalität der Messerschmiedewaareu<lb/> Sheffields und der dentschen bemerkt Strachey, die letztem seien hierbei durch<lb/> niedrige Löhne und Frachten, aber auch durch Zolle begünstigt. Diesen Umständen<lb/> schreibt er auch die Auswanderung englischer Kapitalisten zu, die in Deutschland<lb/> Fabriken von Webwanrcu angelegt haben, welche früher in Aorkshire und andern eng¬<lb/> lischen Bezirken fabrizirt wurden. Aehnliches führt Strachey aus andern Gebieten der<lb/> Gelverbthätigkeit an, und die Moral seiner Allseinandersetzung ist: der britische<lb/> Fabrikant hat einige seiner frühern Vorzüge und Vorteile eingebüßt, seine Rivalen<lb/> in Deutschland arbeiten vielfach leichter und wohlfeiler als er, er ist weniger er¬<lb/> finderisch, beweglich und schmiegsam gegenüber deu Umständen und ihrem Wechsel</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Notizen.
Geschäftsträger am Dresdner Hofe, hat seiner Regierung einen Bericht erstattet,
von dein niemand sagen kann, daß er zu einer Verneinung der Frage Material
liefere. Dieser mit ebensoviel Sachkenntnis als Gewissenhaftigkeit verfaßte Ueberblick
enthält ein sehr reiches Detail, mit dem er sowohl für den Staatsmann als für
die Geschäftswelt eine ungewöhnlich wertvolle Belehrung und Aufklärung bietet.
Der genannte britische Diplomat Prüft an der Hand seiner Studien nach einander
alle Zweige des deutschen Gewerbfleißes, zunächst die Eisen- und Stahlindustrie,
dann die Textilbranche, die Weberei in Baumwolle, Wolle, Leinen und Jute, ferner
Spitzen, Seide, Asbest, Chemikalien, Leder, Glas, Pianos und schließlich die Er¬
zeugnisse der Landwirtschaft, und jedes von seinen Kapiteln zeigt, daß eine fleißige
und sorgfältige Untersuchung ihn in deu Stand gesetzt hat, ein giltiges Urteil über
die Wirkungen der Tnrifveränderungcn auf jene Gebiete unsers wirtschaftlichen
Lebens und die Stellung desselben zu deu ausländischen Rivalen abzugeben. Und
was sind seine Ergebnisse? Die Fabrikation von Jutewaaren ist durch deu Tarif
von 1879 fast geradezu vor dem Absterbe» bewahrt worden, die von Wollen¬
stoffen und Strnmpfwaaren dankt ihm weniger, die von Seidenzeugen nichts.
Die Baumwollenspinner haben sich bereichert, und es ist der Grund zum Be¬
triebe neuer Zweige dieser Art gelegt worden. Ans dem Gebiete der me¬
tallurgischen Erzeugnisse sind die Hochöfen meist durch die Hilfe des Staates im
Brande geblieben, die Eisenwaaren haben gewonnen, während der Maschinenbau
mit eignen Kräften gediehen ist. „Nirgends in Deutschland sind Anzeichen eines
Beginnes jener freihändlerischen Reaktion zu gewahren, die, wie manche Leute meinen,
in andern schntzzöllnerischen Ländern sich zu regen anfängt. Im Gegenteil ist der
Glaube weit verbreitet, daß der Tarif von 1879 Deutschland vor einem großen
Ruin gerettet habe, und daß das Reich sich jetzt auf dein Wege zu industrieller
Größe und vielleicht zur Nachfolge in jener Hegemonie befinde, die Großbritannien
jetzt, wie man behauptet, noch in Händen hat."
Fragen wir, in welchem Umfange die deutschen Fabrikanten mit den englischen
rivalisiren und ans welchen Märkten sie der Hegemonie der letztern den Rang ab¬
zulaufen versuche», so antwortet jeder Industriezweig nach seinen besondern Er¬
fahrungen. Indem Stracheys Bericht von Krupps „Meeren flüssigen Stahls"
spricht, erörtert er die angebliche Verschlechterung des schottischen Gußeisens, die er
mit der Thatsache erklärt, daß der „unvergleichliche schwarze Baudeiseustein" fast
erschöpft ist und in den schottischen Hochöfen vielfach durch geringeres Rohmaterial
ersetzt wird. Dagegen siud uach Strachey die westfälische» Eisenfabrikanten denen
von Middlesborongh und Glasgow in der Bauart ihrer Oefen und in der Technik
überlegen, und er erzählt, daß Engländer, die vor vier Jahren den Nuterrhein
besucht haben, die „unbefireitbaren technischen Vorzüge der dortigen Eisenwerke, vor
den englische» anerkannt und dabei bemerkt hätte», mit den letzter» befinde man sich
noch in deu Fesseln des Empirismus." Von der Rivalität der Messerschmiedewaareu
Sheffields und der dentschen bemerkt Strachey, die letztem seien hierbei durch
niedrige Löhne und Frachten, aber auch durch Zolle begünstigt. Diesen Umständen
schreibt er auch die Auswanderung englischer Kapitalisten zu, die in Deutschland
Fabriken von Webwanrcu angelegt haben, welche früher in Aorkshire und andern eng¬
lischen Bezirken fabrizirt wurden. Aehnliches führt Strachey aus andern Gebieten der
Gelverbthätigkeit an, und die Moral seiner Allseinandersetzung ist: der britische
Fabrikant hat einige seiner frühern Vorzüge und Vorteile eingebüßt, seine Rivalen
in Deutschland arbeiten vielfach leichter und wohlfeiler als er, er ist weniger er¬
finderisch, beweglich und schmiegsam gegenüber deu Umständen und ihrem Wechsel
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