Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Camoens. und sich wiederum rasch senkte, bog bald um einen Vorsprung des Gebirges und Verzeiht, mein Freund, mich kümmert heute das Schicksal der Armen mehr Nein, wahrlich nein! versetzte Herr Manuel kurz. Wie sich der König zu Ihr sprecht bitter und fast finster! rief Camoens. Ihr seid, wie ich aus Camoens. und sich wiederum rasch senkte, bog bald um einen Vorsprung des Gebirges und Verzeiht, mein Freund, mich kümmert heute das Schicksal der Armen mehr Nein, wahrlich nein! versetzte Herr Manuel kurz. Wie sich der König zu Ihr sprecht bitter und fast finster! rief Camoens. Ihr seid, wie ich aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197519"/> <fw type="header" place="top"> Camoens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_282" prev="#ID_281"> und sich wiederum rasch senkte, bog bald um einen Vorsprung des Gebirges und<lb/> führte dann an Schluchten entlang, die überall einen Nest alten Waldes bargen,<lb/> am Kloster San Joao vorüber, an dessen Pforte Camoens diesen Morgen<lb/> umsonst gepocht und von dem er sich aufwärts gegen Santa Cruz gewendet<lb/> hatte. Jetzt schien er so gefesselt von dem Blick in das Thal, das zur Hälfte<lb/> schon im Schatten, nur gegen West noch im Lichte der niedergehenden Sonne lag,<lb/> daß er das Kloster garnicht wahrnahm und daß Barrcto sein Schweigen endlich<lb/> brechen mußte. Er lenkte den Blick des Freundes von der goldschimmernden<lb/> Kuppel der Erlöserkirche und den langgestreckten Mauern des Königsschlosses,<lb/> welche auf den gegenüber liegenden Hügeln sichtbar waren, auf die dunkelblaue,<lb/> vielgezacktc Bergkette im Hintergründe, um die sich schwere purpurne Wolken<lb/> lagerten. Erinnert Ihr Euch, sagte er, des Spätnachmittags, da wir vom<lb/> Sturm von Dharwar heimkehrten und den Bergzug über Goa uus gegenüber<lb/> hatten? Die roten Wolken, die sich dort drängen, sehen aus wie alte Bekannte<lb/> aus Indien, und mir ist, als wären sie uns übers Meer nachgefolgt, um<lb/> uns unsre Gedanken von damals wieder zuzutragen. Wißt Ihr noch, wie wir<lb/> über die Rätsel des Weltlnnfs sprachen und Ihr Euch umsonst unstet, zu er¬<lb/> gründen, warum dasselbe Ding einmal Recht und das andremal Verbrechen<lb/> sei? Mich dünkt, wir können unser Gespräch von damals hier fortsetzen. Was<lb/> meint Ihr zu der Geschichte der Maurin, die wir dort oben verlassen haben?<lb/> Ist sie nicht ein ganzes Stück Weltlauf? Vor fünfzig Jahren, da unsre spanischen<lb/> Nachbarn bei weitem noch nicht so fromm waren, als wir heute sind, haben<lb/> sie den armen Tropf, den Inka Atcihualpa von Peru, der in seinem Leben<lb/> nichts von unsern Sitten und Gesetzen gewußt hatte, wegen Vielweiberei er¬<lb/> drosselt. Und heute bieten sie die Alguazils des allergläubigsten Portugal auf,<lb/> um dem marokkanischen Emir ein entflohenes Mädchen in sein Harem zurück¬<lb/> zuschaffen, den er im Palast des strengen Königs Sebastian hält.</p><lb/> <p xml:id="ID_283"> Verzeiht, mein Freund, mich kümmert heute das Schicksal der Armen mehr<lb/> als aller Weltlauf! erwiederte Camoens. Ihr bezeugtet nicht allzugroße Lust,<lb/> sie durch die Taufe vor ihren Verfolgern sicherzustellen?</p><lb/> <p xml:id="ID_284"> Nein, wahrlich nein! versetzte Herr Manuel kurz. Wie sich der König zu<lb/> Mulei Mohammed gestellt hat, ists noch die Frage, ob wir leicht einen willigen<lb/> Priester finden würden, der dem Zorn des Königs trotzt. Wenn aber auch — wer<lb/> sagt Euch, daß diese Rettung nicht das Verderben der jungen Esmah wird?<lb/> Meint Ihr im Ernst, daß das Taufwasser alle Gewohnheiten und Gebräuche<lb/> des Maurenkindes wegwaschen wird? Die Inquisition ist wachsam, beinahe<lb/> allwissend und wenn ihr die neue Christin von vornherein zur besondern Für¬<lb/> sorge empfohlen wird, so könnte es leicht geschehen, daß der Mohrenprinz seine<lb/> Rache durch deu Arm des heiligen Amtes erhielte.</p><lb/> <p xml:id="ID_285" next="#ID_286"> Ihr sprecht bitter und fast finster! rief Camoens. Ihr seid, wie ich aus<lb/> allem merke, mit dem Regiment unsers jungen Königs wenig einverstanden und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
Camoens.
und sich wiederum rasch senkte, bog bald um einen Vorsprung des Gebirges und
führte dann an Schluchten entlang, die überall einen Nest alten Waldes bargen,
am Kloster San Joao vorüber, an dessen Pforte Camoens diesen Morgen
umsonst gepocht und von dem er sich aufwärts gegen Santa Cruz gewendet
hatte. Jetzt schien er so gefesselt von dem Blick in das Thal, das zur Hälfte
schon im Schatten, nur gegen West noch im Lichte der niedergehenden Sonne lag,
daß er das Kloster garnicht wahrnahm und daß Barrcto sein Schweigen endlich
brechen mußte. Er lenkte den Blick des Freundes von der goldschimmernden
Kuppel der Erlöserkirche und den langgestreckten Mauern des Königsschlosses,
welche auf den gegenüber liegenden Hügeln sichtbar waren, auf die dunkelblaue,
vielgezacktc Bergkette im Hintergründe, um die sich schwere purpurne Wolken
lagerten. Erinnert Ihr Euch, sagte er, des Spätnachmittags, da wir vom
Sturm von Dharwar heimkehrten und den Bergzug über Goa uus gegenüber
hatten? Die roten Wolken, die sich dort drängen, sehen aus wie alte Bekannte
aus Indien, und mir ist, als wären sie uns übers Meer nachgefolgt, um
uns unsre Gedanken von damals wieder zuzutragen. Wißt Ihr noch, wie wir
über die Rätsel des Weltlnnfs sprachen und Ihr Euch umsonst unstet, zu er¬
gründen, warum dasselbe Ding einmal Recht und das andremal Verbrechen
sei? Mich dünkt, wir können unser Gespräch von damals hier fortsetzen. Was
meint Ihr zu der Geschichte der Maurin, die wir dort oben verlassen haben?
Ist sie nicht ein ganzes Stück Weltlauf? Vor fünfzig Jahren, da unsre spanischen
Nachbarn bei weitem noch nicht so fromm waren, als wir heute sind, haben
sie den armen Tropf, den Inka Atcihualpa von Peru, der in seinem Leben
nichts von unsern Sitten und Gesetzen gewußt hatte, wegen Vielweiberei er¬
drosselt. Und heute bieten sie die Alguazils des allergläubigsten Portugal auf,
um dem marokkanischen Emir ein entflohenes Mädchen in sein Harem zurück¬
zuschaffen, den er im Palast des strengen Königs Sebastian hält.
Verzeiht, mein Freund, mich kümmert heute das Schicksal der Armen mehr
als aller Weltlauf! erwiederte Camoens. Ihr bezeugtet nicht allzugroße Lust,
sie durch die Taufe vor ihren Verfolgern sicherzustellen?
Nein, wahrlich nein! versetzte Herr Manuel kurz. Wie sich der König zu
Mulei Mohammed gestellt hat, ists noch die Frage, ob wir leicht einen willigen
Priester finden würden, der dem Zorn des Königs trotzt. Wenn aber auch — wer
sagt Euch, daß diese Rettung nicht das Verderben der jungen Esmah wird?
Meint Ihr im Ernst, daß das Taufwasser alle Gewohnheiten und Gebräuche
des Maurenkindes wegwaschen wird? Die Inquisition ist wachsam, beinahe
allwissend und wenn ihr die neue Christin von vornherein zur besondern Für¬
sorge empfohlen wird, so könnte es leicht geschehen, daß der Mohrenprinz seine
Rache durch deu Arm des heiligen Amtes erhielte.
Ihr sprecht bitter und fast finster! rief Camoens. Ihr seid, wie ich aus
allem merke, mit dem Regiment unsers jungen Königs wenig einverstanden und
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