Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lamoöns.

Wasser bereit sei, Sie hat mit Mühe und während ihr die Verfolger schon
auf den Fersen waren, für die erste Nacht Aufnahme in einem Nonnenkloster
gefunden, aber die Schwestern haben sie mit guten Wünschen weitergeschickt, so¬
bald sie erfahren hatten, wer sie sei und was sie begehre. Dann ist die Ärmste
hungrig, mit blutenden Füßen zwei Tage über das Gebirge geirrt, hat niemand
gefunden, der ihre Sprache und ihre paar Worte Portugiesisch verstand, und
hat sich bor jedem nahenden Manne versteckt, als sei er ein Häscher Mulei Mo
hammeds! Erst unsrer kleinen Ziegenhirtin hier hat sie zu vertrauen gewagt, und.
jetzt bittet sie inständig um unsre, um Eure Hilfe, Barreto, da ich ihr gesagt,
daß ich ohne Euch wenig zu thun vermochte.

Mit wachsendem Ernst vernahm Herr Manuel die Worte des Freundes,
teilnehmend blickte er auf die junge Fremde; Joana, die von allem, was
Camoens sprach, nur das eine begriffen hatte, daß ihr seltsamer Gast in schwerer
Gefahr und hilfsbedürftig sei, erhob bittend ihre brannen Hände, der Edelmann
aber verharrte längere Zeit in überlegendem Schweigen, Endlich hub er an:

Da wird schwer zu helfen sein! Selbst wenn wir einen Priester finden,
der die Gefluchtete ohne lange Vorbereitungen tauft, wird sie eine Zeit lang
verborgen bleiben müssen, und ich weiß nicht, ob mein Gut der rechte Platz
dazu wäre. Doch gälte es den Versuch! Zunächst aber mußt du das Beste
thun, Jonna! Du mußt die Arme zwei oder drei Tage hier behalten, mußt
sie in deiner Hütte versteckt halten. Hier herauf gelangen die Späher des
Mohrcnprinzen schwerlich. Inzwischen aber läßt sich überlegen, was weiter
zu thun ist. Hast du Brot für dich und sie für einige Tage?

Kann, genug, edler Herr, versetzte die Hirtin schüchtern, Sancho Perez
der Klosterschaffner sendet mir jeden Samstag mit einem Knaben, was für die
Woche für mich reicht, es ist nicht für zwei zugemessen, doch teile ich mit der
armen Fremden gern, was ich habe.

Wir werden dir durch einen Burschen oder eine Alte, auf deren Ver¬
schwiegenheit ich mich verlassen kann, Brot und Datteln und etwas Wein herauf¬
schicken, erwiederte Manuel Barreto. Inzwischen ist es gut, wenn sich Esmcch
soviel als möglich unter deinem Strohdach hält, Joana! Mau wird sie nicht
bei dir suchen, aber auch dem schlimmen Zufall darf man keine Hand bieten.
Und jetzt, Freund Luis, laßt uus an unsern Weg und an unser Vorhaben in
Cintra denken. Die Sorge, ohne die der Mensch nicht leicht eine Straße ein¬
schlägt, haben wir uns ja aufgeladen! Sagt der schöne" Spröden, daß wir
ihr helfen Wollen, so gut wir es vermögen, und daß sie hier für den Augen¬
blick am sichersten sei. Selbst im äußersten Falle können sie Joana nichts an¬
haben, welche die Fremde nicht versteht und nicht zu wissen braucht, wer diese ist.
''

Canoeus wandte sich abermals zu der jungen Maurin und wiederholte
ihr in arabischer Sprache, was Barreto riet und anordnete. Esmcch gab durch
dankende Blicke und wiederholte Verneigungen gegen den Edelmann zu erkennen,


Lamoöns.

Wasser bereit sei, Sie hat mit Mühe und während ihr die Verfolger schon
auf den Fersen waren, für die erste Nacht Aufnahme in einem Nonnenkloster
gefunden, aber die Schwestern haben sie mit guten Wünschen weitergeschickt, so¬
bald sie erfahren hatten, wer sie sei und was sie begehre. Dann ist die Ärmste
hungrig, mit blutenden Füßen zwei Tage über das Gebirge geirrt, hat niemand
gefunden, der ihre Sprache und ihre paar Worte Portugiesisch verstand, und
hat sich bor jedem nahenden Manne versteckt, als sei er ein Häscher Mulei Mo
hammeds! Erst unsrer kleinen Ziegenhirtin hier hat sie zu vertrauen gewagt, und.
jetzt bittet sie inständig um unsre, um Eure Hilfe, Barreto, da ich ihr gesagt,
daß ich ohne Euch wenig zu thun vermochte.

Mit wachsendem Ernst vernahm Herr Manuel die Worte des Freundes,
teilnehmend blickte er auf die junge Fremde; Joana, die von allem, was
Camoens sprach, nur das eine begriffen hatte, daß ihr seltsamer Gast in schwerer
Gefahr und hilfsbedürftig sei, erhob bittend ihre brannen Hände, der Edelmann
aber verharrte längere Zeit in überlegendem Schweigen, Endlich hub er an:

Da wird schwer zu helfen sein! Selbst wenn wir einen Priester finden,
der die Gefluchtete ohne lange Vorbereitungen tauft, wird sie eine Zeit lang
verborgen bleiben müssen, und ich weiß nicht, ob mein Gut der rechte Platz
dazu wäre. Doch gälte es den Versuch! Zunächst aber mußt du das Beste
thun, Jonna! Du mußt die Arme zwei oder drei Tage hier behalten, mußt
sie in deiner Hütte versteckt halten. Hier herauf gelangen die Späher des
Mohrcnprinzen schwerlich. Inzwischen aber läßt sich überlegen, was weiter
zu thun ist. Hast du Brot für dich und sie für einige Tage?

Kann, genug, edler Herr, versetzte die Hirtin schüchtern, Sancho Perez
der Klosterschaffner sendet mir jeden Samstag mit einem Knaben, was für die
Woche für mich reicht, es ist nicht für zwei zugemessen, doch teile ich mit der
armen Fremden gern, was ich habe.

Wir werden dir durch einen Burschen oder eine Alte, auf deren Ver¬
schwiegenheit ich mich verlassen kann, Brot und Datteln und etwas Wein herauf¬
schicken, erwiederte Manuel Barreto. Inzwischen ist es gut, wenn sich Esmcch
soviel als möglich unter deinem Strohdach hält, Joana! Mau wird sie nicht
bei dir suchen, aber auch dem schlimmen Zufall darf man keine Hand bieten.
Und jetzt, Freund Luis, laßt uus an unsern Weg und an unser Vorhaben in
Cintra denken. Die Sorge, ohne die der Mensch nicht leicht eine Straße ein¬
schlägt, haben wir uns ja aufgeladen! Sagt der schöne» Spröden, daß wir
ihr helfen Wollen, so gut wir es vermögen, und daß sie hier für den Augen¬
blick am sichersten sei. Selbst im äußersten Falle können sie Joana nichts an¬
haben, welche die Fremde nicht versteht und nicht zu wissen braucht, wer diese ist.
''

Canoeus wandte sich abermals zu der jungen Maurin und wiederholte
ihr in arabischer Sprache, was Barreto riet und anordnete. Esmcch gab durch
dankende Blicke und wiederholte Verneigungen gegen den Edelmann zu erkennen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197517"/>
          <fw type="header" place="top"> Lamoöns.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_271" prev="#ID_270"> Wasser bereit sei, Sie hat mit Mühe und während ihr die Verfolger schon<lb/>
auf den Fersen waren, für die erste Nacht Aufnahme in einem Nonnenkloster<lb/>
gefunden, aber die Schwestern haben sie mit guten Wünschen weitergeschickt, so¬<lb/>
bald sie erfahren hatten, wer sie sei und was sie begehre. Dann ist die Ärmste<lb/>
hungrig, mit blutenden Füßen zwei Tage über das Gebirge geirrt, hat niemand<lb/>
gefunden, der ihre Sprache und ihre paar Worte Portugiesisch verstand, und<lb/>
hat sich bor jedem nahenden Manne versteckt, als sei er ein Häscher Mulei Mo<lb/>
hammeds! Erst unsrer kleinen Ziegenhirtin hier hat sie zu vertrauen gewagt, und.<lb/>
jetzt bittet sie inständig um unsre, um Eure Hilfe, Barreto, da ich ihr gesagt,<lb/>
daß ich ohne Euch wenig zu thun vermochte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_272"> Mit wachsendem Ernst vernahm Herr Manuel die Worte des Freundes,<lb/>
teilnehmend blickte er auf die junge Fremde; Joana, die von allem, was<lb/>
Camoens sprach, nur das eine begriffen hatte, daß ihr seltsamer Gast in schwerer<lb/>
Gefahr und hilfsbedürftig sei, erhob bittend ihre brannen Hände, der Edelmann<lb/>
aber verharrte längere Zeit in überlegendem Schweigen,  Endlich hub er an:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_273"> Da wird schwer zu helfen sein! Selbst wenn wir einen Priester finden,<lb/>
der die Gefluchtete ohne lange Vorbereitungen tauft, wird sie eine Zeit lang<lb/>
verborgen bleiben müssen, und ich weiß nicht, ob mein Gut der rechte Platz<lb/>
dazu wäre. Doch gälte es den Versuch! Zunächst aber mußt du das Beste<lb/>
thun, Jonna! Du mußt die Arme zwei oder drei Tage hier behalten, mußt<lb/>
sie in deiner Hütte versteckt halten. Hier herauf gelangen die Späher des<lb/>
Mohrcnprinzen schwerlich. Inzwischen aber läßt sich überlegen, was weiter<lb/>
zu thun ist.  Hast du Brot für dich und sie für einige Tage?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_274"> Kann, genug, edler Herr, versetzte die Hirtin schüchtern, Sancho Perez<lb/>
der Klosterschaffner sendet mir jeden Samstag mit einem Knaben, was für die<lb/>
Woche für mich reicht, es ist nicht für zwei zugemessen, doch teile ich mit der<lb/>
armen Fremden gern, was ich habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_275"> Wir werden dir durch einen Burschen oder eine Alte, auf deren Ver¬<lb/>
schwiegenheit ich mich verlassen kann, Brot und Datteln und etwas Wein herauf¬<lb/>
schicken, erwiederte Manuel Barreto. Inzwischen ist es gut, wenn sich Esmcch<lb/>
soviel als möglich unter deinem Strohdach hält, Joana! Mau wird sie nicht<lb/>
bei dir suchen, aber auch dem schlimmen Zufall darf man keine Hand bieten.<lb/>
Und jetzt, Freund Luis, laßt uus an unsern Weg und an unser Vorhaben in<lb/>
Cintra denken. Die Sorge, ohne die der Mensch nicht leicht eine Straße ein¬<lb/>
schlägt, haben wir uns ja aufgeladen! Sagt der schöne» Spröden, daß wir<lb/>
ihr helfen Wollen, so gut wir es vermögen, und daß sie hier für den Augen¬<lb/>
blick am sichersten sei. Selbst im äußersten Falle können sie Joana nichts an¬<lb/>
haben, welche die Fremde nicht versteht und nicht zu wissen braucht, wer diese ist.<lb/>
''</p><lb/>
          <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> Canoeus wandte sich abermals zu der jungen Maurin und wiederholte<lb/>
ihr in arabischer Sprache, was Barreto riet und anordnete. Esmcch gab durch<lb/>
dankende Blicke und wiederholte Verneigungen gegen den Edelmann zu erkennen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] Lamoöns. Wasser bereit sei, Sie hat mit Mühe und während ihr die Verfolger schon auf den Fersen waren, für die erste Nacht Aufnahme in einem Nonnenkloster gefunden, aber die Schwestern haben sie mit guten Wünschen weitergeschickt, so¬ bald sie erfahren hatten, wer sie sei und was sie begehre. Dann ist die Ärmste hungrig, mit blutenden Füßen zwei Tage über das Gebirge geirrt, hat niemand gefunden, der ihre Sprache und ihre paar Worte Portugiesisch verstand, und hat sich bor jedem nahenden Manne versteckt, als sei er ein Häscher Mulei Mo hammeds! Erst unsrer kleinen Ziegenhirtin hier hat sie zu vertrauen gewagt, und. jetzt bittet sie inständig um unsre, um Eure Hilfe, Barreto, da ich ihr gesagt, daß ich ohne Euch wenig zu thun vermochte. Mit wachsendem Ernst vernahm Herr Manuel die Worte des Freundes, teilnehmend blickte er auf die junge Fremde; Joana, die von allem, was Camoens sprach, nur das eine begriffen hatte, daß ihr seltsamer Gast in schwerer Gefahr und hilfsbedürftig sei, erhob bittend ihre brannen Hände, der Edelmann aber verharrte längere Zeit in überlegendem Schweigen, Endlich hub er an: Da wird schwer zu helfen sein! Selbst wenn wir einen Priester finden, der die Gefluchtete ohne lange Vorbereitungen tauft, wird sie eine Zeit lang verborgen bleiben müssen, und ich weiß nicht, ob mein Gut der rechte Platz dazu wäre. Doch gälte es den Versuch! Zunächst aber mußt du das Beste thun, Jonna! Du mußt die Arme zwei oder drei Tage hier behalten, mußt sie in deiner Hütte versteckt halten. Hier herauf gelangen die Späher des Mohrcnprinzen schwerlich. Inzwischen aber läßt sich überlegen, was weiter zu thun ist. Hast du Brot für dich und sie für einige Tage? Kann, genug, edler Herr, versetzte die Hirtin schüchtern, Sancho Perez der Klosterschaffner sendet mir jeden Samstag mit einem Knaben, was für die Woche für mich reicht, es ist nicht für zwei zugemessen, doch teile ich mit der armen Fremden gern, was ich habe. Wir werden dir durch einen Burschen oder eine Alte, auf deren Ver¬ schwiegenheit ich mich verlassen kann, Brot und Datteln und etwas Wein herauf¬ schicken, erwiederte Manuel Barreto. Inzwischen ist es gut, wenn sich Esmcch soviel als möglich unter deinem Strohdach hält, Joana! Mau wird sie nicht bei dir suchen, aber auch dem schlimmen Zufall darf man keine Hand bieten. Und jetzt, Freund Luis, laßt uus an unsern Weg und an unser Vorhaben in Cintra denken. Die Sorge, ohne die der Mensch nicht leicht eine Straße ein¬ schlägt, haben wir uns ja aufgeladen! Sagt der schöne» Spröden, daß wir ihr helfen Wollen, so gut wir es vermögen, und daß sie hier für den Augen¬ blick am sichersten sei. Selbst im äußersten Falle können sie Joana nichts an¬ haben, welche die Fremde nicht versteht und nicht zu wissen braucht, wer diese ist. '' Canoeus wandte sich abermals zu der jungen Maurin und wiederholte ihr in arabischer Sprache, was Barreto riet und anordnete. Esmcch gab durch dankende Blicke und wiederholte Verneigungen gegen den Edelmann zu erkennen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/93
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/93>, abgerufen am 05.02.2025.