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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

Fragt sie zuerst, wie der Gebieter heißt, dessen Gunst sie flieht! versetzte
Barreto nachdrücklich und hörte, wie Camoens an die Maurin, die ihren schwarzen
Lockenkopf demütig gesenkt hatte, einige arabische Worte richtete. Sowie von
den Lippen der Fremden deutlich der Name Mulei Mohammed klang und der
Dichter fragend auf seinen Freund hinsah, brach der letztere los: Dachte ichs
doch! Die Arme lügt schwerlich -- den erlauchten Mvhrenprinzen, den sie
nennt, haben wir als Gast in Portugal und, wie es scheint, sein Harem dazu.
Jetzt forscht weiter und sucht zu erfahren, was sich das unglückliche Geschöpf
bei seiner Flucht gedacht hat, wie sie hierher kommt und auf wessen Hilfe
sie hofft.

Camoens hatte sich schon wieder zu der schönen Maurin gewandt und
nahm alle arabischen Erinnerungen zusammen, um sich verständlich zu machen
und das Mädchen zu verstehen. Eine bewegte Wechselrede folgte, welcher Bar¬
reto und die kleine Ziegcnhirtin, trotz ihrer Unverständlichkeit, mit gespannter
Teilnahme lauschten. Camoens' Züge verrieten mit jedem Augenblick mehr, das;
ihm die Fremde die tiefste Teilnahme einflöße. Die Maurin selbst verharrte
in der ihrem Stamme eigentümlichen Ruhe, mit über der Brust gekreuzten
Armen hörte sie, was der Portugiese zu ihr sprach, in leisem Tone antwortete
und erzählte sie, und nur ihre Augen, bald von den dunkeln Wimpern halb
verschleiert, bald blitzartig aufleuchtend, offenbarten die Bewegungen ihres Innern.
Nach hundert Fragen und Antworten sagte Camoens endlich: Sie nennt sich
Esmah und ist wirklich in das Harem des Mulei Mohammed aufgenommen
worden und mit deu andern Frauen und Sklavinnen des Emirs in unser Land
gekommen. Sie scheint zuerst in Lissabon und neuerdings auch im Gebirge
gewesen zu sein --

In Pona Verba, das dem Infanten Dom Heurianes gehört, es ist alles
richtig, fiel Manuel Barreto ein, den grauen Knebelbart zausend.

Erklärt mir um Gotteswillen, Freund, wie der Mohrenprinz mit seinem
Harem in dies allergläubigste Königreich kommt! Er scheint hier Hof zu halten
lind Herr über Leben und Tod der Seinigen zu sein.

Gewiß, so verhält es sich! versetzte der Edelmann. Wir glauben mit ihm
den Angelhaken zu besitzen, der uus die Königreiche Fes und Marokko in die
Tasche zieht, und dulden darum, was wir sonst mit Feuer und Schwert aus¬
rotten möchten. Ein andermal davon, Freund Luis, jetzt berichtet, was Ihr
von der Armen erfahren habt.

Die Frauen waren streng bewacht, sie sahen nnr die schwarzen Verschnittnen
des Mulei, deu Esmah haßte und dessen Weib sie nicht werden wollte. Sie
hat darnach irgendwie in Erfahrung gebracht, daß sie hier in einem christlichen
Lande lebe und daß, wenn sie Christin werde, sie vor dem Emir und seinen
Wünschen geschützt sei. Sie ist entflohen in der verworrenen Hoffnung, daß
jeder Portugiese sie aufnehmen und schützen könne, und daß die Taufe um nächsten


Lamoens.

Fragt sie zuerst, wie der Gebieter heißt, dessen Gunst sie flieht! versetzte
Barreto nachdrücklich und hörte, wie Camoens an die Maurin, die ihren schwarzen
Lockenkopf demütig gesenkt hatte, einige arabische Worte richtete. Sowie von
den Lippen der Fremden deutlich der Name Mulei Mohammed klang und der
Dichter fragend auf seinen Freund hinsah, brach der letztere los: Dachte ichs
doch! Die Arme lügt schwerlich — den erlauchten Mvhrenprinzen, den sie
nennt, haben wir als Gast in Portugal und, wie es scheint, sein Harem dazu.
Jetzt forscht weiter und sucht zu erfahren, was sich das unglückliche Geschöpf
bei seiner Flucht gedacht hat, wie sie hierher kommt und auf wessen Hilfe
sie hofft.

Camoens hatte sich schon wieder zu der schönen Maurin gewandt und
nahm alle arabischen Erinnerungen zusammen, um sich verständlich zu machen
und das Mädchen zu verstehen. Eine bewegte Wechselrede folgte, welcher Bar¬
reto und die kleine Ziegcnhirtin, trotz ihrer Unverständlichkeit, mit gespannter
Teilnahme lauschten. Camoens' Züge verrieten mit jedem Augenblick mehr, das;
ihm die Fremde die tiefste Teilnahme einflöße. Die Maurin selbst verharrte
in der ihrem Stamme eigentümlichen Ruhe, mit über der Brust gekreuzten
Armen hörte sie, was der Portugiese zu ihr sprach, in leisem Tone antwortete
und erzählte sie, und nur ihre Augen, bald von den dunkeln Wimpern halb
verschleiert, bald blitzartig aufleuchtend, offenbarten die Bewegungen ihres Innern.
Nach hundert Fragen und Antworten sagte Camoens endlich: Sie nennt sich
Esmah und ist wirklich in das Harem des Mulei Mohammed aufgenommen
worden und mit deu andern Frauen und Sklavinnen des Emirs in unser Land
gekommen. Sie scheint zuerst in Lissabon und neuerdings auch im Gebirge
gewesen zu sein —

In Pona Verba, das dem Infanten Dom Heurianes gehört, es ist alles
richtig, fiel Manuel Barreto ein, den grauen Knebelbart zausend.

Erklärt mir um Gotteswillen, Freund, wie der Mohrenprinz mit seinem
Harem in dies allergläubigste Königreich kommt! Er scheint hier Hof zu halten
lind Herr über Leben und Tod der Seinigen zu sein.

Gewiß, so verhält es sich! versetzte der Edelmann. Wir glauben mit ihm
den Angelhaken zu besitzen, der uus die Königreiche Fes und Marokko in die
Tasche zieht, und dulden darum, was wir sonst mit Feuer und Schwert aus¬
rotten möchten. Ein andermal davon, Freund Luis, jetzt berichtet, was Ihr
von der Armen erfahren habt.

Die Frauen waren streng bewacht, sie sahen nnr die schwarzen Verschnittnen
des Mulei, deu Esmah haßte und dessen Weib sie nicht werden wollte. Sie
hat darnach irgendwie in Erfahrung gebracht, daß sie hier in einem christlichen
Lande lebe und daß, wenn sie Christin werde, sie vor dem Emir und seinen
Wünschen geschützt sei. Sie ist entflohen in der verworrenen Hoffnung, daß
jeder Portugiese sie aufnehmen und schützen könne, und daß die Taufe um nächsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/92>, abgerufen am 05.02.2025.