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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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(Lamoöns.
Rolnan von Adolf Stern. (Fortschun-,,)

er Dichter erhob sich mit dem Edelmanne zugleich von dem be¬
moosten Felsblöcke. Barreto pfiff seinem Rappen, und Camoens
ging, um das Riemenzeug des Maultiers, das ihn heraus¬
getragen hatte, zu ordnen. Sie waren im Begriff aufzusitzen und
die schattige Schlucht zu verlassen, als Manuel Barreto über¬
rascht hinter sich deutete und halblaut sagte: Wahrhaftig, da kommt noch die
Zicgenhirtiu, die mir vorhin von den bettelnden Strolchen verheißen wurde!
Camoens wandte sich gleichfalls zurück und folgte dein Blicke des Freundes.
Es zeigte sich, daß hinter dem letzten Fall des Baches, wo die Felswand schroff
und scheinbar unzugänglich in die Höhe stieg, ein Pfad lief, den das braune
Moos und überhängendes Dorngestrüpp den Augen der beiden Männer ver¬
borgen hatten, und der steil und gefährlich genug erschien. Aber das junge
Mädchen, welches dort herabstieg, zeigte keine Ängstlichkeit. Rasch und gewandt
fand sie mit ihren nackten braunen Füßen die vorspringenden Stellen im Gestein,
hie und da griff ihre kleine Hand ohne Zagen in das dornige Gestrüpp, und
die letzte steile Senkung des Felsens glitt sie mit einer Sicherheit herab, welche
deutlich zeigte, daß sie deu Pfad nicht zum erstenmale zurücklegte. Da sie von
fern haftig winkte, so überließen Barreto und sein Gefährte Roß und Maultier
noch einmal sich selbst und gingen der Kommenden einige Schritte entgegen.
Im Schatten der Korkeichen neigte sich die Hirrin demütig vor den beiden Herren
und küßte Herrn Manuel, der ihr zunächst stand, den Saum des Gewandes.
Dann strich sie die dichten blauschwarzen Haare, die ihr ins Gesicht gefallen
waren, mit der Hand zurück und sagte, indem sie die dunkeln Augen ans die
beiden Mäuner richtete, im breitesten Dialekt des portugiesische" Landvolkes:
Verzeiht, edle Herren, daß ich euch anzusprechen wage! In meine Hütte dort
oben hat sich ein fremdes Mädchen geflüchtet und angstvoll verborgen, die von


Grmzlwtm 1. Z886. 11


(Lamoöns.
Rolnan von Adolf Stern. (Fortschun-,,)

er Dichter erhob sich mit dem Edelmanne zugleich von dem be¬
moosten Felsblöcke. Barreto pfiff seinem Rappen, und Camoens
ging, um das Riemenzeug des Maultiers, das ihn heraus¬
getragen hatte, zu ordnen. Sie waren im Begriff aufzusitzen und
die schattige Schlucht zu verlassen, als Manuel Barreto über¬
rascht hinter sich deutete und halblaut sagte: Wahrhaftig, da kommt noch die
Zicgenhirtiu, die mir vorhin von den bettelnden Strolchen verheißen wurde!
Camoens wandte sich gleichfalls zurück und folgte dein Blicke des Freundes.
Es zeigte sich, daß hinter dem letzten Fall des Baches, wo die Felswand schroff
und scheinbar unzugänglich in die Höhe stieg, ein Pfad lief, den das braune
Moos und überhängendes Dorngestrüpp den Augen der beiden Männer ver¬
borgen hatten, und der steil und gefährlich genug erschien. Aber das junge
Mädchen, welches dort herabstieg, zeigte keine Ängstlichkeit. Rasch und gewandt
fand sie mit ihren nackten braunen Füßen die vorspringenden Stellen im Gestein,
hie und da griff ihre kleine Hand ohne Zagen in das dornige Gestrüpp, und
die letzte steile Senkung des Felsens glitt sie mit einer Sicherheit herab, welche
deutlich zeigte, daß sie deu Pfad nicht zum erstenmale zurücklegte. Da sie von
fern haftig winkte, so überließen Barreto und sein Gefährte Roß und Maultier
noch einmal sich selbst und gingen der Kommenden einige Schritte entgegen.
Im Schatten der Korkeichen neigte sich die Hirrin demütig vor den beiden Herren
und küßte Herrn Manuel, der ihr zunächst stand, den Saum des Gewandes.
Dann strich sie die dichten blauschwarzen Haare, die ihr ins Gesicht gefallen
waren, mit der Hand zurück und sagte, indem sie die dunkeln Augen ans die
beiden Mäuner richtete, im breitesten Dialekt des portugiesische» Landvolkes:
Verzeiht, edle Herren, daß ich euch anzusprechen wage! In meine Hütte dort
oben hat sich ein fremdes Mädchen geflüchtet und angstvoll verborgen, die von


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[0089] [Abbildung] (Lamoöns. Rolnan von Adolf Stern. (Fortschun-,,) er Dichter erhob sich mit dem Edelmanne zugleich von dem be¬ moosten Felsblöcke. Barreto pfiff seinem Rappen, und Camoens ging, um das Riemenzeug des Maultiers, das ihn heraus¬ getragen hatte, zu ordnen. Sie waren im Begriff aufzusitzen und die schattige Schlucht zu verlassen, als Manuel Barreto über¬ rascht hinter sich deutete und halblaut sagte: Wahrhaftig, da kommt noch die Zicgenhirtiu, die mir vorhin von den bettelnden Strolchen verheißen wurde! Camoens wandte sich gleichfalls zurück und folgte dein Blicke des Freundes. Es zeigte sich, daß hinter dem letzten Fall des Baches, wo die Felswand schroff und scheinbar unzugänglich in die Höhe stieg, ein Pfad lief, den das braune Moos und überhängendes Dorngestrüpp den Augen der beiden Männer ver¬ borgen hatten, und der steil und gefährlich genug erschien. Aber das junge Mädchen, welches dort herabstieg, zeigte keine Ängstlichkeit. Rasch und gewandt fand sie mit ihren nackten braunen Füßen die vorspringenden Stellen im Gestein, hie und da griff ihre kleine Hand ohne Zagen in das dornige Gestrüpp, und die letzte steile Senkung des Felsens glitt sie mit einer Sicherheit herab, welche deutlich zeigte, daß sie deu Pfad nicht zum erstenmale zurücklegte. Da sie von fern haftig winkte, so überließen Barreto und sein Gefährte Roß und Maultier noch einmal sich selbst und gingen der Kommenden einige Schritte entgegen. Im Schatten der Korkeichen neigte sich die Hirrin demütig vor den beiden Herren und küßte Herrn Manuel, der ihr zunächst stand, den Saum des Gewandes. Dann strich sie die dichten blauschwarzen Haare, die ihr ins Gesicht gefallen waren, mit der Hand zurück und sagte, indem sie die dunkeln Augen ans die beiden Mäuner richtete, im breitesten Dialekt des portugiesische» Landvolkes: Verzeiht, edle Herren, daß ich euch anzusprechen wage! In meine Hütte dort oben hat sich ein fremdes Mädchen geflüchtet und angstvoll verborgen, die von Grmzlwtm 1. Z886. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/89>, abgerufen am 05.02.2025.