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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Avips und Burschenschafter,

Lande" sei, daß man die Beziehungen, wie sie zwischen den Waffenverbindungeu
herrschen, hinnehmen müsse als etwas selbstverständliches und notwendiges. Mag
man über das, was die Studenten ein "flottes Paukverhältnis" nennen, denken
wie man will, das schadenfrohe Gelächter, die verbissene Wut, die Schimpfereien,
Prügeleien, ja Messerstechereien, die Verachtung und Verleumdung, welche die un¬
weigerliche Begleitschaft des Verrufsverhültnisses bilden, sind hundertmal schlimmer.

Überall aber, wo ungesunde Existenzbedingungen so lange und auf so breiter
Basis und gerade für den wertvollsten Bruchteil unsers nationalen Nachwuchses
mit Gewalt aufrecht erhalten werden, wird dem Volksleben eine Wunde ge¬
schlagen, welche eitert und ansteckt. Das sollte man nicht vergessen.

Was aber soll nun geschehen?

Zunächst jedenfalls das Notwendige. Der Verruf muß fallen, die Ge¬
sinnung, die ihm zu Grunde liegt, muß gebrochen werden. Man darf nicht zu¬
sehen, wie unsre Hochschulen zu Brutstätten eines verstockten Mandarinentums
herabgewürdigt werden. Es ist nicht die Uniform, welche dem akademischen
Geist und den akademischen Zwecken entspricht, es ist nicht die Intoleranz.
Mögen die jungen Leute ihre althergebrachten Namen und ihre besondern
Schnurrpfeifereien behalten, wenn sie nicht anders können, aber mögen sie endlich
lernen zusammengehen, statt sich nur zu verschreien und zu hassen So, wie
es zur Zeit steht, kann es und darf es nicht länger bleiben. Mit jedem Tage
wird das Übel schlimmer, und eine spontane Heilung ist schon deshalb vollkommen
ausgeschlossen, weil die Frage längst aus einer prinzipie en eine bloße Jutcressen-
und Machtfrage geworden ist. Die Gegner sind nicht gleich stark, das ist das
Schlimmste! Die Korps haben das numerische Übergewicht, sie leben der Über¬
zeugung, die Burschenschafter nicht nötig zu haben, sie erfreuen sich von altersher
der Guusi der Mächtigen, sie dominiren ans mehreren Hochschulen vollständig,
"ut das Dvminiren ist eine so süße Gewohnheit. Das Herabsehen ans den
"Vüchsier" ist nachgerade ein notwendiges Requisit für die Erziehung eines
Korpsfnchsen zur Selbstachtung geworden, der Aberglaube, daß mau vo" vorn¬
herein, ohne persönlich irgendetwas hervorragendes zu leisten, etwas besseres
sei als jeder Burschenschafter, ist ein so behaglicher und so lange genährter, daß
man ihm ohne heftigen Kampf nicht entsagen wird. Wir bezweifeln zwar
keineswegs, daß es auf feiten der Korps an Unbefangnen und Weiterblickenden,
welche der Lage der Dinge gerecht zu werden vermöchten, nicht fehlen wird.
Doch hat leider jede von dort ausgehende Kundgebung immer nur darauf
schließen lassen, daß der Gedanke, sich mit den Burschenschaftern zu vermischen
und sie zu sich heranzuziehen, für das Gros etwas verblüffendes und un¬
erhörtes bedeuten würde. Man ist noch nicht einmal soweit gekommen, die
Burschenschafter zu erwähnen; sie sind garnicht da."')



Hierfür von vielen Beispielen nur eins: dem Verfasser dieses Aufsatzes liegt eine sehr
hübsch und sachgemäß geschviebne Broschüre eines "alten Herrn" über "Duelle und Paukereien"
Avips und Burschenschafter,

Lande» sei, daß man die Beziehungen, wie sie zwischen den Waffenverbindungeu
herrschen, hinnehmen müsse als etwas selbstverständliches und notwendiges. Mag
man über das, was die Studenten ein „flottes Paukverhältnis" nennen, denken
wie man will, das schadenfrohe Gelächter, die verbissene Wut, die Schimpfereien,
Prügeleien, ja Messerstechereien, die Verachtung und Verleumdung, welche die un¬
weigerliche Begleitschaft des Verrufsverhültnisses bilden, sind hundertmal schlimmer.

Überall aber, wo ungesunde Existenzbedingungen so lange und auf so breiter
Basis und gerade für den wertvollsten Bruchteil unsers nationalen Nachwuchses
mit Gewalt aufrecht erhalten werden, wird dem Volksleben eine Wunde ge¬
schlagen, welche eitert und ansteckt. Das sollte man nicht vergessen.

Was aber soll nun geschehen?

Zunächst jedenfalls das Notwendige. Der Verruf muß fallen, die Ge¬
sinnung, die ihm zu Grunde liegt, muß gebrochen werden. Man darf nicht zu¬
sehen, wie unsre Hochschulen zu Brutstätten eines verstockten Mandarinentums
herabgewürdigt werden. Es ist nicht die Uniform, welche dem akademischen
Geist und den akademischen Zwecken entspricht, es ist nicht die Intoleranz.
Mögen die jungen Leute ihre althergebrachten Namen und ihre besondern
Schnurrpfeifereien behalten, wenn sie nicht anders können, aber mögen sie endlich
lernen zusammengehen, statt sich nur zu verschreien und zu hassen So, wie
es zur Zeit steht, kann es und darf es nicht länger bleiben. Mit jedem Tage
wird das Übel schlimmer, und eine spontane Heilung ist schon deshalb vollkommen
ausgeschlossen, weil die Frage längst aus einer prinzipie en eine bloße Jutcressen-
und Machtfrage geworden ist. Die Gegner sind nicht gleich stark, das ist das
Schlimmste! Die Korps haben das numerische Übergewicht, sie leben der Über¬
zeugung, die Burschenschafter nicht nötig zu haben, sie erfreuen sich von altersher
der Guusi der Mächtigen, sie dominiren ans mehreren Hochschulen vollständig,
»ut das Dvminiren ist eine so süße Gewohnheit. Das Herabsehen ans den
„Vüchsier" ist nachgerade ein notwendiges Requisit für die Erziehung eines
Korpsfnchsen zur Selbstachtung geworden, der Aberglaube, daß mau vo» vorn¬
herein, ohne persönlich irgendetwas hervorragendes zu leisten, etwas besseres
sei als jeder Burschenschafter, ist ein so behaglicher und so lange genährter, daß
man ihm ohne heftigen Kampf nicht entsagen wird. Wir bezweifeln zwar
keineswegs, daß es auf feiten der Korps an Unbefangnen und Weiterblickenden,
welche der Lage der Dinge gerecht zu werden vermöchten, nicht fehlen wird.
Doch hat leider jede von dort ausgehende Kundgebung immer nur darauf
schließen lassen, daß der Gedanke, sich mit den Burschenschaftern zu vermischen
und sie zu sich heranzuziehen, für das Gros etwas verblüffendes und un¬
erhörtes bedeuten würde. Man ist noch nicht einmal soweit gekommen, die
Burschenschafter zu erwähnen; sie sind garnicht da."')



Hierfür von vielen Beispielen nur eins: dem Verfasser dieses Aufsatzes liegt eine sehr
hübsch und sachgemäß geschviebne Broschüre eines „alten Herrn" über „Duelle und Paukereien"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/69>, abgerufen am 05.02.2025.