Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Korps und Burschenschafter. mit Lächeln, fast nie mit tieferen Anteil gegenüber. Die Angreifer möchten das So wollen wir uns denn vor dem Versuche hüten, durch Anpreisung seiner Mau höre: Mit einziger Ausnahme von Kiel stehen sämtliche Korps und Es hat zur Folge, daß diejenigen, welche ganz dieselben Interessen haben, Wie jenes Verhältnis im Laufe der Jahre zu Stande gekommen ist, kaun Korps und Burschenschafter. mit Lächeln, fast nie mit tieferen Anteil gegenüber. Die Angreifer möchten das So wollen wir uns denn vor dem Versuche hüten, durch Anpreisung seiner Mau höre: Mit einziger Ausnahme von Kiel stehen sämtliche Korps und Es hat zur Folge, daß diejenigen, welche ganz dieselben Interessen haben, Wie jenes Verhältnis im Laufe der Jahre zu Stande gekommen ist, kaun <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197490"/> <fw type="header" place="top"> Korps und Burschenschafter.</fw><lb/> <p xml:id="ID_180" prev="#ID_179"> mit Lächeln, fast nie mit tieferen Anteil gegenüber. Die Angreifer möchten das<lb/> ganze Verbindungswesen mit Stumpf und Stiel ausrotten, ohne es zu kennen,<lb/> die Verteidiger, die es kennen sollten, begnügen sich, die Harmlosigkeit der Sache<lb/> zu erweisen, ohne ihren Kern auch nur zu berühren. Daß hier etwas Gesundes,<lb/> Volkstümliches und Notwendiges vorliege, dessen jeweiliger Stand ernsthaft zu<lb/> prüfen, dessen organische Fortentwicklung nach Kräften zu fördern, dessen Verknöche-<lb/> rung aufs äußerste zu beklagen sei, kommt anscheinend niemandem in den Sinn.</p><lb/> <p xml:id="ID_181"> So wollen wir uns denn vor dem Versuche hüten, durch Anpreisung seiner<lb/> Vorzüge ein Interesse zu erwecken, welches uicht etwa schlummert, sondern fehlt.<lb/> Nicht das, was die Verbindungen unter normalen Verhältnissen leisten können,<lb/> sondern das, was sie leider aufgehört haben zu leisten, was sie durch achtloses<lb/> Gewährenlassen, durch Ausbildung ganz unhaltbarer Zustände verhindert werden<lb/> zu leisten, dies soll uns hier beschäftigen. Vielleicht daß der Schade, der ebenso<lb/> unaufhörlich wie unnütz hier angerichtet wird, die Aufmerksamkeit maßgebender<lb/> Kreise endlich auf sie lenkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_182"> Mau höre: Mit einziger Ausnahme von Kiel stehen sämtliche Korps und<lb/> sämtliche Burschenschafter, beide in zwei großen Heerlagern vereinigt, im so¬<lb/> genannten studentischen „Verruf." Es ist dies ein Verhältnis, welches die Si-<lb/> stirung jeglichen Verkehrs und die gegenseitige Aberkennung aller Rechte und<lb/> Pflichten ausdrückt, welche für anständige Studenten sonst bindend sind, el»<lb/> Verhältnis, welches man lediglich wahnsinnig nennen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_183"> Es hat zur Folge, daß diejenigen, welche ganz dieselben Interessen haben,<lb/> sich gegenseitig als unversöhnbare Gegner betrachte» und behandeln, daß die¬<lb/> jenigen, welche naturgemäß daz» bestimmt sind, sich aneinander zu reiben und<lb/> zu bilden, durch eine chinesische Mauer von einander getrennt, jede Partei<lb/> für sich, ihren eignen Zopf tragen — es hat mit einem Worte zur Folge,<lb/> daß die Blüte unsrer akademischen Jugend, auf der einen Seite etwa 1500, auf<lb/> der andern Seite etwa 900 Studenten, in gegenseitigem Haß und gegeiiseitiger<lb/> Verachtung „erzogen" wird, um eine Unsumme von Verbitterung in unser<lb/> bürgerliches und öffentliches Leben hinaufzutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_184" next="#ID_185"> Wie jenes Verhältnis im Laufe der Jahre zu Stande gekommen ist, kaun<lb/> nur aus unserm Nationalcharakter heraus begriffen werden. Das deutsche<lb/> „Herumreiten auf dem Prinzip," das Hinüberspielen der Gegnerschaft auf das<lb/> persönliche Gebiet, die in engen Verhältnissen grvßgezogne Neigung zum Kasten-<lb/> und Klasscnwesen, die gewissenhafte Vererbung unerfreulichen Klatsches von<lb/> Generation zu Generation spielen hier eine beklagenswerte Rolle. Von vorn¬<lb/> herein freilich »vollen wir nicht anstehen zu erklären, daß das Wesen der Korps,<lb/> welches in realistischer Weise auf Lebensgenuß und Ausbildung der Männlich¬<lb/> keit hinauslief, den Bedürfnissen unsrer Jugend besser entsprach und trotz allen<lb/> Wildheiten und Ausschreitungen, zu denen es gelegentlich führte, doch natürlicher<lb/> und angemessner war als das ihrer alten Gegnerin, der Burschenschaft, die in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Korps und Burschenschafter.
mit Lächeln, fast nie mit tieferen Anteil gegenüber. Die Angreifer möchten das
ganze Verbindungswesen mit Stumpf und Stiel ausrotten, ohne es zu kennen,
die Verteidiger, die es kennen sollten, begnügen sich, die Harmlosigkeit der Sache
zu erweisen, ohne ihren Kern auch nur zu berühren. Daß hier etwas Gesundes,
Volkstümliches und Notwendiges vorliege, dessen jeweiliger Stand ernsthaft zu
prüfen, dessen organische Fortentwicklung nach Kräften zu fördern, dessen Verknöche-
rung aufs äußerste zu beklagen sei, kommt anscheinend niemandem in den Sinn.
So wollen wir uns denn vor dem Versuche hüten, durch Anpreisung seiner
Vorzüge ein Interesse zu erwecken, welches uicht etwa schlummert, sondern fehlt.
Nicht das, was die Verbindungen unter normalen Verhältnissen leisten können,
sondern das, was sie leider aufgehört haben zu leisten, was sie durch achtloses
Gewährenlassen, durch Ausbildung ganz unhaltbarer Zustände verhindert werden
zu leisten, dies soll uns hier beschäftigen. Vielleicht daß der Schade, der ebenso
unaufhörlich wie unnütz hier angerichtet wird, die Aufmerksamkeit maßgebender
Kreise endlich auf sie lenkt.
Mau höre: Mit einziger Ausnahme von Kiel stehen sämtliche Korps und
sämtliche Burschenschafter, beide in zwei großen Heerlagern vereinigt, im so¬
genannten studentischen „Verruf." Es ist dies ein Verhältnis, welches die Si-
stirung jeglichen Verkehrs und die gegenseitige Aberkennung aller Rechte und
Pflichten ausdrückt, welche für anständige Studenten sonst bindend sind, el»
Verhältnis, welches man lediglich wahnsinnig nennen kann.
Es hat zur Folge, daß diejenigen, welche ganz dieselben Interessen haben,
sich gegenseitig als unversöhnbare Gegner betrachte» und behandeln, daß die¬
jenigen, welche naturgemäß daz» bestimmt sind, sich aneinander zu reiben und
zu bilden, durch eine chinesische Mauer von einander getrennt, jede Partei
für sich, ihren eignen Zopf tragen — es hat mit einem Worte zur Folge,
daß die Blüte unsrer akademischen Jugend, auf der einen Seite etwa 1500, auf
der andern Seite etwa 900 Studenten, in gegenseitigem Haß und gegeiiseitiger
Verachtung „erzogen" wird, um eine Unsumme von Verbitterung in unser
bürgerliches und öffentliches Leben hinaufzutragen.
Wie jenes Verhältnis im Laufe der Jahre zu Stande gekommen ist, kaun
nur aus unserm Nationalcharakter heraus begriffen werden. Das deutsche
„Herumreiten auf dem Prinzip," das Hinüberspielen der Gegnerschaft auf das
persönliche Gebiet, die in engen Verhältnissen grvßgezogne Neigung zum Kasten-
und Klasscnwesen, die gewissenhafte Vererbung unerfreulichen Klatsches von
Generation zu Generation spielen hier eine beklagenswerte Rolle. Von vorn¬
herein freilich »vollen wir nicht anstehen zu erklären, daß das Wesen der Korps,
welches in realistischer Weise auf Lebensgenuß und Ausbildung der Männlich¬
keit hinauslief, den Bedürfnissen unsrer Jugend besser entsprach und trotz allen
Wildheiten und Ausschreitungen, zu denen es gelegentlich führte, doch natürlicher
und angemessner war als das ihrer alten Gegnerin, der Burschenschaft, die in
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