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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Literatur.

hinan, um die Scheidenden noch weithin grüßen zu können. Die Männer
führten Esmah zwischen sich und legten den Pfait durch das Hochthal, der schon
svnnenheiß ward, rasch zurück. Als der kleine Zug deu eifrig und tcilnahmvoll
nachschauenden Augen des Mädchens entschwand und sie auch drüben im Westen
nichts mehr wahrnahm als die Felsen, den Waldrand und das alte Mutter¬
gottesbild, legte sie sich auf das braune Moos des Stcinblockes und überließ
sich träumend der Ruhe. Die grüne Fläche lag wieder so einsam und sonnen¬
überglänzt wie vor den wunderbaren Erlebnissen, die in ihrer Seele nachklangen,
aber das Rauschen des Baches, das Summen der wilden Bienen und der
würzige Duft der roten Qnendclblüten wiegten Joana heute so wenig in
Schlummer als die merkliche Schwüle der Luft. Sie lag und sann und folgte
mit ihren Träumen dem Könige und der schönen jungen Dame, welche vor
wenigen Stunden uuter ihrem Strohdache verweilt hatte. Nur weil sie gewiß
war, daß ihre Hand in der Hand Donna Catarinas geruht habe, weil sie sich
jedes gütige Wort, das die Gräfin zu ihr gesprochen, wieder vorsprechen konnte,
blieb sie auch gewiß, daß sie den König gesehen habe, daß es der König ge¬
wesen sei, der Donna Ccitarina wie im Sturme davon geführt hatte. Die
Kleine schützte die Augen mit der Hand vor der leuchtenden Sonne zu Häupten
und sah besorgt nach den dunkeln Wolken, die sich dichter und dichter um die
Bergspitzen lagerten. Es fiel ihr schwer aufs Herz, wo die junge Gräfin und
der König jetzt wohl weilen möchten, und ob sie deu schimmernden Palast
in Cintra, den sie nur einmal gesehen, vor Losbruch des Gewitters erreichen
Würden



Literatur.
Geschichte des Elsasses. Von Ottokar Lorenz und Wilhelm Scherer. Dritte ver¬
besserte Auflage. Mit einem Bildnisse Jakob Sturms von William Unger. Berlin, Weid¬
manns che Buchhandlung, t886.

Das Werk, von welchem wir jetzt die dritte Auflage anzeigen können, wurde
bei seinem ersten Erscheinen von zwei Dcutschösterrcichern dein neu erstandenen
Reiche als Gabe dargebracht; es kam damals, 1871, dem vollen Tagesinteresse ent¬
gegen und wurde freudig begrüßt. Die neue Auflage beweist, daß das Interesse
nicht nur ein vorübergehendes war. Seit der Wiedererwerbnng des Elsasses ist
eine wahre Flut von Arbeiten, und zwar tüchtigen und gehaltvollen Arbeiten, über
die so reichhaltige Geschichte dieses Landes erschienen, namentlich hat in dieser Be¬
ziehung auch die Landesuniversität anregend gewirkt. Die Verfasser haben diese
neuen Forschungen -- in der politischen Geschichte ebenso wie in der Wirtschafts-,
Kunst-, Literatur- und Kirchengeschichte -- muss sorgfältigste benutzt, wir wüßten
nicht eine einzige Schrift nachzutragen. Die in der Gemeindezeitung für Elsaß-
Lothringen bis 187V erschienenen größeren Artikel bezogen sich, so weit wir uns
erinnern, hauptsächlich ans Straßburg. Sehr dankenswert ist die Zugabe der An¬
merkungen, in welchen einerseits Rechenschaft abgelegt wird über die in deu einzelnen
Abschnitten benutzten Werke, anderseits die vorhandne Literatur kurz und schlagend
charakterisirt wird.


Literatur.

hinan, um die Scheidenden noch weithin grüßen zu können. Die Männer
führten Esmah zwischen sich und legten den Pfait durch das Hochthal, der schon
svnnenheiß ward, rasch zurück. Als der kleine Zug deu eifrig und tcilnahmvoll
nachschauenden Augen des Mädchens entschwand und sie auch drüben im Westen
nichts mehr wahrnahm als die Felsen, den Waldrand und das alte Mutter¬
gottesbild, legte sie sich auf das braune Moos des Stcinblockes und überließ
sich träumend der Ruhe. Die grüne Fläche lag wieder so einsam und sonnen¬
überglänzt wie vor den wunderbaren Erlebnissen, die in ihrer Seele nachklangen,
aber das Rauschen des Baches, das Summen der wilden Bienen und der
würzige Duft der roten Qnendclblüten wiegten Joana heute so wenig in
Schlummer als die merkliche Schwüle der Luft. Sie lag und sann und folgte
mit ihren Träumen dem Könige und der schönen jungen Dame, welche vor
wenigen Stunden uuter ihrem Strohdache verweilt hatte. Nur weil sie gewiß
war, daß ihre Hand in der Hand Donna Catarinas geruht habe, weil sie sich
jedes gütige Wort, das die Gräfin zu ihr gesprochen, wieder vorsprechen konnte,
blieb sie auch gewiß, daß sie den König gesehen habe, daß es der König ge¬
wesen sei, der Donna Ccitarina wie im Sturme davon geführt hatte. Die
Kleine schützte die Augen mit der Hand vor der leuchtenden Sonne zu Häupten
und sah besorgt nach den dunkeln Wolken, die sich dichter und dichter um die
Bergspitzen lagerten. Es fiel ihr schwer aufs Herz, wo die junge Gräfin und
der König jetzt wohl weilen möchten, und ob sie deu schimmernden Palast
in Cintra, den sie nur einmal gesehen, vor Losbruch des Gewitters erreichen
Würden



Literatur.
Geschichte des Elsasses. Von Ottokar Lorenz und Wilhelm Scherer. Dritte ver¬
besserte Auflage. Mit einem Bildnisse Jakob Sturms von William Unger. Berlin, Weid¬
manns che Buchhandlung, t886.

Das Werk, von welchem wir jetzt die dritte Auflage anzeigen können, wurde
bei seinem ersten Erscheinen von zwei Dcutschösterrcichern dein neu erstandenen
Reiche als Gabe dargebracht; es kam damals, 1871, dem vollen Tagesinteresse ent¬
gegen und wurde freudig begrüßt. Die neue Auflage beweist, daß das Interesse
nicht nur ein vorübergehendes war. Seit der Wiedererwerbnng des Elsasses ist
eine wahre Flut von Arbeiten, und zwar tüchtigen und gehaltvollen Arbeiten, über
die so reichhaltige Geschichte dieses Landes erschienen, namentlich hat in dieser Be¬
ziehung auch die Landesuniversität anregend gewirkt. Die Verfasser haben diese
neuen Forschungen — in der politischen Geschichte ebenso wie in der Wirtschafts-,
Kunst-, Literatur- und Kirchengeschichte — muss sorgfältigste benutzt, wir wüßten
nicht eine einzige Schrift nachzutragen. Die in der Gemeindezeitung für Elsaß-
Lothringen bis 187V erschienenen größeren Artikel bezogen sich, so weit wir uns
erinnern, hauptsächlich ans Straßburg. Sehr dankenswert ist die Zugabe der An¬
merkungen, in welchen einerseits Rechenschaft abgelegt wird über die in deu einzelnen
Abschnitten benutzten Werke, anderseits die vorhandne Literatur kurz und schlagend
charakterisirt wird.


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[0635] Literatur. hinan, um die Scheidenden noch weithin grüßen zu können. Die Männer führten Esmah zwischen sich und legten den Pfait durch das Hochthal, der schon svnnenheiß ward, rasch zurück. Als der kleine Zug deu eifrig und tcilnahmvoll nachschauenden Augen des Mädchens entschwand und sie auch drüben im Westen nichts mehr wahrnahm als die Felsen, den Waldrand und das alte Mutter¬ gottesbild, legte sie sich auf das braune Moos des Stcinblockes und überließ sich träumend der Ruhe. Die grüne Fläche lag wieder so einsam und sonnen¬ überglänzt wie vor den wunderbaren Erlebnissen, die in ihrer Seele nachklangen, aber das Rauschen des Baches, das Summen der wilden Bienen und der würzige Duft der roten Qnendclblüten wiegten Joana heute so wenig in Schlummer als die merkliche Schwüle der Luft. Sie lag und sann und folgte mit ihren Träumen dem Könige und der schönen jungen Dame, welche vor wenigen Stunden uuter ihrem Strohdache verweilt hatte. Nur weil sie gewiß war, daß ihre Hand in der Hand Donna Catarinas geruht habe, weil sie sich jedes gütige Wort, das die Gräfin zu ihr gesprochen, wieder vorsprechen konnte, blieb sie auch gewiß, daß sie den König gesehen habe, daß es der König ge¬ wesen sei, der Donna Ccitarina wie im Sturme davon geführt hatte. Die Kleine schützte die Augen mit der Hand vor der leuchtenden Sonne zu Häupten und sah besorgt nach den dunkeln Wolken, die sich dichter und dichter um die Bergspitzen lagerten. Es fiel ihr schwer aufs Herz, wo die junge Gräfin und der König jetzt wohl weilen möchten, und ob sie deu schimmernden Palast in Cintra, den sie nur einmal gesehen, vor Losbruch des Gewitters erreichen Würden Literatur. Geschichte des Elsasses. Von Ottokar Lorenz und Wilhelm Scherer. Dritte ver¬ besserte Auflage. Mit einem Bildnisse Jakob Sturms von William Unger. Berlin, Weid¬ manns che Buchhandlung, t886. Das Werk, von welchem wir jetzt die dritte Auflage anzeigen können, wurde bei seinem ersten Erscheinen von zwei Dcutschösterrcichern dein neu erstandenen Reiche als Gabe dargebracht; es kam damals, 1871, dem vollen Tagesinteresse ent¬ gegen und wurde freudig begrüßt. Die neue Auflage beweist, daß das Interesse nicht nur ein vorübergehendes war. Seit der Wiedererwerbnng des Elsasses ist eine wahre Flut von Arbeiten, und zwar tüchtigen und gehaltvollen Arbeiten, über die so reichhaltige Geschichte dieses Landes erschienen, namentlich hat in dieser Be¬ ziehung auch die Landesuniversität anregend gewirkt. Die Verfasser haben diese neuen Forschungen — in der politischen Geschichte ebenso wie in der Wirtschafts-, Kunst-, Literatur- und Kirchengeschichte — muss sorgfältigste benutzt, wir wüßten nicht eine einzige Schrift nachzutragen. Die in der Gemeindezeitung für Elsaß- Lothringen bis 187V erschienenen größeren Artikel bezogen sich, so weit wir uns erinnern, hauptsächlich ans Straßburg. Sehr dankenswert ist die Zugabe der An¬ merkungen, in welchen einerseits Rechenschaft abgelegt wird über die in deu einzelnen Abschnitten benutzten Werke, anderseits die vorhandne Literatur kurz und schlagend charakterisirt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/635>, abgerufen am 05.02.2025.