Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Zum Verständnis und ZINN Schutze dos ersten Laustmonologs. Ton auch zu einer Zeit anschlug, wo er meist der gangbaren neuern Formen Weiter wird der ersten Partie eine altertümelnde oder mundartlich gefärbte Ebensowenig wird eine Verschiedenheit des Stils, welcher strenge vom Ton Zum Verständnis und ZINN Schutze dos ersten Laustmonologs. Ton auch zu einer Zeit anschlug, wo er meist der gangbaren neuern Formen Weiter wird der ersten Partie eine altertümelnde oder mundartlich gefärbte Ebensowenig wird eine Verschiedenheit des Stils, welcher strenge vom Ton <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0623" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198047"/> <fw type="header" place="top"> Zum Verständnis und ZINN Schutze dos ersten Laustmonologs.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1826" prev="#ID_1825"> Ton auch zu einer Zeit anschlug, wo er meist der gangbaren neuern Formen<lb/> sich bediente, ist allbekannt, und so benutzte er hier seinem Zwecke gemäß beide<lb/> nebeneinander.</p><lb/> <p xml:id="ID_1827"> Weiter wird der ersten Partie eine altertümelnde oder mundartlich gefärbte<lb/> oder niedrige Sprachweise vorgeworfen. Wundern muß man sich, was hier<lb/> alles aufgeführt wird. Da figurirt das dem Dichter von Hause aus geläufige<lb/> zweisilbige „zehen," das wir z. B. in „Künstlers Erdenwallen" und noch viel<lb/> später antreffen, wo Vers und Reim nicht „zehn" forderten; der Plural „Jahr"<lb/> im Reime, den Goethe auch sonst häufig in wie außer dem Reime hat, wie<lb/> im „Faust" selbst 1651, 2272. 3641; die Apokope „was rechts", die im<lb/> „Faust" vielfach und auch in höhern Gedichten selbst viel stärker, wie „mcnsch-<lb/> lichs," „unauslöschlichs," sich findet; das fehlende „ich," das unserm Dichter<lb/> gerade am Anfang des Verses so sehr beliebt ist; das Wort „schier," das hier<lb/> durchaus an der Stelle ist; die Häufung „als wie," die sich Goethe im Jahre<lb/> 1774 im „Ewigen Juden" und auch später gestattet; die ihm auch im „Faust"<lb/> so geläufige Umschreibung mit „thun." Das beanstandete „mit saurem Fleiß"<lb/> steht ebenso im „Prometheus" (II, 77). Am allerwenigsten sieht man, wie das<lb/> ganz eigentümliche, scharf bezeichnende: „Möchte kein Hund so länger leben!"<lb/> in diese Liste gekommen ist. Wenn Scherer sich an dem „an der Nase Herum-<lb/> führen mit Angabe aller Richtungen" stößt, so hat er den höhnenden, ganz<lb/> eigentümlichen Ausdruck eben mißverstanden. „Herauf, herab und quer und<lb/> krumm" ist nicht mit „Ziehen an der Nase herum" zu verbinden, sondern steht,<lb/> wie auch die Interpunktion zeigt, für sich allein, und es wird dazu ein „gehend"<lb/> gedacht; erst später springt die Rede in die gewohnte Redensart über. Jedenfalls<lb/> ist der Ausdruck recht bezeichnend für den Spott.</p><lb/> <p xml:id="ID_1828" next="#ID_1829"> Ebensowenig wird eine Verschiedenheit des Stils, welcher strenge vom Ton<lb/> zu sondern ist, durch die Armut an Beiwörtern bewiesen. Der schwungvollere<lb/> Ton greift natürlich auch zu lebhaft bezeichnenden Beiwörtern; daß dieses aber<lb/> in der Partie 33—74 in besondrer Weise der Fall sei, kann mau nicht eiumcil<lb/> behaupten, weshalb denn auch Scherer diese nicht in Reih und Glied erscheinen<lb/> läßt. Auch ist das heiße Bemühen des Einganges so neu wie bezeichnend,<lb/> und man würde es dem Dichter wohl verargen, hätte er der Neuheit wegen<lb/> den armen Thoren und den sauren Schweiß durch andre weniger treffende<lb/> Beiwörter geändert. Die Seltsamkeit des Versuches, Relativsätze als poetische<lb/> Mittel einzuschmuggeln, haben wir schon zurückgewiesen. Man sehe sich nur<lb/> die Beispiele an (35, 60 f. und, wenn man die Sätze mit wo, da und wie<lb/> dazu zählen will, 47, 62 und 72) und frage sich nach der poetischen Wirkung<lb/> dieser Sätze! Auch Nvminaleomposita sollen eine poetische Wirkung haben,<lb/> besonders wenn sie ueugeprägt seien oder sein könnten. Aber nicht alle solche<lb/> Bildungen „machen die Anschauung lebendiger, frischer, poetischer," es kommt<lb/> eben auf den einzelnen Fall an. In deu 32 Versen des Einganges findet sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0623]
Zum Verständnis und ZINN Schutze dos ersten Laustmonologs.
Ton auch zu einer Zeit anschlug, wo er meist der gangbaren neuern Formen
sich bediente, ist allbekannt, und so benutzte er hier seinem Zwecke gemäß beide
nebeneinander.
Weiter wird der ersten Partie eine altertümelnde oder mundartlich gefärbte
oder niedrige Sprachweise vorgeworfen. Wundern muß man sich, was hier
alles aufgeführt wird. Da figurirt das dem Dichter von Hause aus geläufige
zweisilbige „zehen," das wir z. B. in „Künstlers Erdenwallen" und noch viel
später antreffen, wo Vers und Reim nicht „zehn" forderten; der Plural „Jahr"
im Reime, den Goethe auch sonst häufig in wie außer dem Reime hat, wie
im „Faust" selbst 1651, 2272. 3641; die Apokope „was rechts", die im
„Faust" vielfach und auch in höhern Gedichten selbst viel stärker, wie „mcnsch-
lichs," „unauslöschlichs," sich findet; das fehlende „ich," das unserm Dichter
gerade am Anfang des Verses so sehr beliebt ist; das Wort „schier," das hier
durchaus an der Stelle ist; die Häufung „als wie," die sich Goethe im Jahre
1774 im „Ewigen Juden" und auch später gestattet; die ihm auch im „Faust"
so geläufige Umschreibung mit „thun." Das beanstandete „mit saurem Fleiß"
steht ebenso im „Prometheus" (II, 77). Am allerwenigsten sieht man, wie das
ganz eigentümliche, scharf bezeichnende: „Möchte kein Hund so länger leben!"
in diese Liste gekommen ist. Wenn Scherer sich an dem „an der Nase Herum-
führen mit Angabe aller Richtungen" stößt, so hat er den höhnenden, ganz
eigentümlichen Ausdruck eben mißverstanden. „Herauf, herab und quer und
krumm" ist nicht mit „Ziehen an der Nase herum" zu verbinden, sondern steht,
wie auch die Interpunktion zeigt, für sich allein, und es wird dazu ein „gehend"
gedacht; erst später springt die Rede in die gewohnte Redensart über. Jedenfalls
ist der Ausdruck recht bezeichnend für den Spott.
Ebensowenig wird eine Verschiedenheit des Stils, welcher strenge vom Ton
zu sondern ist, durch die Armut an Beiwörtern bewiesen. Der schwungvollere
Ton greift natürlich auch zu lebhaft bezeichnenden Beiwörtern; daß dieses aber
in der Partie 33—74 in besondrer Weise der Fall sei, kann mau nicht eiumcil
behaupten, weshalb denn auch Scherer diese nicht in Reih und Glied erscheinen
läßt. Auch ist das heiße Bemühen des Einganges so neu wie bezeichnend,
und man würde es dem Dichter wohl verargen, hätte er der Neuheit wegen
den armen Thoren und den sauren Schweiß durch andre weniger treffende
Beiwörter geändert. Die Seltsamkeit des Versuches, Relativsätze als poetische
Mittel einzuschmuggeln, haben wir schon zurückgewiesen. Man sehe sich nur
die Beispiele an (35, 60 f. und, wenn man die Sätze mit wo, da und wie
dazu zählen will, 47, 62 und 72) und frage sich nach der poetischen Wirkung
dieser Sätze! Auch Nvminaleomposita sollen eine poetische Wirkung haben,
besonders wenn sie ueugeprägt seien oder sein könnten. Aber nicht alle solche
Bildungen „machen die Anschauung lebendiger, frischer, poetischer," es kommt
eben auf den einzelnen Fall an. In deu 32 Versen des Einganges findet sich
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