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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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z. B. ein Feld für deutsche Ärzte sein wie keine zweite. Es ist aber notorisch,
daß nur etwa vier oder fünf von den hundert (studirten) deutschen Ärzten Newhvrks
eine irgendwie nennenswerte amerikanische Praxis haben, während die Deutschen
schaarenweise zu den amerikanischen Kurpfuschern laufen und eine Ehre darin
setzen, einen amerikanischen Hausarzt zu haben. Und nun sage man dem einen
oder dem andern von jenen hundert deutschen Ärzten: "Versuchen Sie doch, die
deutsche Agitation zu beleben, damit das deutsche Publikum mehr zusummcnhält!"
Er wird ein ungläubiges Gesicht machen, weil er eine solche Rechnung über¬
haupt nicht versteht, oder grob werden, weil sein Instinkt ihm sagt, daß hier
eine nationale Anforderung an ihn herantrete, und weil dies das Unbequemste
ist, was ihm begegnen kann. Der Deutsche ist eben immer noch wie der Whist¬
spieler, welcher sich freut, wenn er für" a tont, bezahlt bekommt; er verliert
Trick und Rubber, aber er bekommt sofort seine drei Points für savs a, tout, er
steckt die drei Points ein "ut zahlt zwanzig am Ende des Spieles. Aber das .Kurz¬
sichtige, das Enge, das Kleinliche der Praktik thun seinem innersten Herzen so
Wohl; seine Unfähigkeit, irgend etwas Persönliches, naheliegendes dem Fernern,
dem Allgemeinen zu opfern, ist immer noch so groß; der Beruf steht ihm immer
noch so sehr viel näher als die Sorge ums Ganze; mag das Deutschtum zu
Grunde gehen, wenn nur der Dollar "gemacht" werden kann, jetzt, augen¬
blicklich! '

So ist denn die ultima rMo immer wieder nnr das eine: daß wir selber
in der Heimat mehr werden müssen, als wir sind; daß wir mit größerm Eifer,
mit erneuter Energie an unsre nationalen Aufgaben Herangehen, und wie trostlos
auch immer da draußen alles sei, von uns ans ein neuer Trieb in das ver¬
dorrte Stammesbewußtsein unsrer Versprengten gelange. Wir stehen nicht allzu¬
fern vor der Jubelfeier eines teuern Mannes, der zum erstenmale den Gedanken
eines einigen Deutschlands zu denken gewagt hat; warten wir ab, was unsre
Brüder da drüben uns für den Hütten-Tag zu sagen haben; warten wir ab, ob
wohl eine Stimme mit uns an jenem Tage ausrufen wird: Mi xickiin, nu liouo!


R, L?,


z. B. ein Feld für deutsche Ärzte sein wie keine zweite. Es ist aber notorisch,
daß nur etwa vier oder fünf von den hundert (studirten) deutschen Ärzten Newhvrks
eine irgendwie nennenswerte amerikanische Praxis haben, während die Deutschen
schaarenweise zu den amerikanischen Kurpfuschern laufen und eine Ehre darin
setzen, einen amerikanischen Hausarzt zu haben. Und nun sage man dem einen
oder dem andern von jenen hundert deutschen Ärzten: „Versuchen Sie doch, die
deutsche Agitation zu beleben, damit das deutsche Publikum mehr zusummcnhält!"
Er wird ein ungläubiges Gesicht machen, weil er eine solche Rechnung über¬
haupt nicht versteht, oder grob werden, weil sein Instinkt ihm sagt, daß hier
eine nationale Anforderung an ihn herantrete, und weil dies das Unbequemste
ist, was ihm begegnen kann. Der Deutsche ist eben immer noch wie der Whist¬
spieler, welcher sich freut, wenn er für» a tont, bezahlt bekommt; er verliert
Trick und Rubber, aber er bekommt sofort seine drei Points für savs a, tout, er
steckt die drei Points ein »ut zahlt zwanzig am Ende des Spieles. Aber das .Kurz¬
sichtige, das Enge, das Kleinliche der Praktik thun seinem innersten Herzen so
Wohl; seine Unfähigkeit, irgend etwas Persönliches, naheliegendes dem Fernern,
dem Allgemeinen zu opfern, ist immer noch so groß; der Beruf steht ihm immer
noch so sehr viel näher als die Sorge ums Ganze; mag das Deutschtum zu
Grunde gehen, wenn nur der Dollar „gemacht" werden kann, jetzt, augen¬
blicklich! '

So ist denn die ultima rMo immer wieder nnr das eine: daß wir selber
in der Heimat mehr werden müssen, als wir sind; daß wir mit größerm Eifer,
mit erneuter Energie an unsre nationalen Aufgaben Herangehen, und wie trostlos
auch immer da draußen alles sei, von uns ans ein neuer Trieb in das ver¬
dorrte Stammesbewußtsein unsrer Versprengten gelange. Wir stehen nicht allzu¬
fern vor der Jubelfeier eines teuern Mannes, der zum erstenmale den Gedanken
eines einigen Deutschlands zu denken gewagt hat; warten wir ab, was unsre
Brüder da drüben uns für den Hütten-Tag zu sagen haben; warten wir ab, ob
wohl eine Stimme mit uns an jenem Tage ausrufen wird: Mi xickiin, nu liouo!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/611>, abgerufen am 05.02.2025.