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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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und das Mißtrauen auf sie lenkt, und wo sie eine politisch noch unreife Nation
vor sich haben, wie die Deutschen zu Anfang der siebziger Jahre (wir wachsen
erst jetzt in die praktische Politik langsam hinein), da raffen sie unter den
Augen und mit der Zustimmung des betreffenden Volkes, in welchem sie sich
eingenistet haben, nicht mir endlose Milliarden des Nationalvermögens an sich,
sondern schaffen zu gleicher Zeit auch Einrichtungen, die ihnen auf Jahrzehnte
hinaus die Ausrandung ihrer Domäne sicher stellen.

Ihr bekanntestes und verderblichstes Hilfsmittel ist hierbei die Reklame,
von naiven Leuten auch "öffentliche Meinung" genannt; sie und ihre Helfer
"puffen" sich gegenseitig, wie der Amerikaner sagt. Der letzte großartig angelegte
"Puff" war die Resolution des amerikanischen Repräsentantenhauses zu Gunsten
Lasters. Der Beantrager hieß Ochiltree, was eine Übersetzung des klangvollen
"Eichelbaum" bedeutet. Jene Resolution war insofern nicht erfolglos, als sie
zu einer Quelle tiefgehender und emsig genährter Verstimmung gegen Deutsch¬
land wurde, dessen Politik zur Zeit dem Judentum hinderlich und verhaßt ist;
doch mißglückte der Versuch, dem "jüdischen Staatsmann" ein Piedestcil auf-
zubauen, aufs kläglichste, weil Fürst Bismarck, wie man weiß, sich nicht dumm
kommen und die Sache ins Wasser fallen ließ.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die amerikanischen Repräsentanten
hier lediglich düpirt waren. Es konnte ihrer Unwissenheit und ihrer Interesse¬
losigkeit gegenüber festländischen und besonders deutschen Parteiverhältnissen
nichts ferner liegen als eine derartige Einmischung, und so tappten sie denn
in jene Resolution hinein, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was sie
betraf und was sie bezweckte, und lieferten einen Beweis mehr für die traurige
Thatsache, daß die Juden jenseits des Ozeans noch immer vollkommen im
Trüben fischen. Zwar wird ihr unheilvoller Einfluß vom soliden Grundstock
der Newyvrker Geschäftsleute hie und da bereits bitter empfunden und wäre
schon längst so empfunden worden, wenn die ganz unvergleichliche Prosperität
des Landes ihn nicht so lange verschleiert Hütte, welche bis in unsre Tage hinein
nur immer zu entwickeln und zu entwickeln hatte, und bei welcher die Wirtschaft
aus dem Vollen erst kürzlich abgerissen ist; doch richtet sich dieses Mißtrauen
bezeichnenderweise lediglich gegen unsre eignen Landsleute und äußert sich ge¬
legentlich in dem kurzen, aber sinnreiche" Epigramm: (Z-srins"" fre svinälvr-s,
da der "aufgeklärte" (nrvst "zM^uwnoä) Amerikaner die Juden für Deutsche zu
halten scheint, welche zufällig mosaischen Bekenntnisses sind. So erinnern wir uns
unter anderm anch einer Vorstellung in Tory Pastors Volksthenter in Newhork,
wo wir endlich wieder einmal einen Juden auf der Bühne sahen, was bei uns ja
garnicht mehr vorkommt. Es war dies ein Mr. Budweiser, der fortwährend
Ä vör/ irnpoi'einel dusin<ZL8 zu verhandeln hatte und im übrigen ein so abgefeimter
Hallunke war, wie man deren im Leben antrifft. Als er auftrat, ging ein
befriedigtes Lächeln durch die Reihen der Zuschauer, und sie zischelten: ?b<^


und das Mißtrauen auf sie lenkt, und wo sie eine politisch noch unreife Nation
vor sich haben, wie die Deutschen zu Anfang der siebziger Jahre (wir wachsen
erst jetzt in die praktische Politik langsam hinein), da raffen sie unter den
Augen und mit der Zustimmung des betreffenden Volkes, in welchem sie sich
eingenistet haben, nicht mir endlose Milliarden des Nationalvermögens an sich,
sondern schaffen zu gleicher Zeit auch Einrichtungen, die ihnen auf Jahrzehnte
hinaus die Ausrandung ihrer Domäne sicher stellen.

Ihr bekanntestes und verderblichstes Hilfsmittel ist hierbei die Reklame,
von naiven Leuten auch „öffentliche Meinung" genannt; sie und ihre Helfer
„puffen" sich gegenseitig, wie der Amerikaner sagt. Der letzte großartig angelegte
„Puff" war die Resolution des amerikanischen Repräsentantenhauses zu Gunsten
Lasters. Der Beantrager hieß Ochiltree, was eine Übersetzung des klangvollen
„Eichelbaum" bedeutet. Jene Resolution war insofern nicht erfolglos, als sie
zu einer Quelle tiefgehender und emsig genährter Verstimmung gegen Deutsch¬
land wurde, dessen Politik zur Zeit dem Judentum hinderlich und verhaßt ist;
doch mißglückte der Versuch, dem „jüdischen Staatsmann" ein Piedestcil auf-
zubauen, aufs kläglichste, weil Fürst Bismarck, wie man weiß, sich nicht dumm
kommen und die Sache ins Wasser fallen ließ.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die amerikanischen Repräsentanten
hier lediglich düpirt waren. Es konnte ihrer Unwissenheit und ihrer Interesse¬
losigkeit gegenüber festländischen und besonders deutschen Parteiverhältnissen
nichts ferner liegen als eine derartige Einmischung, und so tappten sie denn
in jene Resolution hinein, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was sie
betraf und was sie bezweckte, und lieferten einen Beweis mehr für die traurige
Thatsache, daß die Juden jenseits des Ozeans noch immer vollkommen im
Trüben fischen. Zwar wird ihr unheilvoller Einfluß vom soliden Grundstock
der Newyvrker Geschäftsleute hie und da bereits bitter empfunden und wäre
schon längst so empfunden worden, wenn die ganz unvergleichliche Prosperität
des Landes ihn nicht so lange verschleiert Hütte, welche bis in unsre Tage hinein
nur immer zu entwickeln und zu entwickeln hatte, und bei welcher die Wirtschaft
aus dem Vollen erst kürzlich abgerissen ist; doch richtet sich dieses Mißtrauen
bezeichnenderweise lediglich gegen unsre eignen Landsleute und äußert sich ge¬
legentlich in dem kurzen, aber sinnreiche» Epigramm: (Z-srins»« fre svinälvr-s,
da der „aufgeklärte" (nrvst «zM^uwnoä) Amerikaner die Juden für Deutsche zu
halten scheint, welche zufällig mosaischen Bekenntnisses sind. So erinnern wir uns
unter anderm anch einer Vorstellung in Tory Pastors Volksthenter in Newhork,
wo wir endlich wieder einmal einen Juden auf der Bühne sahen, was bei uns ja
garnicht mehr vorkommt. Es war dies ein Mr. Budweiser, der fortwährend
Ä vör/ irnpoi'einel dusin<ZL8 zu verhandeln hatte und im übrigen ein so abgefeimter
Hallunke war, wie man deren im Leben antrifft. Als er auftrat, ging ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/605>, abgerufen am 05.02.2025.