Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.England am Vorabend eines Umschwunges. Das Recht, Einfluß auf Einrichtung und Verwaltung des für das irische Volk Im übrigen wird Parnell sich durch die Umstände gezwungen sehen, für Wenn nun aber der Premier und der Führer der irischen Nationalisten England am Vorabend eines Umschwunges. Das Recht, Einfluß auf Einrichtung und Verwaltung des für das irische Volk Im übrigen wird Parnell sich durch die Umstände gezwungen sehen, für Wenn nun aber der Premier und der Führer der irischen Nationalisten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0589" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198013"/> <fw type="header" place="top"> England am Vorabend eines Umschwunges.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1748" prev="#ID_1747"> Das Recht, Einfluß auf Einrichtung und Verwaltung des für das irische Volk<lb/> bestimmten Schulwesens zu üben, ist sicherlich, wenn auch nicht eingestandner¬<lb/> maßen, eines der Ziele, welche die katholische Gefolgschaft Parnclls mit dem<lb/> von ihr erstrebten Home Rule zu erreichen hofft. Kann dieses Recht also einer<lb/> gesetzgebenden Vertretung Irlands nicht vorenthalten werden, so ist schwer zu<lb/> sagen, wie das Rcichsparlnment es ermöglichen soll, dessen Ausübung so zu<lb/> regeln, daß die Rechte der protestantischen Minderheit vor Verletzung geschützt<lb/> sind. Es wird vielleicht Leute geben, die Mittel zu diesem Zwecke finden, aber<lb/> dann gewiß ebenso viele, welche sie unwirksam zu machen verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1749"> Im übrigen wird Parnell sich durch die Umstände gezwungen sehen, für<lb/> jetzt jeden Plan anzunehmen, der dem irischen Volke eine nationale gesetzgebende<lb/> Versammlung in Dublin gewährt. Er ist — wohl zu bemerken, für jetzt<lb/> genötigt, den Jrländern daheim und den verhältnismäßig bescheidenen unter<lb/> den amerikanischen Volksgenossen, die ihn bisher unterstützten, etwas für ihr<lb/> Geld zu zeigen, etwas, was wie ein Erfolg wenigstens aussieht. Blickt er dem<lb/> geschenkte!, Gaul in das Maul und schlägt er ihn aus, so führt er, wie oben<lb/> bemerkt, die Niederlage und den Rücktritt des einzigen Staatsmannes herbei,<lb/> welcher Aussicht hat, die Mehrheit des englischen und schottischen Volkes zu<lb/> überreden, daß das Home Rule ungefährlich und annehmbar sei, und so vertagt<lb/> er die Erfüllungen der irischen Hoffnungen mindestens auf lange Zeit. Außerdem<lb/> weiß er sehr wohl, daß die Lage Irlands gegenwärtig beinahe eine verzweifelte<lb/> ist. Die Not ist so groß,, daß man nicht übertreibt, wenn man behauptet, fast<lb/> die Hälfte der Bevölkerung in den westlichen Landesteilen stehe dicht vor dem<lb/> Hungertode. Jeder Monat bringt sie dem Untergange näher, das Landvolk<lb/> geht zu Grunde, die Gutsherren nicht minder und die Besitzer von städtischen<lb/> Geschäften ebenfalls. Endlich aber giebt es noch eine Betrachtung, die für<lb/> Parnell und seine Partei ins Gewicht fällt. Er weiß, daß Gladstone in gutem<lb/> Glauben allerhaud Einschränkungen und Bürgschaften ersinnen kann, um das<lb/> Home Unke unschädlich zu gestalten, ihm gleichsam die Zähne abzustumpfen, daß<lb/> diese Operation aber im besten Falle nur zeitweilig helfen wird, indem nach<lb/> wenigen Jahren, vielleicht nach wenigen Monaten, das irische Volk und Par¬<lb/> lament die Fesseln zerreißen wird, die ihm der englische Gesetzgeber mit jenen<lb/> Restriktionen angelegt hat. Seine Verpflichtungen, Regeln und Schranken<lb/> werden ganz ebensowenig Beachtung finden als die gerichtlich festgestellten<lb/> Pachtbcstimmungen des Jahres 1881, welche den irischen Pächter für alle<lb/> Zeiten zufrieden machen sollten und diesen Zweck kein halbes Jahr zu erfüllen<lb/> vermochten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1750" next="#ID_1751"> Wenn nun aber der Premier und der Führer der irischen Nationalisten<lb/> sich über einen neuen Vertrag von Kilmcnnham verständigt haben, der schlimmer<lb/> als die alte Übereinkunft erscheint, wird jener dann alle seine Amtsgenossen um<lb/> sich behalten? Und wenn der Plan dem Parlamente vorgelegt wird, werden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0589]
England am Vorabend eines Umschwunges.
Das Recht, Einfluß auf Einrichtung und Verwaltung des für das irische Volk
bestimmten Schulwesens zu üben, ist sicherlich, wenn auch nicht eingestandner¬
maßen, eines der Ziele, welche die katholische Gefolgschaft Parnclls mit dem
von ihr erstrebten Home Rule zu erreichen hofft. Kann dieses Recht also einer
gesetzgebenden Vertretung Irlands nicht vorenthalten werden, so ist schwer zu
sagen, wie das Rcichsparlnment es ermöglichen soll, dessen Ausübung so zu
regeln, daß die Rechte der protestantischen Minderheit vor Verletzung geschützt
sind. Es wird vielleicht Leute geben, die Mittel zu diesem Zwecke finden, aber
dann gewiß ebenso viele, welche sie unwirksam zu machen verstehen.
Im übrigen wird Parnell sich durch die Umstände gezwungen sehen, für
jetzt jeden Plan anzunehmen, der dem irischen Volke eine nationale gesetzgebende
Versammlung in Dublin gewährt. Er ist — wohl zu bemerken, für jetzt
genötigt, den Jrländern daheim und den verhältnismäßig bescheidenen unter
den amerikanischen Volksgenossen, die ihn bisher unterstützten, etwas für ihr
Geld zu zeigen, etwas, was wie ein Erfolg wenigstens aussieht. Blickt er dem
geschenkte!, Gaul in das Maul und schlägt er ihn aus, so führt er, wie oben
bemerkt, die Niederlage und den Rücktritt des einzigen Staatsmannes herbei,
welcher Aussicht hat, die Mehrheit des englischen und schottischen Volkes zu
überreden, daß das Home Rule ungefährlich und annehmbar sei, und so vertagt
er die Erfüllungen der irischen Hoffnungen mindestens auf lange Zeit. Außerdem
weiß er sehr wohl, daß die Lage Irlands gegenwärtig beinahe eine verzweifelte
ist. Die Not ist so groß,, daß man nicht übertreibt, wenn man behauptet, fast
die Hälfte der Bevölkerung in den westlichen Landesteilen stehe dicht vor dem
Hungertode. Jeder Monat bringt sie dem Untergange näher, das Landvolk
geht zu Grunde, die Gutsherren nicht minder und die Besitzer von städtischen
Geschäften ebenfalls. Endlich aber giebt es noch eine Betrachtung, die für
Parnell und seine Partei ins Gewicht fällt. Er weiß, daß Gladstone in gutem
Glauben allerhaud Einschränkungen und Bürgschaften ersinnen kann, um das
Home Unke unschädlich zu gestalten, ihm gleichsam die Zähne abzustumpfen, daß
diese Operation aber im besten Falle nur zeitweilig helfen wird, indem nach
wenigen Jahren, vielleicht nach wenigen Monaten, das irische Volk und Par¬
lament die Fesseln zerreißen wird, die ihm der englische Gesetzgeber mit jenen
Restriktionen angelegt hat. Seine Verpflichtungen, Regeln und Schranken
werden ganz ebensowenig Beachtung finden als die gerichtlich festgestellten
Pachtbcstimmungen des Jahres 1881, welche den irischen Pächter für alle
Zeiten zufrieden machen sollten und diesen Zweck kein halbes Jahr zu erfüllen
vermochten.
Wenn nun aber der Premier und der Führer der irischen Nationalisten
sich über einen neuen Vertrag von Kilmcnnham verständigt haben, der schlimmer
als die alte Übereinkunft erscheint, wird jener dann alle seine Amtsgenossen um
sich behalten? Und wenn der Plan dem Parlamente vorgelegt wird, werden
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